Natürlich sind die Ereignisse in Nizza, München, Ansbach, Würzburg, um nur diese Orte zu nennen, gesondert zu betrachten. Der Amoklauf von München ist mit Nizza nicht zu vergleichen und auch nicht mit dem Angriff von Würzburg und dem Selbstmordattentat von Ansbach. Gleichwohl sind diese Orte mit Schreckensmeldungen verbunden gewesen, mit Blut, Mord und Terror. Und der Putschversuch in der Türkei und die brutalen Reaktionen von Präsident Erdogan haben auch nicht zur Beruhigung der Lage beigetragen.
Wir leben in unsicheren Zeiten, obwohl es gerade den meisten Deutschen so gut geht wie nie, obwohl es in Europa seit nunmehr 71 Jahren keinen Krieg mehr gibt. Niemand unserer Nachbarn muss sich vor den Deutschen fürchten. Und doch macht sich ein Gefühl der Verunsicherung breit. Man muss nur die Zeitungen aufschlagen oder die Fernsehnachrichten sehen und hören. Immer und überall auf der Welt Gewalttaten.
Wenn Polizei Gefühl der Sicherheit nicht gibt
Es begann im Grunde mit Silvesterabend in Köln auf der Domplatte, aber auch in anderen Städten wie Düsseldorf, Hamburg und Stuttgart. Zu einem Zeitpunkt, wo man eigentlich feiern, das alte Jahr ausklingen lassen und das neue Jahr friedlich und fröhlich begrüßen wollte, passierten Gewalttaten vor allem gegenüber Frauen, die belästigt und vergewaltigt wurden. Man sprach von so genannten No-Go-Areas, will sagen, von Orten und Straßen, an denen es keine Sicherheit mehr gibt für die Bürger. Eine gefährliche Einschätzung, wenn plötzlich staatliche Behörden, wenn die Polizei dem Bürger nicht mehr das Gefühl der Sicherheit vermitteln kann. Dafür ist die Polizei schließlich da.
Eine gefährliche Einschätzung für die Politik und vor allem für die Politiker regierender Parteien. Das gilt in besonderem Maße für die SPD-geführte Landesregierung in Düsseldorf, die sich seit den Tumulten in Köln zur Jahreswende einem Untersuchungsausschuss stellen muss. Dass die Opposition, dass die CDU im Landtag, hier versucht, dem für die Sicherheit zuständigen Innenminister Ralf Jäger(SPD) und der Ministerpräsidentin Hannelore Kraft(SPD), etwas ans Zeug flicken zu wollen, ist allzu verständlich. Verantwortung beginnt nun mal ganz oben und nicht beim Pförtner. In jedem Fall trägt der Innenminister- Herr Jäger weiß das- die politische Verantwortung.
Lage Merkels hat sich verändert
„Im Sommer des Schreckens“ titelt die „Süddeutsche Zeitung“ ihren die Gewalt-Ereignisse der Vergangenheit analysierenden Artikel und kommt zu der Einschätzung, dass sich die Lage Merkels dramatisch verändert habe. Wörtlich heißt es: „Die Kanzlerin muss auf einmal Angst haben, dass ihr die Lage entgleitet.“ Das allgemeine Sicherheitsgefühlt werde durch die Fülle der Taten untergraben, etwas, was allein gefährlich sei für eine Regierung. Der Autor erinnert an Zustände in der Hansestadt Hamburg vor rund 15 Jahren, als sich dort an der Alster ein Unsicherheitsgefühl breit gemacht hatte, als verstärkt von Kriminalität und Drogen die Rede war und staatliche Gewalt dem offensichtlich nicht Herr werden konnte. Und dann wurde plötzlich bei der Hamburger Bürgerschaftswahl die so genannte Schill-Partei gewählt: Mit rund 20 Prozent zogen sie in das Feierabend-Parlament dieser ansonsten sehr feinen und eher erhabenen Stadt ein.
Merkels offene Flanke ist die Flüchtlingspolitik, auch wenn ihre damalige Entscheidung, 150000 Flüchtlingen den Weg nach Deutschland und Europa zu ebnen, richtig bleibt. Zwar hat sich die Lage beruhigt, weil weniger Flüchtlinge nach Deutschland kommen, aber da ist man angewiesen auf einen Mann, der wenig Seriosität und Berechenbarkeit ausstrahlt. Mit einem wie Erdogan zu punkten, darauf sollte man sich besser nicht verlassen. Die demokratische Entwicklung in der Türkei ist durch den Autokraten in Ankara erheblich ins Wanken geraten, die Pressefreiheit dort ist dahin, Richter wurden entlassen, die Opposition wird drangsaliert. Ein Flüchtlingsakt mit Erdogan? Moralisch kaum zu rechtfertigen.
Seehofer hat nicht Unrecht
Die Frage wird auch sein, ob Merkels bayerischer „Freund“, CSU-Chef und Ministerpräsident Horst Seehofer, Ruhe bewahrt. Oder ob er nicht doch den Potsdamer Frieden aufkündigt. Die Stimmung könnte sich erheblich zu Ungunsten der CDU-Vorsitzenden Merkel verändern, wenn ausgerechnet in ihrer Heimat Mecklenburg-Vorpommern am 4. September der neue Landtag gewählt wird. Umfragen sprechen der rechtspopulistischen AfD Werte in Höhe von 20 Prozent zu.
Es geht nicht darum, Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen. Es bleibt dabei, dass nicht alle Flüchtlinge Täter sind, eher werden sie die Ausnahme bilden. Menschen in Not zu helfen, daran darf nicht gerüttelt werden. Dafür steht die Bundesrepublik. Gerade haben Tausende Bürger in München, als ein junger Mann neun Menschen und am Ende sich selbst tötete, ihre Menschlichkeit bewiesen und Zusammenhalt demonstriert, mustergültig für eine Zivilgesellschaft. Aber unrecht hat im übrigen Horst Seehofer mit seiner Forderung nicht: Man müsse wissen, wer in unserem Land lebe. Sonst wird die Verunsicherung noch größer- zum Schaden gerade auch der Flüchtlinge.