Unfassbares bergen die Ereignisse der hinter uns liegende Woche, die vorerst mit dem Drama von Nizza endete. Unfassbar eben auch, was Menschen Menschen antun und das noch im Namen ihres Gottes. Was geht denen durch den Kopf, die auf einen Lastwagen Waffen und Bomben stapeln, um sie in Menschenmengen zur Explosion zu bringen. Was schafft Bereitschaft, mit dem eigenen Tod eine Vielzahl von Menschen in den Tod zu reißen? Schon jetzt hinterließ die Amokfahrt von Nizza eine Todesschneise, in der das Leben von 84 Menschen endete. Wer weiß, wie viele der schwer verletzten Opfer noch folgen.
Neben der Trauer, die jeder empfindet, dem der Tod so vieler Menschen nahe geht, bleiben Fragen, die der asymetrische Kampf gegen den Terror aufwirft. Gerade hatte Präsident Hollande den Ausnahmezustand aufgehoben. Die Antiterrorgesetze, so seine Begründung, reichten aus, um Frankreich zu schützen. Keine 24 Stunden später wird er dementiert. In Nizza sollte der 14. Juli , der französische Nationalfeiertag, mit einem Feuerwerk über dem Wasser um Mitternacht ausklingen, als ein Lastwagen in die Menschenmenge rast, die dem bunten Treiben am Himmel gebannt und in bester Stimmung folgte. Erneut die Erkenntnis, dass uns offenbar kein noch so hartes Gesetz vor Terror schützen kann.
Dritter Anschlag in Frankreich
Es ist der dritte Anschlag seit dem Überfall auf „Charly Hebdo“ in Frankreich. Seit dem ist das Land in Aufruhr. Angeheizt von rechtspopulistischen Antreibern begann die sozialistische Regierung Schritt für Schritt den freiheitlichen Charakter der demokratischen Gesellschaft einzuengen. Das Leben derer, die als Einwanderer aus den ehemaligen französischen Kolonien Afrikas nach Frankreich kamen und das Leben der wenigen, auf Asyl hoffenden Flüchtlinge leidet vielfach unschuldig unter den Spannungen, die sich da in der Mehrheits-Bevölkerung auftun. Anti-Terrormaßnahmen schaffen in der Regel das Gegenteil dessen, wofür sie gedacht sind und das auch noch im Namen und zur Verteidigung der Freiheit. So werden demokratisch verfasste Staaten denen immer ähnlicher, die sie mit Terror überziehen.
Überwachung der Bürger nimmt zu
Und die Überwachung der Bürger wird immer stärker und das nicht nur durch Vorratsdatenspeicherung. Auf den Bildschirmen in den Polizeipräsidien etwa in Berlin laufen Bilder auf von 12 000 Überwachungskameras, an den neuralgischen Punkten, an Straßenkreuzungen und in S-Bahnen. Bayern zählt 17 000 Kameras und alles, so stellt Harald Welzer in seinem Buch „Die smarte Diktatur“ fest, über die Gefahren der digitalisierten Welt, wird von England weit übertroffen. Auf zehn Einwohner kommt dort eine Überwachungskamera. England gehöre zu den stärksten überwachten Ländern der Welt. Vor diesem Hintergrund ist der Brexit-Slogan „take back control“ von besonderer Ironie.
Der SPD-Chef und die Arbeitnehmerrechte
Es fällt nicht leicht vom Drama in Nizza auf den Vorgang zu kommen, der Siegmar Gabriel erwischt hat und seine Ministererlaubnis für die Fusion von EDEKA mit der Kette Kaisers-Tengelmann. Ein Gericht machte ihm einen Strich durch seine Rechnung, dass die Fusion 16 000 Arbeitsplätze sichern sollte, und dass er dies den Beteiligten abgerungen habe. Was immer da schief gelaufen ist und welche handwerklichen Fehler auch immer eine Rolle spielen, man wird es einem Politiker, dazu dem Vorsitzenden der SPD, kaum verargen können, dass er sich für Arbeitnehmerrechte einsetzt. Es wäre allerdings auch ganz schön, wenn er dies gegen das Kapital denn auch noch durchsetzen würde.
Dax-Vorstände werden immer reicher
Ebenso unfassbar die neue Studie über unterschiedliche Einkommens- und Vermögensverhältnisse in Deutschland. Um mehr als 60 Prozent stiegen die Einkommen des Führungspersonals in der Wirtschaft in den letzten fünf Jahren und um mehr als 160 Prozent beträgt die Steigerung bei den Vorständen der Dax-Unternehmen. In der gleichen Zeit stiegen die übrigen Einkommen durchschnittlich um fünf Prozent.
Jedes 4. Kind wächst in der Armutsfalle auf
Es zeigt sich erneut: die Kluft zwischen Globalisierungs-Gewinnern und –Verlierern ist tief und sie spaltet die Gesellschaft. Der Armutsbericht der Bundesregierung weist andere Zahlen aus und muss wohl erheblich nachgebessert werden. Immerhin kommt er dennoch zu dem Schluss, dass die Zahl der Kinder wächst und bereits jedes vierte Kind wird in der Armutsfalle groß. Erst recht dann, wenn es mit seiner allein erziehenden Mutter lebt, der der Unterhalt ihrer geschiedenen Männer angerechnet wird, wenn sie „nur“ einen 30-Stunden-Job annehmen kann. Leider kommen nur 50 Prozent der getrennt lebenden Väter ihren Unterhaltsverpflichtungen nach. Würde die gleiche Frau vierzig Stunden arbeiten, würde der Unterhalt der Väter nicht angerechnet. Das verstehe, wer will.
Und dann die Nachwehen des Brexit
Und dann noch die Nachwehen des Brexit. England wird kleiner, falls Schottland und Nordirland Great Britain verlassen. Und nun wird Blondlocke Boris Johnson auch noch Außenminister, statt wie von ihm ursprünglich versprochen, nur noch Kricket zu spielen. Und viel Zeit wollen sie sich nehmen, ehe der Scheidungsbrief nach Brüssel gesendet wird. Kein Wunder, die Brexitkämpfer haben so viel gelogen, um die Briten davon zu überzeugen, dass man ohne Europa besser leben kann. Da muss man sich erst mal durchfinden. Zumal sie gern weiter Zugang zum gemeinsamen Markt behalten wollen. Dabei ist allerdings nach Artikel 49 Freizügigkeit in Europa Voraussetzung, was England ablehnt und was der Grund für den Brexit war. Unfassbar, was Cameron da angerichtet hat. Und jetzt auch noch die subtile Rache der neuen Premierministerin an Großmaul Johnson, dem sie den Spießrutenlauf, vorbei an den europäischen Außenministern, wohl von Herzen gönnt.
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