Zehnfacher Mord wird verhandelt. Zwei der mutmaßlichen Täter, die Neonazis Uwe Böhnhard und Uwe Mundlos, sollen durch Selbstmord geendet haben. Und doch ist fast jede Spur öffentlicher Erregung darüber längst gewichen. Vor Gericht in München läuft derzeit der Prozess gegen die Dritte im Bunde des angeblichen Mördertrios im Nationalsozialistischen Untergrund (NSU). Es ist Beate Zschäpe, der Mittäterschaft vorgeworfen wird. Die Frau mit der langen braunen Mähne wurde zeitweilig wie ein Covergirl der Neonazi-Szene durch Funk und Fernsehen gereicht und in den Printmedien mit Fotostrecken – lachend mit ihren Anwälten – verschlissen. Dass da noch einer die Anklagebank drückt, Ralf Wohlleben, als Helfer und Waffenlieferant, wird medial fast übersehen. Zu den Morden kommen zehn Banküberfälle und zwei Bombenanschläge.
Nicht auf der Anklagebank finden sich die Beamten, Ermittler und Profiler und Länderinnenminister, die jeden Versuch unterbunden haben, die Täter außerhalb des Familien- und Freundeskreises der Opfer zu suchen. Die Ermittlungen waren daher im Sand verlaufen, die größte Sonder-Kommission „SoKo Bosporus“ in der Geschichte der Bundesrepublik wurde aufgelöst. Ergebnisse waren nicht zu melden. Das war im Jahr 2007. Bis fast fünf Jahre später der erstaunliche Selbstmord der beiden Neonazis entdeckt wurde. Dazu alle fein säuberlich im Wohnwagen aufgefundenen angeblichen Beweise ihrer Täterschaft, den sie vielleicht, während sie sich gegenseitig erschossen haben sollen, auch noch schell angezündet hatten
Mörder in der Neonaziszene
Für die Bundesanwaltschaft gab es und gibt es bis heute angeblich noch immer keinerlei Hinweise darauf, dass die Mörder in der Neonaziszene hätten gefunden werden können. Ebenso wird in den Sicherheitsbehörden von Bund, Ländern, im Staatsschutz, den Landeskriminalämtern und den diversen Verfassungsschutzämtern, die mit dem NSU zu tun hatten, alles unterbunden, was darauf hinweisen könnte, dass die Neonazi-Zelle aus mehr als drei Menschen bestanden haben könnte. Würde die Bundesanwaltschaft dieser naheliegenden These folgen, würde der Prozess in München platzen. Daher wird jeder Versuch der Anwälte der Nebenkläger von der Bundesanwaltschaft zurückgewiesen, sie von der Fülle der Fakten überzeugen zu können, die ihrer Theorie von der extremistischen puren Dreifaltigkeit des NSU widersprechen würde.
Das Publikum hat nach drei Jahren Verhandlung vor dem Landgericht in München längst aufgegeben, sich weiter der Schwarmamnesie von Zeugen aus dem Neonazimilieu, desgleichen des Verfassungsschutzes oder der ermittelnden Beamten auszusetzen. Alle Hoffnung darauf, dieser Prozess werde klären, ob es nicht vor allem ein großes Staatsversagen war, das verhinderte, dass die Nazi-Zelle in Jena ihren Amoklauf gar nicht hätten antreten können, hat sich bislang nicht erfüllt. Daher will es der Zufall, dass ausgerechnet die ARD dem Verfahren gegen den NSU neue Schubkraft bringen kann.
Gefälschte Beweise
Der Dreiteiler „Mitten in Deutschland“, der das Ermittlungsdesaster erzählt und den Umgang mit den trauernden Familien, denen gefälschte Beweise angeblicher Drogendeals der toten Väter, Brüder oder Söhne untergeschoben wurden, könnte den Untersuchungsausschüssen endlich helfen, öffentlichen Druck zu erzeugen, um der nicht nur im Landesamt für Verfassungsschutz in Thüringen weiter agierenden Helfer und Vertuscher habhaft zu werden. Quellenschutz, der Schutz und die Unantastbarkeit ihrer V-Leute galt da mehr, als der Schutz der Verfassung, dem die Behörde doch ihre Existenz verdankt, was die Vorsitzende des Untersuchungsausschusse im Thüringer Landtag zu dem dringenden Verdacht bringt, das die Mordserie des NSU ein vom Verfassungsschutz zu verantwortendes „betreutes Morden“ gewesen sei. Ein Obernazi und Chef der Kameradschaft „Thüringer Heimatschutz!“, der auch das Netwerk für den NSU bildete, erhielt nachweislich 208 000 Mark (später in Euro) aus der Kasse des Verfassungsschutzes, mit dem er seinen Heimatschutz und die untergetauchten Drei vom NSU über Wasser hielt.
Die drei beklemmenden und zugleich einfühlsam gestalteten Folgen über Täter, Opfer und die dritte über das Pannenszenario der Ermittler, könnte beitragen, dass endlich verantwortlich den vielen Merkwürdigkeiten nachgegangen wird, die alle Untersuchungsausschüsse völlig übereinstimmend und ohne Unterschied der Parteifärbung feststellten und das Desaster derer, die als Ermittler ohne jede Distanz einzig die Familien der Opfer als denkbare Täter ins Visier nahmen. Ausgerechnet der angebliche Selbstmord im Camper, der auf einem Parkplatz im Ortsteil Stegda von Eisenach stand, soll die Aufklärung eines Falles bringen, der ganz nebenbei auch davon erzählt, was in Deutschland auch in Behörden und Dienststellen als rassistische Einstellungen alltäglich ist.
Bildquelle: Wikipedia, André Karwath aka Aka – das von dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ bewohnte und in Brand gesteckte Haus in Zwickau, CC BY-SA 2.5