Schiffe, weibliche Körper im Schleier aus Zwielicht, Unschärfe, die immer auch auf Schärfe verweist.Eine Impression, die mein Gehirn herstellte am frühen Abend beim Sonnenuntergang an der Elbe unterhalb von Blankenese bei Hamburg. Die Welt am Wasser bei Zwielicht ist auch immer männlicher und weiblicher Sehnsuchtsort. Mein Gehirn malt mit grell-leuchtenden Farben, die tanzen. Was tanzt will immer anders werden, will Aufruhr, will Lebendigkeit, der auch immer der Zerfall innewohnt. Schönheit und Hässlichkeit sind in der biologischen Welt Wechselwirkungen, wir alle sind ihnen ausgesetzt; die Jungen, die sich in ihrem Zell-Dasein unsterblich wähnen, und die Alten, die sich traurig bei ihrem verfaulen zuschauen müssen.
Bei vielen künstlerisch arbeitenden Menschen werden Lebenswunden nicht geheilt, sondern gelebt. So auch bei mir. Die Melancholie und Vitalität, die ich ausstrahle, ist wie mein zweiter Mantel, den ich mir umgehängt habe.
Brüchig der Boden
Kein Lebensweg ist gerade, niemand kann sich umfassend absichern und gerade meine Kunst zeigt, wie brüchig der Boden unter den tanzenden Füßen der Menschen ist! Aber meine Kunst tröstet auch und ich will dem Betrachter sagen: “ Hör auf damit, dich gleich in der ersten Novemberpfütze ertränken zu wollen!“ Ich erkenne die Gefahr der Gewohnheit, des immer gleichen.
Aber das wirkliche Gift zwischen den Menschen sind die verdammten Vorurteile. Die meisten Menschen sind doch letztlich linear und einfältig gebaut. Sie gehen nicht zum Südpol ihrer Träume. Sie gehen ins Büro, streiten sich mit ihrer Frau und essen Suppe. Sie sind immer etwas zu müde für das ersehnte Neue. Aber ich weiß auch, dass der Mensch mit zu viel Wahrheit nicht leben kann, dass wir unsere Illusionen, Lügen und Ideale brauchen, um zu überleben, um uns zu trösten in einer Welt, die keiner wirklich je verstanden hat.
Wir alle sind Schauspieler
Eine Bühne aus zufälligen Rollen und dem Holz aus Zufall. Dort traten wir auf. Wir müssen uns selbst betrügen und belügen, um unsere Existenz ertragen zu können! Wir alle sind immer auch Schauspieler. Wir müssen uns ständig anpreisen, verkaufen. Wir spielen uns immer etwas vor. Wir bieten uns an, wir behaupten irgendetwas, um gefragt zu sein. Wir bauen alles mögliche zusammen in unserem Kopf, damit unser Auftritt leuchtet.
Wenn wir aufhören zu spielen, sind wir tot. Wie betrunkene Billardkugeln rollen wir durch unser Leben, angestoßen vom Zufall, ausgelacht von der Sinnlosigkeit. Eine wundersame Choreografie dieses Leben. Aber nicht die Größe, sondern das milliardenfach vernetzte Gehirn macht den Homo sapiens aus, unterscheidet ihn ein wenig als Tier von den anderen Tieren.
Menschliche Widersprüche
Das Gehirn ist sein Zentralorgan, es ist der Kriegsschauplatz der menschlichen Widersprüche. Wenn der Gehirnhirnstoffwechsel beginnt-vorgeburtlich geht es los und man kann nur hoffen, dass die Mutter/Vater nicht zur “Borderlinefamilie“ gehört- und nachgeburtlich brauchst Du ebenfalls großes Glück, dass deine Umgebung aus ein paar bindungsfähigen Menschen besteht. Dein ganzes Leben wirst du von diesen Figuren bewohnt und die wenigsten von uns können sagen, dass dieses Gedicht nicht auf sie zutrifft:
Kinder zufällig erzeugt
reinlich erzogen
mit ererbten Göttern belastet
ererbte Denkfehler im Gehirn
weiterentwickler ererbten Wahnsinns
bis zum count down.
In Wahrheit ist es doch so: Jeder von uns ist ein großes Durcheinander. Und letztlich gibt es uns gar nicht, wir sind bloß eine Idee unserer Gefühle und Gedanken.
Ich liebe das Wort Mandelkern, die Amygdala, die sich in unserem Gehirn befindet und für Überemotionalität für Zwang, Sucht und Angst steht. Bei den meisten ist dieses Organ ständig in Aufruhr,will sich entzünden, ist immer auf der Lauer nach dem Streichholz. Das Gehirn ist nie zufrieden, es schreit ständig nach Liebe und Belohnung, nach mehr Liebe und immer mehr Belohnung. Es ist gierig,es will……. ?Ja was eigentlich? Trunkenheit und Nüchternheit in einem wollten uns die Philosophen lehren.
Was soll das Ganze?
Wir rennen einem “Selbst“ hinterher, welches sich ständig in andere Selbst auflöst. Und dann mitten am Tag schreit das Gehirn plötzlich nach einem Sinn im Leben: Weshalb strampeln wir uns ab, weshalb diese Tüchtigkeit, dieses Gerenne nach Anerkennung, diese Arbeitswut, diese Boshaftigkeiten, dieses Laufen im Hamsterrad, dieser Fortpflanzungseifer, was soll das Ganze? Worauf läuft es hinaus?“, fragte bereits Schopenhauer vor ein paar hundert Jahren.
Und wir sollten nicht vergessen: Freiheit, Selbstbestimmtheit, alles nur Begriffe unserer Romantiker: Unser Gehirn ist ein Einflüsterungsorgan, nicht mehr und nicht weniger, der Rest ist Illusion.
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