John Cryan, der Chef der Deutschen Bank, soll am Tag, da der Aktienkurs des größten Kreditinstituts unserer Republik massiv auf bis weniger als 10 Euro einbrach, in der Metropolitan Opera in New York die Première von „Tristan und Isolde“ genossen haben. Wenige Tage später lud der Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bank, Paul Achleitner, einige, die einst als Verantwortliche im Vorstand des Instituts den Kurs bestimmten, zur Feier seines 60. Geburtstages in das edle Interalpen-Hotel Tyrol nach Österreich ein. All das erinnert an den Untergang der berühmten Titanic: auf dem Schiff spielte die Musik weiter und es wurde von den Passagieren munter gefeiert, bis es im bewegten Gewässer endgültig verschwand.
Es drohen hohe Milliarden-Strafen
Gewiss, so weit ist es noch nicht, obwohl die Deutsche Bank jüngst in arge Seenot geriet. Von der US-Justiz hatte sie gerade die Nachricht erhalten, dass sie eine Strafe von bis zu 14 Mrd. Dollar für windige Hypothekendeals zu zahlen hätte, die angeblich die letzte Finanzkrise mit ausgelöst hätten. Ob daraus nach Verhandlungen mit dem amerikanischen Justizministerium nur gut 5 Mrd. Dollar werden, darauf hoffen die Oberen der Deutschen Bank, doch gesichert ist das noch nicht. Immerhin hat das Kreditinstitut die Summe von 5,5 Mrd. Euro für Rechtsstreitigkeiten zurückgestellt. Dennoch sitzt man in der Klemme und muss mit dem Schlimmsten rechnen. Denn es laufen noch viele juristische Verfahren gegen das früher so bedeutende Flaggschiff der deutschen Bankenwelt.
Ackermann und Jain: Mit Gier in den Abgrund
Immerhin wird die Situation so ernst eingeschätzt, dass der Aufsichtsratschef Achleitner, der seit langem Aufsicht führen und Rat geben sollte, der bei vielen Bankentagungen schlaue Reden führte, der viele hunderttausend Euro als Vergütung für seine AR-Aktivitäten kassierte, die Bundesregierung anrief – das Kanzleramt und das Finanzministerium in Berlin. Über Staatsknete als Hilfe für die angeschlagene Bank wurde angeblich kein Wort gesprochen. Nach den strengen Regeln der EU-Bankenunion ist das auch verboten. Es wäre gewiss der GAU für Angela Merkel, die einst dem Vorstandschef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, im Kanzleramt ein Geburtstagsessen mit Freunden bescherte. Ackermann betätigte sich in der Finanz- und Bankenkrise als großer politischer Berater. Erst heute – viele Jahre später – geht einigen Politikern ein Licht auf: Der Bank-Bock, der nie staatliche Hilfe in Anspruch nehmen, der die Rendite des Eigenkapitals der Deutschen Bank auf 25 % steigern sollte, geriertes sich als von vielen bewunderter Gärtner.
Geldwäsche in Russland
Inzwischen ist einer breiten Öffentlichkeit und wohl auch den Experten in der Politik mehr als deutlich geworden, dass die allzu gierigen Vorstände – insbesondere Josef Ackermann und Anshu Jain – die Bank in das größte Desaster ihrer Geschichte gefahren haben. Vor allem im Investmentbanking drehten sie in ihrem Größenwahnsinn ein Riesenrad, dass schlussendlich nicht mehr zu beherrschen war.
Die Bosse in der obersten Etage haben sich selbst die privaten Taschen mehr als vollgestopft. Sie waren die größten Spekulanten – allerdings gegen und zu Lasten der eigenen Bank. Sie setzten sich mehr als leichtfertig über goldene Bankregeln hinweg, ließen ein hohes Maß an Verantwortung und an Moral völlig außer Acht.
Denn sie machten viele nicht gerade feine Bankgeschäfte, die zum Teil scharf am Rande der Legalität und vielfach auch jenseits deren Grenzen getätigt wurden. So laufen derzeit beispielsweise Ermittlungen gegen die Deutsche Bank wegen Beihilfe zur Geldwäsche in Russland und wegen Steuerstraftaten in Deutschland. Die Prozessrisiken sind jedenfalls immens. Die rechtlichen Risiken für die Vorstandsherren sind indessen nicht ganz so groß, weil diese die Durchführung der dubiosen Geschäfte durchweg von der Ebene unterhalb des Vorstandes ausführen ließen.
Gebeutelte Aktionäre
Nach dem Kurscrash der jüngsten Zeit liegt der Börsenwert der Deutschen Bank gerade noch etwas über 15 Mrd. Euro; binnen Jahresfrist büßte er rund 50 %, binnen Zehnjahresfrist sogar 85 % ein. Die leidgeprüften Aktionäre müssen diese Verluste hinnehmen und haben wohl wenig Aussicht auf eine baldige Kurserholung. Denn die Bank befindet sich auch in einem betriebswirtschaftlich schlechten Zustand: Die IT-Systeme sind längst nicht mehr auf dem neuesten Stand und fielen bereits einige Male aus. Die Personalkosten drücken gewaltig, weil die Bank auch kein zukunftsweisendes Geschäftsmodell hat. Rund 9.000 Beschäftigte sollen deshalb ihren bisherigen Arbeitsplatz verlieren.
Tafelsilber wurde verscherbelt
Last but not least macht der Deutschen Bank ebenso wie allen anderen Banken und Sparkassen die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank zu schaffen. Solange die EZB die Zinsen auf dem historisch tiefsten Niveau hält, ist nicht mit einer Trendwende zu rechnen: Die Nettoerträge aus dem Einlagen- und Kreditgeschäft dürften eher weiter sinken. Das erschwert insbesondere die Verbesserung der Eigenkapitalquote, die bei der Deutschen Bank gerade einmal bei etwa 4 % liegt. Das wertvolle Tafelsilber hat die Bank schon in den beiden letzten Jahrzehnten verscherbelt. Dazu zählten solide Beteiligungen an Daimler-Benz, an der Allianz und der Münchener Rück sowie an Linde und an Continental; nicht einmal 10 Mrd. Euro hat die Deutsche Bank dafür kassiert, heute brächten diese Aktienpakete mehr als 30 Mrd. Euro. Ob die Aktionäre zu einer Kapitalerhöhung bereit wären, das steht in den Sternen. Gerade in jüngster Zeit haben viele ihre Papiere lieber verramscht – ganz nach der Devise: lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.
Und die von der Deutschen Bank wie Sauerbier angepriesene Postbank will niemand kaufen. Ansonsten steht das Institut ziemlich nackt da, es sei denn, CEO John Cryan würde auch noch die einzige attraktive Sparte, die Vermögensverwaltung mit der Fondsgesellschaft DWS verkaufen.
Einlagen bis zu 100.000 Euro sind sicher!
In den Filialen der Deutschen Bank leiden die Mitarbeiter wie Hund – wohl noch mehr als die Chefs in den Frankfurter Banktürmen. Die älteren, die noch echte Bankiers wie Abs, Ulrich, Christians, Guth und Herrhausen erleben durften, die als stolze Deutsche Bank-Beschäftigte verantwortungsbewusst und solide die Geschäfte mit ihren Kunden tätigten, müssen um ihren Job fürchten, sollen jedoch wie die jüngere Bank-Garde die Kundschaft beruhigen und diese bei der Stange halten. Immerhin müssen Sparer und Einleger, die nicht mehr als 100.000 Euro auf ihren Konten bei der Deutschen Bank haben, nicht um ihr Geld fürchten, denn bis dahin greift die staatliche Eigensicherung. Wer höhere Einlagen dort hat, kann sie auf andere Banken verteilen, was wohl nicht wenige Kunden bereits getan haben. Die Aktien, die in den Depots bei der Bank aufbewahrt werden, sind selbst im Falle eines Falles gesichert.
AR-Chef Achleitner sollte einpacken!
Vom Ende der Deutschen Bank heute zu reden, wäre indessen völlig daneben. Gewiss wird der Weg aus dem gegenwärtigen Krisental außerordentlich schwierig. Er ist jedoch möglich, wenn sie sich neu strukturiert, die Prozessrisiken so schnell wie möglich eindämmt, sich wieder auf solide Geschäfte besinnt sowie die Pflege der normalen Privatkunden und der Unternehmen zur höchsten Priorität erhebt. Es gilt noch immer die Weisheit des alten Bankiers, Hermann-Josef Abs: „Die besten Geschäfte sind die schlechten, die man unterlässt.“ John Cryan und sein Führungsteam sollten sich daran erinnern. Nur so kann die Operation am offenen Herzen gelingen; bis zur Gesundung wird es indessen sehr lange Zeit brauchen. Vor allem der eitle Chef des Aufsichtsrates, Paul Achleitner, sollte so schnell wie möglich in den österreichischen Bergen verschwinden und die große Mitverantwortung an dem einzigartigen Desaster übernehmen. Mit ihm lassen sich weder ein zukunftsorientiertes Geschäftsmodell durchsetzen noch die ramponierte Glaubwürdigkeit der Bank wiederherzustellen.