Bei der SPD haben viele Funktionäre schon den Einen ausgeguckt: Sigmar Gabriel, ihren Parteivorsitzenden, den sie auf dem Berliner Parteitag demolierten und der für sie bei der nächsten Bundestagswahl auch noch die Kastanien aus dem Feuer holen soll.
Sicher hat Gabriel auch durch seine oft burschikose Forschheit einige schwere Fehler in seiner politischen Laufbahn gemacht. Doch wer unter seinen zahlreichen sozialdemokratischen Heckenschützen hat das nicht? Nehmerqualitäten sind ihm jedenfalls nicht abzusprechen – und das formt ja mehr als lauwarmes Baden.
Eines seiner größten Probleme sind sicherlich seine Berater, die ihm Gerhard Schröders Auftritt auf dem Berliner Parteitag aufschwatzten oder den Begriff der arbeitenden Mitte als Zielgruppe einredeten. Wenn Gabriel die kritische Masse der SPD hätte überzeugen wollen, dann wäre Erhard Eppler als Gastredner besser gewesen, zumal er überzeugender als Schröder Helmut Schmidt und Egon Bahr gewürdigt hätte. Gabriels soziologische Verengung auf die arbeitende Mitte klammert für eine Volkspartei andere Bevölkerungsgruppen aus, bringt die SPD in dauerhafte Erklärungsnot, erschwert damit auch ihre Kampagnenfähigkeit. Das ist für sie fatal.
Ohne bundespolitische Akzente
Im Schmollwinkel sitzen vor allem die Länderfürsten, die mit ihren rot-grünen Mehrheiten nicht nur über landespolitische Gestaltungskraft verfügen, sondern, mit ein wenig mehr Verantwortungsethik ausgestattet, auch bundespolitische Akzente und sozialdemokratische Impulse setzen könnten. Zwei Beispiele: Im Norden profiliert sich Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Thorsten Albig gerne mit scharfer bis hämischer Kritik an Berliner Genossen, das bringt ihm Schlagzeilen und den Opfern Schlagseiten.
Hannelore Kraft hat sich mit ihrer Erklärung „ nie, nie“ nach Berlin zu gehen, weitgehend aus diesem Machtzentrum verabschiedet. Sie spielt in Berlin nicht nur bei den Medien nicht mehr Bundes-, sondern nur noch Regionalliga. Da wird von ihr zwar redliche Landespolitik gemacht, sie will in NRW kein Kind zurückgelassen , doch wie der Blick nach vorne aussieht, wie und mit welchen Themen die SPD auch wieder den bundesweiten Aufstieg schaffen kann, da herrscht Schweigen in Düsseldorf wie in Kiel. Da gibt es keine Zukunftsbotschaften und konkreten Projekte, die nach vorne weisen. Stattdessen grätscht Hannelore Kraft ihrer Parteifreundin Bundesumweltministerin Barbara Hendricks beim Thema Braunkohleausstieg öffentlich in die Parade und klebt sich damit freiwillig das Etikett der Kohlelobbyistin ans Revers.
Wie will sie da junge Wählerschichten gewinnen, wie will sie das Zukunftsthema Energiewende glaubhaft aufladen, wie soll dabei das moderne NRW aussehen ? Hannelore Kraft als landespolitischer Don Quichotte gegen den Weltklimagipfel. Besser können Vorlagen für eine künftige schwarz-grüne Koalition in Düsseldorf nicht sein.
Landesmutter alleine, zwar noch mit einem großem Meinungsvorsprung vor dem schlaffen CDU-Konkurrenten Armin Laschet ausgestattet, reicht nur für die Landesliga, für mehr nicht.
SPD vernachlässigt Intellektuelle und Künstler
Deutlich sollten sich SPD-Politiker wie Hannelore Kraft nicht alleine mit der landespolitischen Regierungsarbeit definieren, sondern auch bundespolitische Akzente setzen. Das machen sie überwiegend nicht, sondern verharren weitgehend im Schmollwinkel. Das hat auch zu den bundespolitischen Wahlniederlagen und dem Verharren im 25 Prozent Umfrageghetto geführt.
Die SPD hat sich früher aus ihrer eigenen Programmatik definiert, nicht von gesellschaftlichen Trends überrollen lassen, diese selbst in Gang gesetzt, sie hat dabei aus einem reichen Potential Intellektueller und Künstler geschöpft. Diese Gruppen sind ihr verloren gegangen, mit ihnen Themen wie Umwelt und Datenschutz, die sich jeweils ihre eigenen Parteien gesucht haben.
Wer prägende Themen wie Wissenschaft oder Bildung so fahrlässig behandelt wie in Nordrhein-Westfalen eine Landesregierung mit einer nicht ernst zu nehmenden Ministerin Svenja Schulze, der muss sich nicht wundern, das ihm intellektueller Nachwuchs und Zukunftsthemen fehlen. Hannelore Kraft als ehemalige Wissenschaftsministerin müsste es eigentlich am besten wissen. Wer dabei auch noch so schwere Stockfehler macht, wie die Düsseldorfer SPD beim Verkauf von Kunstwerken aus der früheren Landesbank Westlb, der sollte nicht mit dem Finger nach Berlin zeigen. Drei Finger weisen dabei, das wusste schon Gustav Heinemann, auf einen zurück.