Widerstand gegen Adolf Hitler, das bestimmte nicht den Alltag in der NS-Zeit. Der Führermythos ließ Kritik am Regime gar nicht erst aufkommen. Vielmehr jubelten Millionen Deutsche begeistert dem Diktator zu, während zunächst Tausende und später Millionen in aller Welt unter der Herrschaft der Nazis litten. Die NSDAP zählte 1943 rund 7,7 Millionen Mitglieder. Das war die Realität, Gegner, Kritiker, Juden, Kommunisten, Sozialdemokraten, Anhänger der Kirchen, Hitler bekämpfte sie mit Terror, Folter oder er ließ sie umbringen. Am 20. Juli 1944 versuchten es Männer um Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Spross einer katholischen schwäbischen Adelsfamilie, vergeblich, Hitler zu töten, um den Krieg und das Morden zu beenden. Die Verschwörer wollten der Welt zeigen, dass es auch ein anderes Deutschland gab, ein besseres.
So zu handeln, wie sie am Ende gehandelt haben und dafür ihr Leben opferten, „war eine Frage der Ehre“, urteilt der Historiker Heinrich August Winkler in seinem großen historischen Werk „Geschichte des Westens“. Aber zur Wahrheit gehört auch, so räumt Winkler unumwunden ein, dass die Verschwörer lange Hitler gefolgt waren, weil ihnen „vieles am Nationalsozialismus nicht fremd war“. Der Krieg sei auch „ihr Krieg“ gewesen, der Krieg um die „Führungsrolle Deutschlands“ und der Kampf gegen den Bolschewismus. Spät erkannten sie, dass sie dabei selber einem „aggressiven, verbrecherischen System dienten“. Und so „waren viele, ob sie es wahrhaben wollten oder nicht, in unterschiedlichem Maße schuldig geworden. Als sie sich unter Einsatz ihres Lebens gegen Hitler auflehnten, war das auch ein Stück Wiedergutmachung.“
Sie folgten am Ende ihrem Gewissen
Weil die Verschwörer am Ende ihrem Gewissen folgten und nicht mehr dem Führereid, wurde dieser Tag zu einem „großen Tag der neueren deutschen Geschichte“. Aber nicht nur Stauffenberg und Henning Hermann Robert Karl von Tresckow, Helmuth James Graf von Moltke, Peter Graf Yorck von Wartenburg, um nur diese zu nennen, gehören in diesen Zusammenhang, auch die wenigen anderen Verschwörer sind zu nennen, die ihr Leben riskierten, um den Tyrannen zu ermorden. Der württembergische Schreiner Johannes Georg Elser hatte es am 8. November 1939 versucht, Hitler mit Hilfe einer selbst gebastelten Bombe im Münchner Bürgerbräukeller zu töten, vergeblich. Elser bezahlte seinen Mut ebenso mit dem Tod wie die Geschwister Hans und Sophie Scholl, die sich als Studenten zur so genannten „Weißen Rose“ zusammengeschlossen hatten und nach der Niederlage der deutschen Wehrmacht in Stalingraf am 18. Februar 1943 Hunderte Flugblätter im Lichthof der Münchner Universität gegen die gewissenlose Kriegsführung Hitlers in die Luft geworfen hatten.
Hans von Dohnanyi gehört in diese Reihe der mutigen Männer wie auch Dietrich Bonhoeffer, ein Mann der bekennenden Kirche. Fritz Stern, der große in Breslau geborene Autor und Historiker, im Mai diesen Jahres in New York gestorben, stufte beide als „Helden“ ein. Fritz Stern musste es wissen, seine Familie war wegen ihrer jüdischen Abstammung 1938 in die USA emigriert. Dohnanyi und Bonhoeffer waren ihrem Gewissen gefolgt. Ein Gedenkstein auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin erinnert an sie. Auf dem Grabstein, gleich neben dem Grab des früheren Bundespräsidenten Johannes Rau, wird auch an die vielen Toden gedacht, die in den Wirren des Kriegsendes ihr Leben lassen mussten.
Viele hatten mitgemacht, waren Mittäter, nicht Mitläufer
Sie alle wurden hingerichtet, gehängt oder erschossen. Dohnanyi und Bonhoeffer, die im KZ Sachsenhausen und im KZ Flossenbürg gesessen hatten, erst am 9. April 1945, wenige Wochen vor Kriegsende. Fazit für Heinrich August Winkler: „Wären sie und andere nicht gegen Hitler aufgestanden, die Deutschen hätten nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft wenig gehabt, woran sie sich beim Rückblick auf die Jahre 1933 bis 1945 aufrichten konnten.“ Denn viele hatten mitgemacht und wollten es später nicht wahrhaben, sie sahen sich als Mitläufer, obwohl sie eigentlich Mittäter gewesen waren. Man kann sich heute noch fragen, warum Millionen einem Verbrecher wie Hitler nachliefen, ihm huldigten, Heil Hitler schrien. Schon in seinem ersten 25-Punkte-Programm, verlesen 1920, war der Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft von Juden angekündigt. Ganz früh ließ der Tyrann die Deutschen wissen, dass er ein radikaler Antisemit war und Nationalist, dass er Demokratie genauso ablehnte wie den Kommunismus, die Sozialdemokratie und Gewerkschaften. Dass er den Führerstaat wollte.
Übrigens: Das SS-Standgericht, das die Urteile gegen Dohnanyi, Bonhoeffer und andere gefällt hatte, wurde 1956 vom Bundesgerichtshof als „ein ordnungsgemäßes Gericht“ qualifiziert worden. Die Urteile hätten dem damaligen Recht entsprochen. Erst Jahrzehnte später wurden sie aufgehoben.
Bildquelle: Wikipedia, 20. Juli 1944, OTFW, Berlin, Public Domain