„Nigger, komm raus! Vermummte haben im brandenburgischen Guben eine Flüchtlingswohnung angegriffen, kurz danach flogen Steine auf ein Haus syrischer Asylbewerber.“ So beginnt am 28.12.2015 der Bericht von „Zeit Online“ über Angriffe auf Flüchtlingswohnungen in Brandenburg. Es hat sich nichts zu den Nachrichten geändert, die man im Jahr 2000 zu rechtsextremistischen Übergriffen lesen konnte. So berichtete „Spiegel Online“ im Oktober 2000 über einen Überfall auf eine türkische Familie: „Eine Gruppe von 20 Rechtsextremisten hat im niedersächsischen Ort Himbergen versucht, in das Haus einer ausländischen Familie einzudringen. Uwe Karsten Heye, damals Sprecher von Bundeskanzler Gerhard Schröder und Paul Spiegel, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, wollten dieser Entwicklung nicht tatenlos zusehen. Gemeinsam mit einer Reihe von Unterstützern gründeten sie vor 15 Jahren den Verein „Gesicht zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland!“. Der Verein will Mut machen, sich aktiv für ein tolerantes und weltoffenes Deutschland einzusetzen.
Gesicht Zeigen! Mut proben – Filme gegen rechte Gewalt
Je häufiger von den fremdenfeindlichen Übergriffen berichtet wurde, desto notwendiger erschien es seinen Gründern, öffentlich Gesicht zu zeigen – gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und rechtsextreme Gewalt. Vor wenigen Wochen wurde jetzt im Berliner „Tipi am Kanzleramt“ mit über 250 Gästen aus Berliner Flüchtlingsunterkünften das 15-jährige Bestehen des Vereins gefeiert. „Gesicht zeigen!“ ist heute ein wichtiger Teil des bundesdeutschen Aufklärungs- und Informationsarbeit. Nach Bundespräsident Johannes Rau ist heute Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder Schirmherr des Vereins. Prominente Unterstützerinnen und Unterstützer setzen sich immer wieder gemeinsam mit dem Verein bei öffentlichkeitswirksamen Aktionen ein. Mit Filmen oder Plakataktionen, aber auch in Fortbildungsaktionen für Belegschaften, Unterrichtseinheiten für Schulen und öffentlichen Aktionen erhebt „Gesicht zeigen“ auch immer wieder die öffentliche, mahnende Stimme.
2006 wurde die Arbeit des Vereins mit der Buber-Rosenzweig-Medaille ausgezeichnet. Seit 2009 geht „Gesicht Zeigen“ erfolgreich neue und direkte Wege in der Vermittlung von Solidarität, Menschenrechten und Respekt: mit dem Ausstellungsraum, dem „Trainingsplatz für Demokratie, für Zusammenhalt und Respekt“, in den Berliner S-Bahn-Bögen an der Station „Bellevue“. „7xjung“, so haben die Ausstellungsmacher und Trainer die sieben S-Bahn-Bögen von Gesicht zeigen! genannt. Dort werden sieben Themen aus der Lebenswelt von Jugendlichen in Szene gesetzt – so wie sie sie heute erleben, aber auch zur Zeit des Nationalsozialismus Jugendliche erlebt haben. Die Themen „Mein Zimmer“, „Meine Familie“, „Meine Papiere“, „Mein Laden“, „Mein Sport“, „Meine Stadt“ und „Meine Musik“ schlagen erfolgreich den Bogen aus Geschichte in die Gegenwart. Über 13.000 Kinder und Jugendliche haben dort Workshops und Veranstaltungen besucht. Mit Fotos, Zeitzeugenfilmen, Klangkollagen, Installationen bis hin zu einer perfekten technischen Ausstattung im Themenraum „Meine Musik“ schaffen sie eine spannende und aktive Auseinandersetzung mit biografischen Episoden.
Das Thema „Flucht“ spielt hier nicht nur aktuell eine besondere Rolle. „Seit Monaten ist unser Informationsangebot für Schulen zu diesem Themenbereich ausgebucht“, stellt Sophia Oppermann, Geschäftsführerin von „Gesicht Zeigen!“, fest und fügt hinzu: „Unser Eindruck ist, dass Schulen teilweise vollkommen hilflos auf das Thema Flucht reagieren.“„Oft sind es diffuse Ängste, die die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unserer Workshops beim Thema Flucht mitbringen. Fremdheit, Unkenntnis und Angst sind Empfindungen bei der Ansprache von Kindern und Jugendlichen“ berichtet der Leiter von 7x jung, Jan Krebs. Die Bildungsverwaltungen, die sich jetzt bei „Gesicht Zeigen!“ über Programme und Workshops informieren, räumen ein, dass viele Lehrerinnen und Lehrer das Thema „Vielfalt in der Pädagogik“ noch nicht auf die neuen Herausforderungen umsetzen können.
„Flucht“ ist deshalb ein neuer Schwerpunkt dieses außerschulischen Lernorts. „Wir wollen an Hand von Einzelschicksalen darstellen, was „Flucht und Ankommen“ für Kinder und Jugendliche bedeutet“, so Jan Krebs. „Die Konfrontation mit einem Einzelschicksal bricht Distanz und schafft Nähe.“ Für die 7xjung-Teamer ist aber auch klar, dass es nicht allein bei Einzelschicksalen bleiben darf. Es gehört auch Faktenwissen über weltweite Fluchtbewegungen, Ursachen und Lösungsansätze dazu. In den Workshops wird nicht nur gefragt, was es für unsere Gesellschaft und den Zusammenhalt und Respekt in einer Gesellschaft bedeutet, Flüchtlinge aufzunehmen. Die 7xjung-Trainer spüren gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen auch eigene Erfahrungen der Teilnehmenden mit Not- und Fluchtsituationen auf. Sie stellen dabei fest, dass es in fast allen Gruppen Teilnehmende gibt, die solche Erfahrungen bereits gemacht haben. Und natürlich wird auch danach gefragt, wie die Teilnehmenden selbst mit der aktuellen Situation in ihrer Klasse, ihrem Freundeskreis oder ihrer Stadt umgehen. Was kann man selbst tun, um Willkommenskultur für die Flüchtlinge im Alltag umzusetzen? Es sind Schülerinnen und Schüler aus der ganzen Bundesrepublik, die einen 7xjung-Workshop in ihre Klassenreise nach Berlin integrieren. Die pädagogische Arbeit von 7xjung wird durch die Kampagnen von „Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland e.V.“ ergänzt.
Mit umfangreichen Schul-Materialien, die teils kostenlos abgegeben oder gegen eine Schutzgebühr erworben werden können, werden Demokratieerziehung, aber auch die Themen Fremdenfeindlichkeit, Toleranz, Respekt und Einwanderungsgesellschaft „spielerisch“ erfahrbar gemacht.
Mehr Informationen über Arbeit von Gesicht zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland und eine sichere Online-Spenden-Möglichkeit unter www.gesichtzeigen.de.
Bildquelle: www.gesichtzeigen.de