Thomas Mann beschrieb einst die Tugenden des ehrbaren Kaufmanns, der des Tages nur solche Geschäfte mache, dass er des Nachts ruhig schlafen kann. Ob Anton Schlecker in den letzten vier Jahren in seiner großen weißen Villa in Ehingen ruhig schlafen konnte, ist nicht bekannt. Auf jeden Fall wird er demnächst auf der harten Anklagebank Platz nehmen und möglicherweise vom Himmelbett auf die Pritsche eines Gefängnisses wechseln müssen.
Pleite im Jahr 2012
Der einstige Drogeriekönig hatte den Handel viele Jahre lang aufgemischt: Allein in Deutschland richtete er rund 7.000 Filialen ein, im Ausland weitere 2.000. Etwa 25.000 Menschen -vor allem Frauen- waren in diesen Läden beschäftigt und machten Milliarden-Umsätze. Anton Schlecker sorgte für Furore als self-made-man, als knallhart kalkulierender Kaufmann, der Millionen Kunden seine Waren zu günstigen Preisen anbot.
Der gelernte Metzgermeister, der 1975 seinen ersten Drogeriemarkt in Kirchheim unter Teck eröffnet hatte, stellte im Januar 2012 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Drogerie-Imperium und sein gesamtes Vermögen, das Ende März 2012 eröffnet wurde. Das private Gesamtvermögen der Familie Schlecker wurde 2011 auf fast 2 Mrd. € geschätzt; in einer Liste des Manager-Magazins mit den 500 reichsten Deutschen rangierte Schlecker damals auf Platz 56.
Versteckspiel mit Vermögen
Nach der Insolvenz wurde von Schleckers Tochter Meike behauptet, das Vermögen sei aufgezehrt. Immerhin sollen der Familie Schlecker aus dem Vermögen der Kinder und der Ehefrau noch etwa 70.000 € monatlich zur Verfügung gestanden haben. Schon im Juli 2012 hatte die Staatsanwaltschaft Stuttgart ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Untreue, Insolvenzverschleppung und Bankrott gegen Schlecker und 13 weitere Beschuldigte eingeleitet. Doch konnte Schlecker damals nicht belangt werden.
Nun -am 13. April 2016- hat der Staatsanwalt in Stuttgart erneut Schlecker wegen vorsätzlichem Bankrott angeklagt; seine Frau Christa und seine Kinder Meike und Lars sollen sich wegen Beihilfe sowie wegen Insolvenzverschleppung und Untreue verantworten müssen. Insgesamt geht es dabei um 13 Straftaten, die Anton Schlecker begangen haben soll – um gefälschte Bilanz-Angaben, Falschaussagen an Eides statt und um beachtliche Geldtransfers.
Verteilung im Familienclan
Nach den Recherchen des Staatsanwaltes sollen Anton Schlecker und seine Familie nämlich bereits vor der Anmeldung der Insolvenz seiner Firma beträchtliche Vermögensteile in Sicherheit gebracht und so dem Zugriff der Gläubiger entzogen haben. Darauf folgert die Justiz, dass der einstige Drogerie-Mogul vorsätzlich seinen Bankrott herbeigeführt habe. Denn bereits zu einer Zeit, da Schleckers Firma rote Zahlen schrieb und Millionenverluste machte, seien 800.000 € von Opa Anton als Geschenk an seine Enkel gegeben worden. Außerdem seien im Kreise der Familie werthaltige Immobilien verschenkt und verkauft worden; u.a. habe Anton Schlecker kurz vor der Insolvenz auch ein Logistikzentrum im Wert von rund 2,5 Mio. € an seine Kinder überschrieben. Zudem seien den Familienmitgliedern teure Reisen und Autos spendiert worden.
Soziale Kaltblütigkeit
Familiär ließ Anton Schlecker sich nicht lumpen. Dagegen mussten seine arbeitslos gewordenen Beschäftigten, die von einem auf den anderen Tag auf der Straße standen, die Vermieter seiner Filiallokale, Lieferanten und andere Gläubiger in die Röhre gucken. Die Bundesagentur für Arbeit, die Anfang 2012 drei Monate lang das Insolvenzgeld für Schlecker-Angestellte zu zahlen hatte, ging bis heute leer aus; Forderungen von über 250 Mio. € stehen wohl noch aus – Geld von Beitrags- und Steuerzahlern. Auf die Anklagebank sollen auch Schleckers Wirtschaftsprüfer, die angeblich die Bilanz-Tricks erkannt, aber erklärt hätten, dass alles den gesetzlichen Vorgaben entsprechen würde.
Deutsche Bank, VW oder Schlecker – die Zahl der Fälle von Lug und Trug in der Wirtschaft erreicht offenbar immer neue Dimensionen. Die gerade in einer Sozialen Marktwirtschaft erforderliche Moral und Ethik, Ehrlichkeit und Redlichkeit, droht vielfach unter die Räder zu geraten. Da bleibt zu hoffen, dass gegen die „schwarzen Schafe“ mit aller Härte des Gesetzes vorgegangen wird. Denn die überwiegende Mehrheit von Managern und vor allem die vielen selbständigen, mittelständischen Unternehmer wie Händler halten sich an Recht und Gesetz, an die Prinzipien unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, an die Tugenden ehrbarer Kaufleute.
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