Selten zuvor war die politische Stimmung so aufgewühlt wie in diesen Sommertagen. Die Prognosen für die nächste Bundestagswahl im Herbst 2017 spiegeln ein Maximum an Unsicherheit wider.
CSU-Sturm gegen Merkel
Ziemlich sicher ist, dass Angela Merkel die Spitzenkandidatin der Union sein wird, während der Suchprozess bei der SPD wohl noch bis Anfang 2017 dauern wird. Allerdings nehmen Kritik an Merkel und Anfeindungen aus den Reihen der CDU und vor allem aus der CSU zu. Nach ihrem jüngsten Auftritt vor der Bundespressekonferenz gab es gewaltige Breitseiten von Seehofer und Söder gegen sie und ihre Aussage „Wir schaffen das“. Die terroristischen Attentate und andere mörderischen Attacken in München, Würzburg, Ansbach und anderswo werden der Kanzlerin mehr oder weniger angelastet, obwohl das überhaupt nichts mit ihrer Politik zu tun hat. Mit recht groben Geschützen wird nicht nur von der AfD, sondern auch aus anderen Parteien und Teilen der Bevölkerung sowie Medien auf sie „geschossen“. Auch die SPD rückt vom bisherigen Kurs Merkels peu à peu ab. Sarah Wagenknecht von den Linken will da nicht nachstehen – trotz Kritik aus der eigenen Partei.
Herausforderung Nr. 1: Innere Sicherheit
Unsicherheit hat Deutschland erfasst. Rund die Hälfte der Bundesbürger schätzen die Lage und Entwicklung als bedrohlich ein. Die innenpolitische Strategie erscheint den meisten als verworren, eher hilflos und wenig vertrauenserweckend. Und dies, obwohl die Bundesregierung und der Bundestag in den letzten Monaten eine Fülle von Maßnahmen zur besseren Bewältigung des inzwischen wesentlich verringerten Migrantenzustroms, zur Erfassung von Kriegsflüchtlingen und Zuwanderern und zur Integration, vor allem aber auch zur Verbessering der inneren Sicherheit beschlossen haben. Deren Umsetzung braucht indessen einige Zeit. Die Ausbildung neuer Polizisten dauert mindestens 3 Jahre. Die Einführung digitaler Erfassungstechniken ist ebenfalls nicht von heute auf morgen zu bewältigen.
So grassieren immer neue – zum teil abstruse – Vorschläge: Das reicht vom Einsatz der Bundeswehr im Inneren bis hin zur Rekrutierung von Bürgerwehren.
Viele Bürger sorgen privat vor, beantragen einen Waffenschein und organisieren Bewachung vor Ort. Die täglichen Meldungen über Übergriffe in Schwimmbädern und auf öffentlichen Plätzen alarmieren viele, schüren Angst und sogar Fremdenhass bei nicht wenigen. Die begleitende Dauerpropaganda der AfD und anderer nationalistischer Kampftruppen zeigt inzwischen Wirkung – vor allem auch bei Teilen des Bürgertums, die ohnehin stets gegen Überfremdung, Einwanderer, Asylanten und Flüchtlinge waren. Für sie hat die Bundeskanzlerin und ihre Regierung längst nicht mehr das Heft des Handelns in der Hand; ihre Politik der „ruhigen Hand“ wird eher als eine Strategie mit Beruhigungspillen und Placebo verachtet.
Üble Propaganda von rechts wie links
Deutschland steht in diesem Sommer vor einer der schwierigsten Bewährungsproben. Es geht um die innere und auch um die äußere Sicherheit unserer Republik, es geht um Frieden und Freiheit. Nicht wenige sind durchaus bereit, an den Grundfesten unserer Demokratie zu rütteln und Grundrechte unserer freiheitlichen Verfassung infrage zu stellen. Rechts- und auch Linksradikale stoßen mit ihren Propaganda-Parolen auf offene Ohren. Das könnte noch gravierender werden, wenn der ohnehin umstrittene und schwierige Flüchtlingspakt mit dem türkischen Herrscher Erdogan doch nicht halten sollte, wenn sich neue Fluchtlöcher auf der Balkan-Route auftun, wenn sich der Flüchtlingsstrom über Nordafrika in Richtung Europa verstärken wird. Denn die Lage in Syrien, im Irak, in Afghanistan und vor allem in zahlreichen afrikanischen Staaten ist in jüngster Zeit um keinen Deut besser, sondern eher schlechter geworden. Europa könnte noch im Laufe dieses Jahres vor einer großen Katastrophe stehen – und damit vor allem auch Deutschland.
Demokraten für Grundrechte motivieren!
Die bevorstehenden Wahlen werden eindeutig vom Flüchtlingsthema dominiert. Neue Anschläge von Terroristen kann hierzulande niemand ausschließen. Psychopathen und verirrte Anschlusstäter, Sympathisanten und eingeschleuste Kämpfer des IS sind nur schwer zu identifizieren und dingfest zu machen, bevor sie Wahnsinnstaten begehen. Das gilt vor allem für Selbstmordattentäter. Jeder weitere Anschlag wird jedenfalls von vielen der „Wir schaffen das – Strategie“ von Angela Merkel zugeschrieben, obwohl sie alles Menschenmögliche und nach Recht wie Gesetz Machbare unternimmt. Niemand ihrer lautstarken Kritiker bietet eine vernünftige Alternative. Allerdings muss die Regierungschefin die Gemeinschaft aller Demokraten, die für die Grundrechte unserer Verfassung, für die Menschenrechte und für die Humanität eintreten, die sich für Recht und Ordnung in unserer Republik engagieren, viel stärker als bisher mobilisieren und aktivieren, damit wir es gemeinsam schaffen, eines der größten Probleme unserer globalisierten Welt zu lösen.
Unsichere Wahl-Prognosen
Anfang September wird in Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin gewählt. Im hohen Nordosten könnte es zur Fortsetzung der Großen Koalition oder auch zu einer rot-roten Mehrheit kommen. In Berlin dürfte es kaum mehr für eine Große Koalition reichen, sodass eine rot-rot-grüne Regierungsmehrheit eher wahrscheinlich wird. Im Mai nächsten Jahres wird die wichtigste Landtagswahl vor der Bundestagswahl in Nordrhein-Westfalen stattfinden. Nach aktuellen Umfragen wird es hier wohl kaum für die Fortsetzung eines rot-grünen Bündnisses mit Hannelore Kraft an der Spitze reichen. Große Koalition oder eine Dreiparteien-Formation in Düsseldorf – darüber wird bereits spekuliert.
Doch entschieden ist derzeit noch gar nichts. Das gilt auch mit Blick auf die Bundestagswahl im Herbst 2017. Bei der Sonntagsfrage liegt die Union in diesem Sommer bei 33 bis 35 %, die SPD bei 22 bis 23 %. Grüne kommen auf 10 bis 11 %, Linke auf 9 bis 10 %. Die AfD hält sich allen innerparteilichen Querelen zum Trotz bei rund 12 %. Die FDP hofft auf eine Renaissance, sie bewegt sich bei den demoskopischen Befunden um die 5 bis 6 %-Marke; das ist noch keine echte Perspektive für den sicheren Wiedereinzug in den Deutschen Bundestag. Es wird für Christian Lindner, der bislang die „one man-show“ der Liberalen bestreitet, schwer, in eine große Offensive zu starten, wenn seine Partei sich nicht schnell programmatisch deutlicher und mit mehr profiliertem Personal in der Öffentlichkeitsarbeit in Szene setzt. Die Chancen für die FDP sind durchaus groß – vor allem, wenn sie es schafft, der AfD einiges Wasser abzugraben.
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