Fazit nach Köln
Die Politik hat ihren Instrumentenkoffer aufgemacht. Seit den Gewaltexzessen der Silvesternacht in Köln und anderswo prasseln auf die Bürger ungezählte Vorschläge nieder, mit denen die vermutlich von kriminellen Banden aus dem nordafrikanisch-arabischen inszenierten sexistischen und räuberischen Übergriffe künftig verhindert werden sollen. Schnelle Abschiebung, zur Not auch schon bei berechtigtem Verdacht, Verbüßung der Strafen in den Heimatländern, Aufstockung der Polizeikräfte, intensivere Videoüberwachung öffentlicher Plätze.
Als sei die „Zeitenwende“, die der baden-württembergische CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahlen, Guido Wolf, in der Silvesternacht ausgemacht haben will, mit ein paar Gesetzeskorrekturen aus der Welt zu schaffen. Hektisch blinde Betriebsamkeit, in der natürlich auch Rücktrittsforderungen – jetzt gegen den zugegeben nicht immer glücklich operierenden NRW-Innenminister Jäger – der nordrhein-westfälischen CDU- und FDP-Opposition nicht fehlen dürfen.
Erschreckend schnell sind viele der Akteure in die erwartbaren Rituale zurück gefallen, anstatt nicht nur in den internen Jahresauftaktklausuren der Parteien, sondern öffentlich einzugestehen, dass das Merkelsche „Wir schaffen das“ größere Herausforderungen in sich birgt als die zeitnahe Registrierung und halbwegs zumutbare Unterbringung von Flüchtlingen. Gerade die Kanzlerin wäre gefordert, jenseits von moderat gefühligen Neujahrsansprachen den Menschen klar zu machen, wie groß die gesellschaftlichen und finanziellen Voraussetzungen für eine Integration geworden sind.
Justiz darf Polizei nicht allein lassen
Geschieht das nicht, wird die Chance für Rechtsradikale, AFD und Pegida noch viel größer, ihre bräunliche oder gar tiefbraune Suppe zu kochen. Noch ist die Bereitschaft der Bevölkerung, sich vor deren Karren spannen zu lassen, erfreulich gering. Als die hinlänglich als rechts bekannten Gruppierungen am Samstag in Köln zur Demonstration gegen die Silvesterexzesse zur Demonstration aufriefen, konnten sie zum Glück kaum Bürger der Stadt, sondern hauptsächlich Neonazis und die westdeutsche Hooligan-Szene mit ihren Schlägertrupps gewinnen.
Dennoch gilt, dass die Menschen skeptisch abwartend geworden sind. Schnelle Abschiebungen, beispielsweise in das Bürgerkriegsland Syrien? Oder in andere zerfallene Staaten Nordafrikas? Statt solcher Ankündigungen wäre schon viel geholfen, wenn die Justiz die Polizei bei ihrer Arbeit nicht allein ließe und die jetzt wieder beschworene „Härte des Gesetzes“ anwenden würde. Wenn am Tatort Kölner Bahnhof Serientäter mit räuberischen und diebischen Delikten immer noch vor Gericht auf Milde rechnen können, was sollen da vollmundig angekündigte Strafverschärfungen? Wenn rechtsfreie Räume in manchen Stadtvierteln des Ruhrgebiets oder Berlins einfach so hingenommen werden, was hilft da eine Aufstockung der Polizei?
Die Neujahrsnacht 2016 sollte Anlass sein, endlich die Rituale beiseite zu lassen und sich ehrlich zu machen: Die Anforderungen an die Integration von Hunderttausenden von Flüchtlingen sind riesig und mit einer emotionalen Willkommenskultur nicht zu bewältigen. Sie bedürfen mehr staatlicher Vorkehrung, einer zentralen Stelle zur Bündelung der Herausforderungen. Und sie der deutschen Gesellschaft und den Flüchtlingen mehr Lernbereitschaft und Toleranz abverlangen.
Der Kölner Domplatz ist nicht der Tahir-Platz Kairos, er darf es auch nicht werden. Aber bislang hat sich auch nur eine Minderheit von Migranten aus dem nordafrikanischen und arabischen Raum so gebärdet wie die übergriffigen Demonstranten aus der ägyptischen Metropole. Am Sonntag stand ein Häuflein junger offensichtlich aus diesen Breiten stammende Männer auf der Domtreppe und hielt ein Schild hoch: „Wir danken für eure Hilfe und bedauern, was hier den Frauen geschehen ist.“
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