Erhard Eppler ist 88 Jahre alt, bald 90, wie ihn der Sohn des großen SPD-Denkmals Willy Brandt, Peter, vorstellt bei der Buch-Präsentation von Epplers neuem Werk „Links leben“ in der Lobby der Parteizentrale in Berlin. Er bewegt sich langsam, der Mann in den schlohweißen Haaren, aber als er das Wort ergreift, da spricht er wie ein Junger, ohne einen Ansatz von Müdigkeit, sondern mit einer Leidenschaft, wie man es sich von jüngeren Politikern heute wünschte, dazu frisch im Kopf und klar in der Sprache. Diese Politiker vermisst man, meint ein Kenner der Politik und der SPD, sie sind selten gewordenen diese Unbeugsamen und Unbequemen, die nicht dem Ruf, der die Karriere bedeutet oder verlängert hätte, gefolgt sind. Eppler war und ist Eppler, ein Sozialdemokrat, ein Linker, ein Wertkonservativer, wie er selbst einräumt, ein Familienmensch und ein fröhlicher fünffacher Ur-Großvater. „Das ist ein tolles Gefühl“, sagt er und lacht ins Publikum.
Es sei keine Abrechnung, dieses Buch, das wir in unserem Blog später besprechen werden, wenn wir es gelesen haben. Damit will er will wohl den Titel einer Vorabmeldung des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ korrigieren. Abrechnung mit Helmut Schmidt hatten die Spiegel-Redakteure getitelt, wissend, dass er in seiner Zeit als führender Sozialdemokrat und Bundesminister für wirtschaftliche Entwicklung und der des Bundeskanzlers Helmut Schmidt mit diesem inhaltlich oft über Kreuz lag. Und es kam ja nicht von ungefähr, dass der Minister Eppler seinen Rücktritt einreichte, als der Kanzler Epplers Entwicklungs-Etat kürzte.
Gegner der Kernenergie
Eppler, der Friedensfreund, der Gegner der Kernenergie, der auch gegen den Nato-Doppelbeschluss stimmte, weil er der Argumentation, es ginge um die Wiederherstellung des militärischen Gleichgewichts, nicht folgen konnte. Gleichgewicht, erklärt er im Foyer der SPD-Parteizentrale vor Hunderten von teils begeisterten Zuhörern, habe es doch schon durch die Interkontinental-Raketen gegeben, die jede der sowjetischen SS-20-Raketen hätten ausschalten, also vernichten können. Worum es in Wirklichkeit ging, stellte sich später heraus: die Sowjetunion quasi totzurüsten, was ja auch gelang. Eppler bekannte, er habe damals nicht gewusst, wie schwach die Sowjetunion gewesen sei und im Übrigen habe er an diese Strategie des atomaren Gegenschlags nie geglaubt, weil weder der Osten noch der Westen auf den berüchtigten atomaren Knopf gedrückt hätte.
Eppler und Schmidt, zwei Schwergewichte der SPD, in verschiedenen Lagern der Volkspartei- man stelle sich vor, die wären miteinander ausgekommen, die hätten miteinander gearbeitet. Was das für die Stärke der SPD bedeutet hätte, damals wie heute. Ein Kenner der Partei, der beide gut kennt und beide schätzt, meinte dazu in Richtung Schmidt: Der Helmut hätte sich den Eppler quasi ans Revers stecken können, wenn er ihn hätte machen, mitmachen lassen.
Meine Partei und ich haben uns viel zugemutet, zieht der weise Mann aus Württemberg Bilanz. Will sagen, auch er habe der SPD einiges abverlangt. Denn einfach war Eppler nie.
Die 68er haben ihn gehasst
Die 68er hätten ihn gehasst, bekennt er. Weil er Entwicklungshilfeminister gewesen sei, habe man ihn als Agenten des Kapitals zur Unterdrückung der Dritten Welt gehalten und entsprechend behandelt. 1968 ist er Minister in der großen Koalition geworden und es dann in beiden Kabinetten Brandt wie im Kabinett Schmidt bis zum Rücktritt geblieben.
Mehrfach wendet er sich an Peter Brandt mit der Anrede: „Dein Vater hat..“ Und Eppler zitiert an einer Stelle einen wichtigen Satz aus einer Regierungserklärung des Kanzlers Brandt, dem er menschlich wie politisch stets näher stand als Schmidt, dessen Macher-Gehabe ihn wohl des Öfteren gestört haben wird. „Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein, nach innen und nach außen.“ So Willy Brandt damals. Und Eppler ergänzt heute: Dazu gehöre eben auch, jeder müsse ein guter Nachbar sein- im Alltag, in der Stadt, Dorf, an welchem Gartenzaun auch immer.
Er propagiert den starken Staat, weil nur die Reichen sich einen schwachen Staat leisten könnten. Das gelte für die soziale wie die innere Sicherheit. Ich erinnere mich noch, wie dieser Eppler, der ewige Mahner und Linke in der SPD, während des 2.Kabinetts Schröder auf einem Parteitag die umstrittene Politik des Kanzlers der Agenda 2010 nicht nur lobte, er warf sich quasi in die Bresche für diesen neuen Kurs, wissend, dass die Agenda 2010 in Teilen der SPD mehr als unbeliebt war. Heute wird diese Reform Schröders als Grundstein für den anhaltenden Aufschwung der deutschen Wirtschaft und die niedrigen Arbeitslosenzahlen gesehen.
Solidarität statt Wettbewerb
Eppler steht ein für Gemeinsinn, weil nicht die Ellenbogen das Entscheidende seien, sondern das Miteinander. Wie wahr. Er fordert gerade auch von der Kanzlerin mehr Solidarität im Innern wie in der EU-Politik statt des Wettbewerbs. Er verurteilt die Neoliberalen, die Marktradikalen. Was haben die eigentlich Gutes geleistet, wenn man sich mal bestimmte Entwicklungen anschaut? Wer war eigentlich für die Finanzkrise verantwortlich? Wer fährt Firmen in den Abgrund und bekommt dann noch ein hübsches Sümmchen mit auf den Weg, als Boni für die vielen Mali?
Europa ist sein Thema. Wieder verteidigt er Russland und Präsident Putin gegen viel Kritik und analysiert erneut die Fehler der EU-Politik, als Brüssel ein Assoziierungsabkommen mit der Ukraine plante- an Russland vorbei. Dass Putin sich das nicht gefallen lassen konnte- wen eigentlich hat das gewundert. Umgekehrt, so Eppler wäre es richtig gewesen, erst hätte die EU mit Moskau reden müssen, damit am Ende der völlig heruntergekommenen und korrupten Ukraine hätte geholfen werden können.
Die Wertegemeinschaft beschäftigt den Wertkonservativen Eppler, aber es muss nicht die sein mit Amerika. Er will ein starkes Europa, zu dem Russland zwingend gehört, damit es dem Druck gegen die Asiaten und namentlich China standhalten könne. Ein starkes, an Werten orientiertes Europa ist dem alten und weisen Mann wichtig auch im Sinne der vielen Enkel und Urenkel, wenn die mal „in meinem Alter sind“.
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