Ungemütlich wird das neue Jahr beginnen. Glaubt man den Demoskopen, können Parteienlandschaft, politische Farbenspiele und Koalitionschancen in gut zwei Monaten kräftig durcheinander gerüttelt werden, wenn am 13. März in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt gewählt wird.
Das grün-schwarze Bündnis unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann in Stuttgart wird nach den letzten Umfragen zur Zitterpartei; das rot-grüne Bündnis in Mainz unter Malu Dreyer hat nach derzeitigem Stand keine Mehrheit mehr; und in Sachsen-Anhalt wird die SPD wohl endgültig zu einer reinen Funktionspartei, die darum kämpfen muss, nicht neben CDU und Linkspartei auch noch von der AFD überholt zu werden.
Die beklemmendste Aussicht dabei: Für die rechtspopulistische AFD scheint der Einzug in alle drei Landesparlamente eine sichere Bank zu sein. Die Koalition derjenigen, die Angela Merkel diese Entwicklung vorwerfen ist bizarr. Nicht nur CSU-Chef Horst Seehofer macht die Kanzlerin verantwortlich, weil sie in dem alles überlagenden Thema der Flüchtlingsfrage einen zu liberalen Kurs fahre und große Teile der Bevölkerung nicht mehr mitnehme. Auch der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, sieht in Merkels zu wenig konservativem Kurs die Ursache für das Erstarken der Rechten. Damit spricht der Sozialdemokrat aus, was viele in der CDU seit langem denken, aber spätestens seit Merkels gefeiertem Auftritt auf dem CDU-Parteitag im Dezember nicht mehr offen aussprechen mögen.
Oppermanns untauglicher Versuch
Dennoch, Oppermanns Vorstoß ist ein untauglicher Versuch, den Keil noch tiefer in die CDU zu treiben. In der Analyse dürfte vorerst der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner richtiger liegen, wenn er beschreibt, dass die CDU das Aufkommen der AFD mit einer gewissen Wurschtigkeit über sich ergehen lasse. Denn klar ist, das Wählerreservoir der AFD speist sich nicht allein aus den bisherigen Anhängern der Konservativen, sondern macht auch der SPD in erheblichem Maße zu schaffen. So sehr, dass sie auf absehbare Zeit im besten Falle in einer Reihe von Bundesländern und auf Bundesebene erst recht in der Rolle des Juniorpartners der Merkel-Partei gefesselt ist.
Das Fatale für die SPD ist, dass zu den Instabilitäten, die ihnen die Wähler bescheren, eine innere Instabilität durch einen geschwächten Parteivorsitzenden kommt, dem sie die Autoritätsbasis unter den Füßen weggezogen hat. Eine klare Linie, eine Strategie in schwieriger Zeit kann da nur einem Wunder gleich kommen. Die Partei wird damit beschäftigt sein, einen Vorsitzenden bei der Stange zu halten, den sie im Dezember aus unterschiedlichsten Gründen beinahe vom Hof gejagt hätte. Die ganze Verfahrenheit lässt sich daran ermessen, dass die SPD Gabriel als Vorsitzenden nur noch duldet, auf ihn als Kanzlerkandidaten mangels bereitwilliger Kandidaten aber nicht verzichten kann.
Kein Anlass für Häme der CDU
Zur Häme über den Zustand der SPD hat die CDU keinen Anlass. Hatte sie im letzten Sommer noch die Illusion, mit Angela Merkel als Superstar bei den Bundestagswahlen 2017 eine absolute Mehrheit erreichen zu können, so sind ihre Zustimmungswerte sichtbar gebröckelt. Ihr hilft es wenig, dass die Kanzlerin im linkeren und grünen Spektrum für ihre Flüchtlingspolitik Zustimmung erhält, weil sich diese Zustimmung nur schwerlich in Wählerstimmen ausmachen wird. Eine Erfahrung, die in der Vergangenheit unter umgekehrten Vorzeichen Kanzler wie Helmut Schmidt oder Gerhard Schröder machen mussten: Für ihre Wirtschaftspolitik von Konservativen hoch gelobt, aber bei den Wahlen am Ende nicht akzeptiert.
Dass die Zustimmung für Merkel weit über der für ihre Partei liegt, ist ihre wichtigste Versicherungspolice. Sie wird im Moment eher gestärkt als geschwächt durch Seehofers wütendes Anrennen gegen ihren Kurs. Ihre interne Unangefochtenheit allerdings könnte infrage gestellt werden, wenn die rheinland-pfälzische CDU-Ministerpräsident-Kandidatin Julia Klöckner im März den prognostizierten Wahlsieg über die SPD mit einer weit weniger liberalen Position in Fragen von Flüchtlings- und Migrationspolitik einfahren sollte.
Die drei Landtagswahlen im März sind mehr als ein wichtiger Stimmungstest. Sie sind auch nicht nur der Auftakt für das Bundestagswahljahr 2017, sondern vor allem steckt in ihnen großes Überraschungspotential für die im Februar 2017 zusammentretende Bundesversammlung zur Wahl des nächsten Bundespräsidenten. Trotz übergroßer Mehrheit von CDU/CSU nach jetzigem Stand gibt es durch die Schwindsucht der FDP keine Mehrheit für das traditionell konservative Lager, zumal die AFD – als kaum möglicher Partner – die Position zusätzlich schwächen wird. Genauso wenig allerdings hat die nummerische – aber kaum zu einigende – Linke aus SPD, Grünen und Linkspartei eine Chance. Ein schwarz-grün oder ein schwarz-rot getragener Kandidat, Kandidatin wäre möglich. Beides eine frühe Vorentscheidung für die Schlachtordnung im kommenden Bundestagswahlkampf. Da ist es kein Wunder, dass vor allem SPD und Grüne Angst vor einer solchen Festlegung haben und – mal öffentlich, mal insgeheim um ein erlösendes Wort Joachim Gaucks zu einer zweiten Amtszeit erhoffen.