Vorweihnachtszeit – Märchenzeit. In die passt ganz wunderbar die rührselige Geschichte vom lieben, guten Carsten Maschmeyer. Der stellt sich dieser Tage so dar, als dächte er ständig angestrengt darüber nach, wie er arme und armselige Menschen mit Wohltaten beglücken kann.
- In seiner prunkvollen, sichtgeschützten Villa in Hannover, standen noch ein paar Zimmer leer, die Maschmeyer und seine Veronica F. nicht unbedingt brauchten. Also durften zwei syrische Flüchtlingsfamilien einziehen.
- Und für „Ein Herz für Kinder“, die Spendenaktion der „Bild“-Zeitung, machte Maschmeyer auch in diesem Dezember eine Million Euro locker. Damit war er, wie es sich für einen Maschmeyer gehört, der größte Einzelspender.
„Bild“ bejubelte hymnisch das „goldene Herz“ des Multi-Multi-Millionärs und flötete „Danke – an ihn“. Auch die seriöse „Süddeutsche Zeitung“ wollte in Carsten Maschmeyer nur noch das Gute sehen. Wenn der zwei Flüchtlingsfamilien bei sich aufnehme, sei jegliche Polemik „fehl am Platz“, ermahnte die mitfühlende SZ-Kommentatorin Ulrike Heidenreich mögliche Kritikaster. Und selbst die reputierliche „Zeit“ fuhr voll auf Maschmeyers Wohltaten ab. Im „Zeit Magazin“ wurde die Aufnahme der syrischen Familien in Maschmeyers Villa allen Ernstes „mutig“ genannt. Die Aktion wurde ausführlich und ausdrücklich gelobt („das finden wir sehr gut“).
Unterschlupf im Luxus-Ambiente
Und wer wollte leugnen, dass es für geschundene syrische Flüchtlinge wunderschön ist, wenn sie in Maschmeyers Luxus-Ambiente Unterschlupf finden ? Wer wollte leugnen, dass man mit einer Million Euro für notleidende Kinder viel Gutes tun kann ? Den Flüchtlingen und den Kindern sei das alles von Herzen gegönnt. Nur darf man darüber nicht übersehen: Für Maschmeyer sind diese Aktionen ein Ablasshandel auf Ramschniveau. Als Fernsehjournalist von ARD und NDR habe ich mich lange und intensiv mit dem „Drückerkönig“ Maschmeyer und vielen seiner verzweifelten Opfer befasst. Sogenannte „kleine Leute“ haben mir in erschütternden Interviews unter Tränen erzählt, wie sie ihre Ersparnisse in dubiose Finanzprodukte von Maschmeyers Finanzdienst AWD steckten, nicht etwa um steinreich zu werden, sondern um für ihr Alter vorzusorgen. Heraus kam bei vielen der Totalverlust. Besonders schlimm, wenn sie sich von Maschmeyers Drückern auch Kredite aufschwatzen ließen, die sie noch Jahre nach der Pleite abstottern mussten.
Wieviele Menschen der gerissene Verkäufer Carsten Maschmeyer in die Verzweiflung getrieben hat, wurde nie genau gezählt. Er jedoch, das ist Fakt, gehört mit hunderten von Millionen zu den reichsten Deutschen. Die „Bild“-Zeitung stufte den Mann mit dem „goldenen Herzen“ gar zum Milliardär hoch. Und „Bild“ muss es wissen, denn Maschmeyers früherer AWD-Pressesprecher Bela Anda war bis vor wenigen Tagen stellvertretender Chefredakteur von „Bild“.
Besinnungslos, gesinnungslos
Was für eine Zeitung „Bild“ ist, weiß man. Was für Zeitungen „Süddeutsche“ und „Zeit“ eigentlich sind oder sein sollten, weiß man auch. Aber was ist das für eine Gesellschaft, die Carsten Maschmeyer trotz seiner allseits bekannten Vergangenheit so billig davon kommen lässt ? Was ist das für eine Elite aus Politik, Show und Kultur, die sich in Maschmeyers legendärem Party-Keller mit sündhaft teuren Weinen zuprostet – besinnungslos, gesinnungslos ?
Das „Zeit-Magazin“ lässt Maschmeyer schwurbeln, seine Erfahrung mit den Syrern sei „unendlich kostbar, weil sie uns geholfen hat, zu erkennen, was wirklich wichtig ist im Leben.“ Wie kitschig, wie billig! Wie geschmacklos die Umverteilung à la Maschmeyer: Erst zieht er seinen Opfern Millionen aus der Tasche, und dann gibt er davon einen Bruchteil für publikumsträchtige Wohltaten aus. Wenn er wirklich zum Gutmenschen mutieren will, soll er seinen schier unermesslichen Reichtum endlich dazu verwenden, wenigstens teilweise seine Opfer zu entschädigen, die er um ihre Ersparnisse und Altersrücklagen gebracht hat. Dieser Vorschlag wurde ihm schon oft gemacht. Aber solange wir ihm seine rührseligen Märchen abnehmen, braucht er darüber gar nicht nachzudenken.
Bildquelle: Wikipedia, Christian A. Schröder (ChristianSchd), CC-BY-SA 4.0
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