Der 10. Dezember ist der Internationale Tag der Menschenrechte, und weil der 10. Dezember zugleich der Todestag von Alfred Nobel ist, wird jährlich an diesem Datum in Oslo der Friedensnobelpreis verliehen. Preisträger im Jahr 2015 ist das Tunesische Quartett für den nationalen Dialog. Doch die Botschaft, die das norwegische Nobelkomitee mit der Entscheidung aussandte, ist verpufft, noch ehe die Feierstunde begonnen hat. In diesen Tagen hat nicht die Kraft des Dialogs die Oberhand in der Weltpolitik, sondern die Gewalt des Krieges.
Das Licht der Hoffnung, das der Arabische Frühling ausstrahlte, hat sich rasch wieder verfinstert. In Tunesien aber, dem Land, von dem die Demokratiebewegung in Nordafrika ausging, leuchtet es noch. Das ist nach Einschätzung nicht nur der Nobelpreis-Jury dem Quartett und seinem beharrlichen Bemühen um eine pluralistische Demokratie zu danken.
Reden, reden, reden, so ungleich die Partner und ihre Interessen auch sein mögen. Das ist die Devise, die den tunesischen Gewerkschaftsverband, den Arbeitgeberverband, die Menschenrechtsliga (LTDH) und die Anwaltskammer an einen Tisch brachte. Als das Land nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Zine el Abidine Ben Ali 2011 am Rand eines Bürgerkriegs stand, haben sie einen „alternativen, friedlichen politischen Prozess“ in Gang gesetzt, so das Nobelkomitee in der Begründung, und entscheidend dazu beigetragen, dass binnen weniger Jahre „ein verfassungsmäßiges Regierungssystem errichtet wurde, das der gesamten Bevölkerung grundlegende Rechte garantiert, ungeachtet des Geschlechts, der politischen Überzeugung oder des religiösen Glaubens“.
Starke Zivilgesellschaft
Über die Würdigung des Erreichten hinaus sollte der Nobelpreis für den tunesischen Weg zur Demokratie auch „Ansporn für alle sein, die Frieden und Demokratie im Nahen Osten, Nordafrika und im Rest der Welt voranbringen wollen“, erklärte die Jury, und erntete gleich nach der Bekanntgabe der Entscheidung im Oktober noch Lob und Anerkennung aus allen Ecken der Erde.
Auch die Bundesregierung gratulierte. „Es ist der verdiente Lohn für eine Arbeit an der Demokratie“, sagte ihr Sprecher Steffen Seibert, „für ein Festhalten an der Idee, dass ein Volk, das eine Diktatur abgeschüttelt hat, etwas besseres verdient als eine neue Diktatur.“ Die Bundestagsfraktion der SPD nannte die Preisvergabe „sehr vorausschauend“, denn „nur eine starke Zivilgesellschaft ist in der Lage, die Herausforderungen von Demokratisierung und Frieden zu meistern“. Tunesien sei auch deshalb der „Leuchtturm des Arabischen Frühlings“, „weil dort die Zivilgesellschaft so stark ist“, erklärten die Sozialdemokraten und äußerten die Hoffnung auf „ein starkes Signal auf andere Länder Nordafrikas und des Nahen Ostens“.
Nur wenige Wochen später und nach der Bundestagsentscheidung zur Beteiligung am Krieg gegen den Islamischen Staat liest sich das seltsam und beinahe zynisch. Gegen jede Vernunft und ohne Konzept wird militärische Gewalt im Hauruckverfahren zum Mittel der Wahl erkoren. Den deprimierenden Lehren aus Afghanistan und dem Irak zum Trotz. Krieg wird den Terrorismus nicht besiegen, sondern den Nährboden weiter bereiten. „Nicht Bomben, sondern Bücher“, sagt Malala Yousafzay, die Friedensnobelpreisträgerin aus dem vorigen Jahr, „nicht Soldaten, sondern Lehrer“ bekämpfen den Extremismus.
Der Weg des Dialogs ist mühsam, und die Arbeit des tunesischen Quartetts fand vor der Auszeichnung wenig Beachtung, geschweige denn Anerkennung. Vorbeugende Politik zur Friedenssicherung, Bildung, Ursachenbekämpfung, Konfliktbewältigung sind zwar gern genutzte Vokabeln, aber für ihre Anwendung fehlen das Vertrauen und der lange Atem. Statt dessen pflegt der Westen das Wegschauen so lange es geht, bis der Terror die Aufmerksamkeit erzwingt.
Bildquelle: Federal Foreign Office Human Rights Department, Deutschland
Comments 1