94 % der Deutschen finden es richtig, den vor Krieg Flüchtenden Asyl zu geben; dies ergab die jüngste Umfrage für den Deutschland-Trend. Im September 2015 waren es zwar 96 %, doch ist die grundsätzliche humanitäre Haltung in unserem Land nach wie vor bemerkenswert. Unzufriedenheit herrscht inzwischen jedoch über die politische und administrative Bewältigung der großen Flüchtlingsflut. Nur noch 46 % der Bürger sind derzeit noch mit der Arbeit von Angela Merkel zufrieden, mit der der großen Koalition sogar nur 38 %. 70 % bezeichnen die Verhältnisse in Deutschland als eher beunruhigend.
Überforderung durch die Flüchtlingskrise
Denn 81 % -bei Anhängern der CDU/CSU immerhin auch 67 %- sind der Meinung, dass die Regierung die Flüchtlingskrise nicht im Griff hat. Und das, obwohl gerade das Asylpaket II im Bundeskabinett verabschiedet wurde, die Kanzlerin auf der Londoner Geberkonferenz 2,3 Mrd. € für Syrien zugesagt hat, verschiedene Minister auf Auslandsreisen weitere sichere Herkunftsstaaten suchen, Ämter in Ländern, Kreisen und Kommunen mit Hochdruck versuchen, mit der Migrantenflut fertig zu werden.
Im Fokus steht dabei das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), dessen Mitarbeiter über das Schicksal der Asylbewerber entscheiden müssen. Allein im Januar wurden von den Bundesländern rund 92.000 Flüchtlinge erfasst, im Januar des Vorjahres waren es 32.200. Die meisten sind aus Syrien (32.500), dem Irak (18.600) und aus Afghanistan (18.100) geflohen. Weniger als im Januar 2015 kamen aus dem Iran, Marokko, Algerien, Pakistan, dem Libanon, Somalia und Eritrea.
Land unter nach der Asylbewerber-Flut
Das BAMF ist zweifellos von der großen Flüchtlingsflut überrascht worden – wie übrigens auch die Regierung und das ganze Land. Die Zahl der Anträge auf Asyl explodierte geradezu. Bereits Anfang letzten Jahres gab es 170.000 unbearbeitete Anträge, weitere rund 500.000 kamen dann bis Ende 2015 hinzu. Insgesamt wurden in 2015 über 300.000 Anträge entschieden; das war eine Steigerung um 135 % und eine enorme Leistung von etwa 300 Entscheidern. Inzwischen ist die Zahl der Beschäftigten beim BAMF kräftig aufgestockt worden – auf rund 600 Entscheider; bis Ende 2016 sollen es 1.700 sein, die in fast 80 Außenstellen arbeiten werden. Auch die Informationstechnik, die für die Entscheidungen wichtig ist, wird verbessert, denn die vielen neuen Mitarbeiter müssen an das IT-System angedockt werden.
Nicht einfach ist die Gewinnung von Personal für die Entscheidungszentren. Dafür gibt es „Ressortkollekten“, um Mitarbeiter aus verschiedenen Behörden, wie zum Beispiel vom Zoll, von der Bundesanstalt für Arbeit oder von der Beschäftigungsgesellschaft Vivento der Telekom, zu rekrutieren. Auch sind bereits pensionierte Beamte bereit, sich reaktivieren zu lassen. Alle werden in einem gut zweiwöchigen „Schnell-Durchlauf“ auf ihre neue Tätigkeit beim BAMF vorbereitet. Inzwischen funktioniert auch die notwendige Zusammenarbeit mit anderen Behörden und Institutionen -mit der Bundespolizei, dem THW, Bundeskriminalamt, den Landespolizeien, Kreisverwaltungen usw.- wesentlich besser als früher. Das im Dezember 2015 beschlossene Datenbeschleunigungsgesetz ist dabei hilfreich. Noch schwierig gestaltet sich die Verteilung der Flüchtlinge auf die Bundesländer.
Entscheidungen über Menschen-Schicksale
Relativ schnell können die Entscheider über Flüchtlinge etwa aus dem West-Balkan und anderen sicheren Herkunftsländern befinden: Bis zu 98 % werden abgelehnt. Wesentlich schwieriger gestalten sich Entscheidungen über Menschen, die als „politisch Verfolgte“ nach Deutschland gekommen sind. Hier müssen viele Daten und Fakten, persönliche Hintergründe usw. sorgfältig geprüft werden. Manchmal lassen sich von einem Entscheider pro Arbeitstag gerade 3 bis 5 Fälle abarbeiten. Denn so groß die Flut auch ist, es stellt sich in jedem Einzelfall die Frage, wie der BAMF-Entscheider mit den Menschen, die vor ihm stehen, umgeht. Das ist kein „Massengeschäft“ einer Behörde, sondern es handelt sich um individuelle Menschenschicksale. Und letztlich muss streng nach Recht und Gesetz entschieden werden, selbst wenn rein menschlich empfunden Verständnis für Flüchtlinge bestehen sollte.
Wende in der Asylpolitik?
Manches deutet darauf hin, dass der Wind rauer wird: Nach der ursprünglichen Willkommenskultur geht es nun mehr und mehr um Abschiebungs- und Abschiebe-Kultur. Selbst die Bundeskanzlerin spürt mehr und mehr Druck aus den Parteien der großen Koalition, sieht den gefährlichen Aufstieg der AfD und registriert die veränderte Stimmung im ganzen Land. Mit ihrer Rede auf dem CDU-Landesparteitag in Mecklenburg-Vorpommern am letzten Wochenende hat Angela Merkel wohl eine Wende eingeleitet. Denn von der erhofften Solidarität der EU-Partner ist nichts zu spüren: Von den 160.000 Flüchtlingen, die nach der Verständigung im Oktober 2015 auf die Partnerländer verteilt werden sollten, sind bislang gerade 400 von den EU-Partner aufgenommen worden.