„Wir schulden ihm Dank“, so würdigte Kanzlerin Angela Merkel Max Mannheimer, der die Schrecken der Nazis am eigenen Leib erlebte, aber dessen Familie von den Nazis umgebracht worden war. Max Mannheimer wollte, nach dem er der Hölle entkommen war, nie mehr deutschen Boden betreten. Er starb jetzt im Alter von 96 Jahren in einer Münchner Klinik.
Mannheimer war einer der bekanntesten Zeitzeugen der schlimmen braunen deutschen Vergangenheit. Er kannte die KZ in Theresienstadt, Auschwitz, Dachau und er war viele Jahre später Präsident der Lagergemeinschaft Dachau. Dass Angela Merkel den Satz sagte, „wir schulden ihm Dank“, hängt damit zusammen, dass Mannheimer nie als Ankläger auftrat, sondern stets als „Mahner gegen das Vergessen und großer Versöhner“.
99728, das war seine Nummer, die ihm die Nazis eingraviert hatten in die Haut seines Unterarms, sodass man lebenslänglich sein Auschwitz-Mal sehen konnte. Diese Nummer zeigte er seinen jugendlichen Zuhörern, wo immer er sie antraf. Aber Mannheimer tat dies als Zeitzeuge, nicht als Ankläger oder gar als Richter. Nicht über die Pein, die man ihm und seiner Familie zugefügt hatte, wollte dieser Mann reden, nein, er wollte nur schildern, wie es zu einer solchen Diktatur gekommen war und wie man sie verhindern kann.
Deutschland ist kein braunes Land, aber es gibt Bewegungen, die man nicht unterschätzen darf. Fremdenfeindlichkeit macht sich breit, Ausländer werden attackiert, Flüchtlinge, die ihre Heimat wegen Krieg und Verfolgung verlassen haben, sind auch in Deutschland nicht immer sicher. Was wir seit einiger Zeit an Anschlägen und Übergriffen auf Ausländer erleben, auf Flüchtlingsheime, in welcher rohen Sprache Deutsche über Flüchtlinge reden, dass es Angriffe auf Ausländer gibt, auf Häuser, in denen sie leben oder leben wollen, weil sie für sie hergerichtet worden waren und dann angezündet wurden, ehe ein Flüchtling darin leben konnte, das ist erschreckend. Und die Zahl der Übergriffe auf Flüchtlinge und Asylbewerber steigt.
Max Mannheimer hat Zeit seines Lebens immer wieder vor Jugendlichen und Schülern gesprochen, über sein Leben und was damals alles geschehen war. Den jungen Deutschen machte er keine Vorwürfe, weil sie ja nicht verantwortlich waren für das, was geschehen war. Aber er nahm sie in die Pflicht, damit es nicht wieder geschieht. Ddafür seien sie dann schon verantwortlich.
Mannheimer stammte aus Nordmähren, was heute Tschechien ist. 1920 kam er zur Welt als ältestes von fünf Kindern einer jüdischen Familie. 1938 besetzten die Nazis das Sudetenland und damit begann die Verfolgung auch der Mannheimers durch die Nazis. Die Eltern, die Ehefrau, zwei Geschwister wurden ermordet, dass er die Selektion überlebte, grenzte an ein Wunder. Mannheimer hat Warschau überlebt, Dachau, den Transport, auf dem viele starben, Ende April befreiten ihn die Alliierten. Und trotz aller Schrecken ist er in Deutschland geblieben.
Seine Mahnungen gelten fort. Die Berliner Republik, aufgebaut in Bonn, ist stark, die parlamentarische Demokratie nicht gefährdet. Wachsam sein muss man dennoch. Demokratie muss man lehren und leben, damit die Menschen sie schätzen und dafür eintreten. „Was wir aus der Vergangenheit lernen können“, das ist das Vermächtnis des großen Historikers und Politik-Wissenschaftlers Prof. Karl-Dietrich Bracher, der im Alter von 94 Jahren in Bonn gestorben ist und der am heutigen Montag auf dem alten Friedhof in der Bundesstadt beerdigt wird. Geschichte aus Erfahrung, das können wir von Bracher lernen. Sein Plädoyer für Europa wirkt heute aktueller denn je. Und: Geschichte kann sich wiederholen. Aber nur dann, wenn die wehrhafte Demokratie sich nicht verteidigt gegen ihre Feinde.
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