Die ehemalige Weinkönigin Julia Klöckner weiß sich zu präsentieren. Man kennt sie lächelnd auf den Bühnen des Landes, im Fernsehen, stets loyal zur Kanzlerin, in deren Schlepptau sie sich bewegte, solange Angela Merkel auf Platz 1 der Beliebtheitsskala rangierte. Aber jetzt, da zum Endspurt im Wahlkampf im Rebenland Rheinland-Pfalz geblasen wird und Merkels Flüchtlingspolitik vielfach scharf kritisiert wird, geht die 43jährige ein bisschen auf Distanz, nicht so, dass daraus sein Konflikt wird, nein, sie tut so, als hätte sie ein Konzept, um der Flüchtlingskrise Herr zu werden und durch den so genannten „Plan A2“ Merkels „Wir schaffen das“ zu ergänzen.
Und zwar durch Grenzzentren und Tageskontingente, Begriffe, die schon mal gefallen sind und verworfen wurden, weil sie ganz offensichtlich nicht zu realisieren sind. Was die „Süddeutsche Zeitung“ zu dem Urteil bewog: Klöckner „muss hoffen, dass …niemand ihre Ideen testet…“ Der SZ-Autor wirft der CDU-Frau vor, sie betreibe mit einem „schwachen Konzept Wählertäuschung“. Denn: Blieben die Flüchtlingszahlen hoch, wie vorausgesagt, „hätte man binnen Tagen Zigtausende, die in Klöckners Grenzzentren untergebracht werden müssten“. Mit der Folge, dass im Voralpenland „mittelgroße Flüchtlingsstädte aus dem Boden schießen.“ Das aber habe Julia Klöckner „doch lieber verschwiegen.“
Man versteht, warum die CDU-Prominenz so lau auf die Vorschläge Klöckners reagierte. Und auch die Reaktionen aus der bayerischen Schwesterpartei waren alles andere als berauschend. Ja, aber und so weiter. Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer, sonst in der Debatte wirklich nicht zimperlich, fragte sich, was denn an diesen Ideen neu sei. Und die SPD, die immerhin in Berlin zusammen mit der CDU und der CSU die große Koalition bildet, winkte ab: Alles Unsinn. Altpapier.
Sie brennt vor Ehrgeiz
Es ist Wahlkampf. Frau Klöckner brennt vor Ehrgeiz. Sie will das einstige CDU-Land Rheinland-Pfalz der SPD nach fast 25 Jahren Regierungszeit wieder abnehmen. Hier kommt Helmut Kohl her, hier wohnt er, hier war er mal Ministerpräsident. Aber Klöckner muss nun, da die öffentliche Debatte Merkel nicht mehr schont, sondern sie fast an die Wand drückt, gegen ihre eigene sinkende Popularität ankämpfen. Um drei Prozentpunkte ist sie abgerutscht, von 41 auf 38 Prozent, dabei immer noch klar vor der SPD-Politikerin Malu Dreyer mit 31 Prozent, aber der Genosse Trend hat auch gewarnt. Wenn es weiter bergab geht und bei Dreyer die Zustimmungs-Zahlen steigen, dann…
Julia Klöckner lächelt Probleme gern weg und setzt farbliche und andere Kontraste mit Hilfe von Bein- und anderen Kleidern. Mal tritt die Spitzenfrau im „knallroten Kostüm zum Karneval in Trier“ auf und dann „im dezent beigefarbenen Hosenanzug beim Ladies Lunch“. Dann zieht sie es zu ihren alten Weinfreunden im „Weinbau-Verband Rheinhessen oder zur Kartoffel-Produktion Kuhn in Frankental“(Spiegel Online).
Sie musste was tun, um der Amtsinhaberin Bonuspunkte abzuknöpfen. Malu Dreyer liegt bei den Kompetenzwerten und in der persönlichen Beliebtheit seit Monaten klar vor der Herausforderin. Also musste ein Programm her. Also „Plan A2“, damit hat sie am abgelaufenen Wochenende die Medien beherrscht, trat im Fernsehen auf, in den Zeitungen wird ihr Plan diskutiert. Ob er der CDU und Merkel Luft verschafft in dieser schwierigen Situation, ist fraglich.
Der Kampf gegen die rechtspopulistische AfD
Klöckner muss noch an einer weiteren Front kämpfen. Die AfD liegt inzwischen in allen Umfragen auf Landes- wie auf Bundesebene bei einem zweistelligen Wert und wird damit zu einem ernsthaften Konkurrenten um Wählerstimmen am rechten Rand. Tritt diese Entwicklung ein, kann ihr das zwar den Einzug in die Mainzer Staatskanzlei erleichtern, weil Rot-Grün dann wohl keine Mehrheit bekäme, aber die Geschichte hätte natürlich einen faden Beigeschmack. Bei diesem Thema muss sie sich mit der knallharten, aber auch umstrittenen Haltung der SPD auseinandersetzen, die hinter der teils bürgerlichen Fassade der AfD „geistige Brandstifter“ sieht und die vor einer Enttabuisierung der politischen Debatte war, weil die AfD keine normale Partei sei.
Sowohl Malu Dreyer, die schwer an dem Erbe ihres Amtsvorgängers Kurt Beck zu tragen hat, -man denke an den Skandal um den Nürburg-Ring- wie der Grünen-Ministerpräsident in Baden-Württemberg, Wilfried Kretschmann, und der SPD-Kandidat in Baden-Württemberg, Nils Schmid, haben ihre Teilnahme an gemeinsamen Fernseh-Auftritten mit AfD-Vertretern kategorisch abgelehnt. Auch die Ministerpräsidentin von NRW, zugleich Parteivizin der SPD im Bund, Hannelore Kraft, hat gerade angekündigt, sie werde sich mit der AfD nicht an einen gemeinsamen Fernsehtisch setzen. Kraft wie auch Dreyer, Schmid und Kretschmann wollen die AfD nicht durch solche gemeinsame Veranstaltungen aufwerten, sie wollen verhindern, dass die AfD-Leute quasi auf Augenhöhe mit ihnen öffentlich auftreten. Klöckner hat Dreyer und anderen vorgehalten, sie wichen einer Auseinandersetzung mit der AfD aus, auch aus der CDU-Opposition in NRW kam Kritik an Kraft.
Nils Schmid hat in dieser strittigen Debatte ein paar Beispiele genannt, um den Menschen draußen aufzuzeigen, wer sich hinter der AfD verbirgt. Ein AfD-Landtagskandidat habe Flüchtlinge als „Eindringlinge“ diffamiert, die „unser System aussaugen“ wollen. Ein anderer habe gedroht: „Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet.“ Ein weiterer habe Analogien zwischen Hitlers „Mein Kampf“ und dem „Koran“ gezogen. Man könnte in diesem Zusammenhang auch an die Nähe der AfD zur islamfeindlichen Protestbewegung „Pegida“ erinnern und daran, dass bei deren Demonstrationen auch Plakate gezeigt worden waren, die Merkel und Gabriel an einem Galgen zeigten. Und man könnte einen der früheren Haupt-Strategen der AfD zitieren, den Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel, der seinen Austritt aus der AfD auch damit begründete, dass aus der Bewegung eine „NPD-light“ geworden sei, vielleicht sogar „identisch mit der NPD“. Henkel bedauerte, dass man mit der AfD „ein richtiges Monster“ geschaffen habe.
Kein Gewinner-Thema für die SPD
Das Thema Flüchtlingskrise setzt auch der SPD zu, ist kein Gewinner-Thema für die Sozialdemokraten. Nicht nur aus Ortsvereinen in Essen sind Klagen darüber zu hören, dass man überfordert sei, dass man die Flüchtlingszahlen drastisch reduzieren müsse. Letzteres wollen alle wichtigen politischen Kräfte im Lande, nur der Weg dahin ist umstritten. Obergrenzen, wie Seehofer sie fordert, sind kaum machbar und mit dem Asylrecht nicht vereinbar. Um nur einen Streitpunkt zu nennen. Die Europäer verweigern sich bisher einer solidarischen Mitarbeit und lassen Merkel im Regen stehen. Auch die Bekämpfung der Fluchtursachen in den Herkunftsländern der Flü0chtlinge wird dauern, ein Friede in Syrien ist noch lange nicht in Sicht. Eine Schließung der Grenzen könnte das europäische Werk aufs Spiel setzen, schon jetzt ist Schengen gefährdet, die Wirtschaft warnt vor einer solchen Entwicklung, die allen Ländern schweren Schaden zufügen werde.
Von der Integration, der Bildung, dem Schaffen von Wohnraum gar nicht zu reden, oder einem Einwanderungsgesetz. Niemand hat die große Lösung parat. Die AfD schon gar nicht, sie ist eine reine Protestpartei. Aber auch Frau Klöckner kennt den Königsweg nicht, auch nicht Angela Merkel, nicht Sigmar Gabriel und auch nicht Malu Dreyer. Weil es ihn wohl nicht gibt. Statt der unsinnigen Debatte über ein Fernseh-Duell mit AfD-Politikern sollten sich die Politiker in allen demokratischen Parteien lieber an die Arbeit machen, um den wirklichen Flüchtlingen hier zu helfen.
Bildquelle: http://www.julia-kloeckner.de/presse/portraits.php