Die Flüchtlingskatastrophe, wachsender Zulauf für rechtspopulistische Bewegungen, rechtsnationale Politik in Ungarn oder Polen, die TTIP/CETA-Debatte oder auch die Brexit- Entscheidung der Briten: Verunsicherung und Angst sind die Teile einer gefährliche Mischung in der europäischen Debatte. In den EU-Mitgliedsländern wächst die Skepsis gegenüber dem Projekt Europa. Das Pew-Research-Center, Washington D.C., hat jüngst in einer Umfrage in zehn EU-Staaten ein deutliches Tief bei der Zustimmung zu den EU-Institutionen festgestellt. Das Resultat des letzten Eurobarometer, der regelmäßige Meinungsumfrage der EU-Kommission in allen Mitgliedsländern, muss insbesondere die deutsche Politik aufhorchen lassen: danach hat das Image der Europäischen Union in fast keinem anderen Land mehr gelitten, als in Deutschland. Alarmierende Ergebnisse, die sich aber schon weit vor Flüchtlingskatastrophe oder Ukrainekonflikt abgezeichnet haben.
Weil es so einfach ist: Die EU ist`s schuld!
Denn neben den aktuellen politischen Ereignissen hat sich Europa für viele Menschen in der Vergangenheit kaum so vermittelt, dass sich daraus Nähe, Orientierung und Zuversicht entwickeln konnte. Im Gegenteil. Die Europäischen Institutionen schienen sich immer weiter „vom wirklichen Leben“ weg zu entwickeln. Das Gefühl der Europa-Skepsis wurde nicht nur von den Rechtspopulisten in Europa oder in der Brexit-Kampagne in Großbritannien verstärkt. Auch in Deutschland haben PolitikerInnen aller Parteien diese Skepsis immer wieder bedient. So fehlte im letzten Europa-Wahlkampf bei keiner Partei in den Wahlkampfreden eine Passage zur Kritik am „Bevormundungseuropa“, verbunden mit einer Tirade gegen Glühbirnen oder den Krümmungsgrad der Salatgurken. Gleichzeitig fordern aber eben diese PolitikerInnen, dass in der Kommunikation über das gemeinsame Europa die Werte, das emotionale Band des vereinten Europas, wieder deutlich herausgestellt werden. Kommunikation über Europa, das sollte wieder mehr sein, als allein über den Euro, die Wirtschaft und die Märkte.
Aber es gelingt den politischen Akteuren und ihren Institutionen nicht, das Europa-Projekt den EuropäerInnen so zu vermitteln, das daraus Sicherheit und Zustimmung erwächst. Denn dafür müssten die politischen Akteure nicht nur gebetsmühlenartig von mehr Demokratie, mehr Bürgernähe oder mehr Zusammenarbeit reden, sondern sie tatsächlich auch politisch umsetzen. Begleitet von einer transparenten Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit würden wichtige Grundlagen dafür gelegt, dass der Vertrauensverlust in die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union reduziert würde.
Jean-Claude Junckers CETA-Debakel
Die Praxis zeigt, wie weit wir aber in der Europa-Kommunikation tatsächlich noch davon entfernt sind. Kurz nach der Brexit-Entscheidung teilte EU-Kommissionspräsident Juncker mit, dass man das Freihandelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada als „reines EU-Abkommen“ betrachte. Die Folge: nur die EU-Institutionen würden über dieses geheim verhandelte und höchst umstrittene Freihandelsabkommen befinden. Die nationalen Parlamente wären damit außen vor. Die Öffentlichkeit verstand dies zu Recht nicht als Signal aus Brüssel, dass mehr Demokratie und Zusammenarbeit bedeutete. Die deutsche und die französische Regierung haben deshalb auf einer Beteiligung der nationalen Parlamente bestanden. Die EU-Kommission schaffte letztendlich die Kehrtwende, nationale Parlamente entscheiden nun doch mit, aber der Vertrauensschaden war bereits eingetreten.
Die kommunikative Lehre aus dem Brexit
Eine der europapolitischen Lehren aus dem Brexit-Votum der Briten: Europa muss demokratischer werden und seine Bürgerinnen und Bürger viel unmittelbarer und dialogorientierter in die Entscheidungen und die Gestaltung einbeziehen. Für die Europa-Kommunikation bedeutet das: eine glaubwürdige und authentische Europa-„Geschichte“ muss diese Politik begleiten. Dazu zählt, ein Europa das sich als Werte- und Friedensgemeinschaft versteht. Eine Gemeinschaft deren Mitgliedsländer zusammenstehen und deren Vertiefung sich über ein europäisches Bewusstsein und nicht die in erster Linie über Wirtschaftswachstum und Märkte definiert. Hier gilt, wie auch sonst in der politischen Kommunikation, dass die Europa-Erzählung nur gemeinsam mit der europäischen Politik Wirkung entfalten kann. Ein Verständnis für Europa entwickelt sich erst dann, wenn wir Europa in unserem Alltag unmittelbar erfahren. Dazu gehört auch, welchen unmittelbaren Nutzen man ganz persönlich aus Europa hat. Nur wenn Europa so für jeden sichtbar wird, entwickelt sich Vertrauen, Orientierung und ein Verständnis für ein gemeinsames Europa.
Emotion und Information
Information über Daten und Fakten zu Europa gibt es ausreichend auf jedem Kanal, in jeder Form. Ob sie die Menschen wirklich erreicht, darf man – auch angesichts der Umfrageergebnisse – getrost bezweifeln. Eine Kommunikation, die auch auf Emotionen setzt und darüber auch die Bedeutung Europas für jeden einzelnen Europäer deutlich macht, stellt sich bewusst gegen die Ängste, die aktuell das Europa-Bild bestimmen. Wer jetzt in der Kommunikation ein romantisch, verklärtes Europabild erwartet, ist auf dem Holzweg: gemeinsame Werte führen zu ganz konkreten, pragmatischen Themen und Entscheidungen, die auch die Vorteile für jeden einzelnen erkennbar machen: von der Reise- oder Niederlassungsfreiheit, der IT-Sicherheit oder der Abschaffung der Roaming-Gebühren. Das sind Erfolge, aus denen sich neue Perspektiven für ein Zusammenleben in Europa entwickeln lassen.
Wie die Verbindung von Information und Emotion beim Europathema funktioniert, hat gerade die Deutsche Telekom bewiesen. Zwar wäre es ein Irrtum, jetzt zu glauben, dass sich Markenkommunikation einfach auf politische Kommunikation übertragen ließe. Im TV-Spot mit dem italienischen Sänger Andrea Bocelli zeigen die Telekom-Werber in ihrer europaweiten Kampagne aber eine Richtung, die auch im politischen Europa verstanden würde: „Was uns verbindet kann man nicht sehen – aber man kann es fühlen“.
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