Ein neues „Zauberwort“ macht am Bau Furore: BIM. Das steht für Building Information Modeling, auf Deutsch etwa Gebäudedatenmodellierung. Konkret geht es dabei um eine Planungs- und Arbeitsmethode beim Bauen.
Wesentliches Merkmal von BIM ist das virtuelle Gebäudedatenmodell ‐ ein digitales Abbild des realen Projektes in 3D. Das virtuelle Gebäudedatenmodell bildet die verschiedenen fachlichen Anforderungen interdisziplinär ab. Dabei erarbeitet jede Disziplin, Architektur, Haustechnik, Statik, etc. ihr eigenes 3D Teil- bzw. Fach-Modell und ist für die Ergebnisse auch verantwortlich.
In der modellbasierten Planung werden diese Fach-Modelle zu vereinbarten Zeitpunkten zu einem Gesamt-Modell zusammengefügt. Die Änderungen sind für alle an der Planung und am Bau Beteiligten direkt verfügbar und bilden die Grundlage für die Weiterbearbeitung. Durch die ständige Verfügbarkeit aktueller Informationen aus den Fach-Modellen sind die Projektbeteiligten immer auf dem gleichen Wissensstand; dies verbessert die Kommunikation und minimiert die Fehlerpotentiale.
In der Planungs- und Bauphase werden die Massen und Mengen nur ein Mal aus der Grafik extrahiert. Die Berechnung erfolgt automatisch und auf Basis des Modells. Bei einem Rückbau oder Teilrückbau gibt das Modell genauen Aufschluss über die Lage, Mengen und Massen der verbauten Bauelemente und Materialien. Das ermöglicht auch ein professionelles Recycling.
Erst planen, dann bauen!
Wenn Entscheidungen erst während der Bauphase getroffen werden, führen sie unweigerlich zu Verzögerungen und zur Steigerung der Kosten. Idealerweise wird die Planung erst vollständig abgestimmt vollendet, die Massen und Bauteile extrahiert und die Kostenschätzung präzisiert, bevor mit der baulichen Umsetzung begonnen wird. Das verringert die Fehlerquellen erheblich. Es erspart allen Projektbeteiligten Zeit und Kosten sowie juristische Auseinandersetzungen und verbessert das Ergebnis.
Weil Planen und Bauen kein Selbstzweck sind, sondern einzig und allein der Gebäudenutzung dienen, begleitet BIM das Bauwerk über den gesamten Lebenszyklus. Der größere Anteil der Lebenszykluskosten entsteht im Betrieb. Experten schätzen eine Kosten-Verteilung von 20 % für Planung und Bau sowie 80 % für den Betrieb als feste Größen. Tatsächlich variieren die Anteile erheblich in Abhängigkeit der Nutzung des Gebäudes sowie der Nutzungsdauer. So sind etwa Klinikbetriebe nicht vergleichbar mit Büro- oder Wohngebäuden. Richtig ist, dass die Gebäudebetriebs- und die Nutzungskosten erheblich höher sind als die Planungs- und Erstellungskosten. Um die Nutzungsphase möglichst wirtschaftlich zu gestalten, ist es unabdingbar, dass die Erkenntnisse aus dem Gebäudebetrieb vergleichbarer Projekte in die Neubau- und Umnutzungsplanungen mit einfließen. Leider findet dieser Aspekt bislang noch zu wenig Beachtung.
Chancen eines 3 D – Gebäudemodells
Während der Planungsphase müssen die Szenarien des Gebäudebetriebs bereits durchgespielt werden. Die Weichen für die folgenden wirtschaftlicheren Betriebskosten werden zu einem frühen Zeitpunkt gestellt. Das 3D-Gebäudemodell bietet die Chance, künftige Aus- und Wiedereinbauten technischer Anlagen virtuell zu testen, die Kosten und den Zeitaufwand zu verifizieren.
Der bisherige Bruch im Informationsfluss zwischen Realisierung und Betrieb ist erschreckend. Im seit jeher modellbasierten Maschinenbau ist es undenkbar, dass etwas geplant und konstruiert wird und mit der Übergabe die Verantwortung abgegeben ist. Im Hochbau ist dies gängige Praxis. Deshalb sind die Kenntnisse über Kaffeemaschinen zumeist größer als über Gebäude.
Dabei verliert die Immobilie mit jeder gesetzlichen Verschärfung an Wert, wenn die zukünftigen Vorgaben bei Neubau und Sanierung aus Kostengründen nicht gleich mit umgesetzt wurden oder die technischen Möglichkeiten noch nicht gegeben waren. Jede Verschärfung der EnEV (Energieeinsparverordnung) bedeutet gleichzeitig, dass die Immobilie dann nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik entspricht. Jedes Baumaterial, das sich im Nachhinein als toxisches Produkt erweist, wird für die Eigentümer wie für die potentiellen Käufer eine Kostenfalle, wenn nicht bekannt ist, wo, wieviel und wie es in dem Gebäude verarbeitet wurde. So war es beispielsweise mit Asbest, das einst als Wunderfaser wegen seiner Brand- und Säurebeständigkeit allenthalben verbaut wurde und schließlich als krebserregender Stoff im Jahr 1990 in der EU verboten wurde. Die finanziellen Folgen bei Sanierungen werden mangels einer belastbaren Dokumentation unkalkulierbar.
Bauten haben einen Lebenszyklus
Die EU hat dieses Problem erkannt und fordert in Verordnungen und Richtlinien die Berücksichtigung der Lebenszyklusbetrachtung, wie in der BauPVO (Bauproduktenverordnung(EU) Nr. 305/2011), die zum 1.Juli 2013 in Kraft getreten ist und in der VgV (Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge Vergabeverordnung vom 12.April 2016) festgelegt wurde.
Die Lebenszyklusbetrachtung für Baumaßnahmen bedeutet: Anschaffung, Nutzung, insbesondere den Verbrauch von Energie und anderen Ressourcen, Wartung, Ende der Nutzungsdauer, insbesondere die Abholung, Entsorgung oder Recycling oder Kosten, die durch die externen Effekte der Umweltbelastung entstehen, exakt zu erfassen.
Daraus folgt zwangsläufig, dass eine umfassende Dokumentation im Lebenszyklus einer Immobilie vorhanden sein und fortgeschrieben werden muss. Bereits bei der Planung und Umsetzung einer Baumaßnahme sind die Aspekte des Rückbaus bei Modernisierung und Sanierung sowie Abriss zu beachten. Die bisherige Form der Dokumentation reicht auf keinen Fall mehr aus. Ohne die BIM-Technologie kann diese komplexe Aufgabe nicht erfüllt werden.
Miteinander am Bau
Eine Dokumentation mit einer intelligenten Verknüpfung der Gebäudeinformationen ist auch deshalb unentbehrlich, da die bereits formulierten gesetzlichen Anforderungen an die Gebäude kein verbriefter Stand sind. Es werden weitere ambitionierte Ziele folgen.
Betrachtet man die Entwicklung der WSVO (Wärmeschutzverordnung) aus dem Jahr 1977 als Reaktion auf die erste Ölkrise 1973 bis zur heutigen EnEV (Energieeinsparverordnung), so wurde durch die gesetzlichen Ziele die Innovationsfähigkeit erheblich gefördert. Neue Technologien sowohl im Hochbau als auch in der Anlagentechnik wurden entwickelt. Hieraus folgte letztlich der Beweis der technischen Machbarkeit als Reaktion auf die gesetzlichen Anforderungen. Die nächste Stufe der gesetzlichen Ziele war dadurch realisierbar, so dass sich die zeitlichen Abstände der Verschärfung der Gesetze immer weiter verkürzten. Binnen 40 Jahren entwickelte sich der bauliche Standard von unbegrenzt vorhandenen Energiequellen durch Atomstrom mit mäßig gedämmten Gebäuden und
leistungsstarken Heizanlagen zu „Plus Energie Häusern“, also Gebäude, die mehr Strom erzeugen als sie verbrauchen und dies unter ganzheitlicher Betrachtung der Nachhaltigkeit.
BIM ist keine Software, sondern eine neue Planungsmethode, ja Planungskultur. Sie erfordert mehr Miteinander aller Beteiligten am Bau und mehr Sorgfalt, Engagement und zeitlichen Einsatz in der frühen Planungsphase. Es geht also vor allem um eine Managementaufgabe. Je früher sie angegangen wird, desto besser für Unternehmen und Bauherren.
Bildquelle: vimeo, Pepper Construction