Baden-Württemberg zählt zu den erfolgreichsten Bundesländern der Republik. Das Land der Häuslebauer hat kaum Arbeitslose, mit die wenigsten Hartz-IV-Bezieher, hier werden neben Hamburg und Hessen die höchsten Löhne bezahlt, hier ist der Daimler zu Hause, Porsche, Bosch und viele kleinere und mittlere höchst profitable Unternehmen haben hier ihren Sitz. Ein Land, deren Bewohnern es zumeist gut bis sehr gut geht. Und das, eigentlich nicht überraschend, 57 Jahre von der CDU regiert wurde, mal allein oder mit kleineren anderen Parteien, aber das seit fünf Jahren einen Grünen-Ministerpräsidenten namens Wilfried Kretschmann hat. Und das könnte auch so bleiben.
Man mochte das schon bei der letzten Wahl nicht so recht glauben, dass ausgerechnet im Land der Tüftler, Häuslebauer und der Cleverles die Grünen in der Staatskanzlei das Sagen haben. Damals, vor fünf Jahren, gab es die Sensation, als die Grünen und die SPD im Südwesten eine erste Grün-Rote Koalition in Deutschland bildeten und die CDU auf die Oppositionsbänke musste. Für echte Schwarze eine richtige Beleidigung, hatten sie doch das Land im Grunde als CDU-Land angesehen, zumal es durchaus erfolgreich regiert wurde.
Und doch war es passiert. Die CDU erreichte nur noch 39 Prozent der Stimmen, während die Grünen auf 24,2 Prozent kamen und die SPD auf 23.1 Prozent, für die FDP stimmten lediglich 5,3 Prozent. Damit war es vorbei mit Schwarz-Gelb, für die Christdemokraten blieb allein die ungewohnte Rolle der Oppositionspartei. Man schrieb das Ergebnis dem letzten CDU-Regenten Stephan Mappus in die Schuhe, der in der Tat nicht immer eine glückliche Hand gehabt hatte. So geriet Mappus in die Schlagzeilen wegen des Kaufs von ENBW, auch eine Steuergeschichte erwies sich nicht als werbeträchtig. Zudem hatte sich Mappus mit vielen in der Politik angelegt, darunter auch mit dem damaligen Bundesumweltminister Norbert Röttgen, als es um die Restlaufzeiten der Atommeiler in Deutschland ging. Weil Röttgen anderer Meinung war, forderte Mappus dessen Rücktritt. Der viel kritisierte und am Ende politisch nicht sehr erfolgreiche CDU-Mann Mappus verließ die Politik. Der Streit um Stuttgart 21 tat sein Übriges.
CDU ging von Betriebsunfall aus
Die CDU ging von einem Betriebsunfall aus, den man bei der nächsten Wahlrunde reparieren würde. Und wenn man auf die Liste der Wahlen ab 1952- das ist das Jahr, als das Bindestrichland Baden-Württemberg zusammenging- , so findet man den Aufstieg der CDU zur Regierungspartei. Von 36 Prozent im Anfangsjahr- die SPD erzielte 28 Prozent, auf die FDP entfielen 18 Prozent und den BHE-Bund der Vertriebenen- immerhin 9,4 Prozent- kletterte die Südwest-CDU auf 46,2 Prozent im Jahre 1964 und wies die SPD mit stattlichen 37,3 Prozent auf den zweiten Platz. Vier Jahre später- damals wählte man noch alle vier Jahre- 1968, dem Jahr der Studenten-Unruhen, büßte die CDU zwar ein paar Stimmen ein, blieb aber klarer Gewinner mit 44,2 Prozent, die SPD rutschte unter die 30 Prozent. 1968 schaffte die NPD mit 9,8 Prozent den Einzug in den Landtag, beim nächsten Wahlgang war sie dann wieder draußen. 1972 und 1976, während der Zeit der sozialliberalen Regierung in Bonn, schaffte die CDU die absolute Mehrheit: 52,9 und vier Jahre drauf 56,7 Prozent.
Die Grünen zogen erstmals 1988 in den Landtag und bekamen 7,9 Prozent der Stimmen, zwei Prozentpunkte mehr als die Liberalen, die Baden-Württemberg stets als ihre Stammlande betrachtet hatten. Die CDU verlor die absolute Mehrheit wieder, aber mit 49 Prozent konnte sie die Verluste leicht verschmerzen, die SPD kam nur auf 32 Prozent. 1992 zogen die Republikaner mit 10,9 Prozent in den Landtag und verwiesen die Grünen mit 9,5 Prozent hinter sich. Ein alarmierendes Ergebnis für die sieggewohnte CDU in Baden-Württemberg: sie kam nur noch auf 39,6 Prozent der Stimmen. Bei den nächsten Wahlen konnten die Christdemokraten ihre Ergebnisse zwar wieder auf klar über 40 Prozent verbessern, die absolute Mehrheit aber war dahin. Und dann kam die Wahl 2011 und aus war es mit der Regierungszeit für die CDU und auch die FDP.
Auch in Stuttgart regiert ein Grüner
Es passt ins veränderte Bild, dass die Grünen, die in Baden-Württemberg immer einen moderaten Politik-Stil bevorzugten, auch den OB von Stuttgart stellen. 2012 wurde Fritz Kuhn für acht Jahre gewählt. Stuttgart gilt mit seinen 600000 Einwohnern als richtige Wirtschaftsmetropole und wird auch „dass neue Herz Europas“ genannt, wohl wegen seiner guten Verbindungswege.
Baden-Württemberg ist eine Boom-Region. Die durchschnittlichen Reallöhne liegen hier bei 21,23 –Euro, knapp hinter Hamburg und Hessen, aber vor Bayern mit 20.60 Euro und Berlin mit nur 18.71 Euro. Die Arbeitslosenquote beträgt im Südwesten 4.0, der niedrigste Wert in Deutschland, sogar besser als in Bayern, während die Quote in Hamburg 7,5 Prozent und in NRW 8,1 Prozent beträgt. In Mecklenburg-Vorpommern weist die Statistik 11,5 Prozent aus. Die Durchschnittsgehälter liegen in Hessen und in Baden-Württemberg an der Spitze. Passend zu diesen Zahlen auch die Tabelle der Hartz-IV-Bezieher: Berlin ist hier trauriger Spitzenreiter mit 16,9 Prozent, während Hamburg eine Quote von immerhin 10,9 Prozent aufweist und NRW 9,4 Prozent. Baden-Württemberg hat mit 4,2 Prozent neben Bayern mit 3,9 Prozent die wenigsten Hartz-IV-Bezieher.
Er ist nicht zu fassen
Nach der Bildung der ersten Grün-Roten Koalition in Baden-Württemberg haben nicht wenige Unternehmer auf die Entwicklung geschimpft, weil sie wohl das Ende des Abendlandes und selbstredend den Untergang des Wirtschaftsstandorts im Südwesten befürchteten. Wir können all die verbalen Drohungen von damals lassen, weil sich die Arbeitgeber längst mit dem Führungsstil von Wilfried Kretschmann abgefunden haben. Der Mann ist ebenso beliebt wie sein Herausforderer von der CDU, Guido Wolf, gering geschätzt wird. Die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel mag in Kreisen der Südwest-CDU nicht beliebt sein, was Herr Wolf zum Ausdruck bringt, ihm aber nicht hilft, denn Streit mögen die Leute erst recht nicht. Und selbst daraus zieht der Grüne MP seinen Vorteil, weil er sich offen hinter Merkel stellt und bekannt hat, dass er des Abends gelegentlich für die Kanzlerin bete. Und das müssen sich die Christdemokraten anhören von einem Mann, der tiefgläubig ist, der aber in den 70er Jahren eher mit den verquasteten Ideen des Kommunistischen Bundes in Verbindung gebracht worden war und gegen den der Verfassungsschutz in Sachen Radikalenerlass ermittelte. Kretschmann überstand die Phase unbeschadet, wurde Chemielehrer und bekennt heute freimütig, dass die Nachforschungen gegen ihn durch den Verfassungsschutz damals berechtigt gewesen seien. Der Mann ist nicht zu fassen.
Folgt man einer Umfrage, ziehen 66vh der Befragten den Grünen Kretschmann als Ministerpräsidenten einem Guido Wolf mit nur 18 Prozent vor. Und diese Beliebtheit des überzeugenden Landesvaters, der selbstverständlich einen Dienst-Daimler mit Hybrid fährt, drückt sich auch in der Parteien-Präferenz aus. Demnach würden 32 Prozent die Grünen wählen, nur 27 Prozent für die CDU stimmen, deren 16 Prozent für den blassen SPD-Kandidaten Nils Schmid votieren, während sieben Prozentpunkte auf die FDP fielen. Und dass die rechtspopulistische AfD in Umfragen bei 11 Prozent liegt, überrascht nicht mehr so sehr, vor allem wenn man frühere Wahlen zu Grunde legt, bei denen es die NPD und Jahre später auch die Republikaner in den Landtag geschafft hatten.
Bildquelle: Wikipedia, Scholz & Friends – http://www.baden-wuerttemberg.de/sixcms/media.php/1907/wirkoennenalles.jpg, gemeinfrei