Punktsieger Seehofer? Kaum, auch wenn der CSU-Chef es nun so darstellen wird, um seine Not innerhalb seiner Partei abzumildern. Verlierer Gabriel? Auch das stimmt so nicht. Der SPD-Chef und Vizekanzler muss nicht über jedes Stöckchen springen, das ihm der bayerische Ministerpräsident vorhält. Und Merkel, hat sie profitiert, mehr Luft innerhalb der CDU-Gefolgschaft, in der der Widerstand gegen ihre Flüchtlingspolitik immer größer geworden ist? Nein. Der Jubel auf Parteikongressen wird inszeniert, das kennen wir schon seit Jahren und gilt für alle Parteien.
Es wird Zeit, dass sich die führenden Politiker von CDU, CSU und SPD auf einen gemeinsamen Kurs verständigen. Es bringt nämlich nichts, wenn man irgendwelche Papiere vorlegt und dann am Ende feststellt, sie haben nichts gebracht. Oder glauben Merkel und vor allem Seehofer, dass sie irgendeinen Vorteil von diesem Streit um Transitzonen haben? Sie mögen sich verständigt haben gegen ihren alten Gegner SPD, mit dem sie seit ein paar Jahren in Berlin regieren. Na und? Wem hilft das alte Feindbild und wie lange?
Wenn Merkel heute Transitzonen verteidigt, mag das Seehofer gefallen. Aber ist das die Lösung, um Hunderttausende von Flüchtlingen in Deutschland aufzunehmen, wie das unserer Verfassung entspricht? Es gibt gute Gründe dagegen. Die Kanzlerin hat doch selber auf das Grundrecht, Artikel 1 verwiesen: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Nicht nur die Würde der Deutschen. Dass wir Menschen aus welchem Teil der Erde auch immer menschlich behandeln, ist unsere Pflicht, eine Selbstverständlichkeit. Und wenn wir davon abweichen würden, dann ist das nicht mehr mein Land. Wer hat das noch vor ein paar Tagen gesagt und wiederholt betont? Recht hat sie.
Nicht dem Geschrei von Populisten folgen
Politisch Verfolgte genießen Asyl. Da kann es doch keine Obergrenzen geben. Wer nach Begrenzung der Flüchtlingszahlen ruft, beweist nur seine eigene Hilflosigkeit. Wie denn, mit Mauern, Stacheldraht, Schießbefehl, Hunden? Politik darf sich von diesem Geschrei nicht anstecken lassen. Es ist eine riesengroße Herausforderung, diese Völkerwanderung bewältigen zu können. Wir schaffen das, hat Angela Merkel gesagt und das nicht zurückgenommen. Gut so. Es ist selbstverständlich, dass dazu der bekannte Kanon gehört: Europäische Lösung, Solidarität und entsprechende Verteilung der Flüchtlinge auf die EU-Länder entsprechen ihrer Größe und Leistungsfähigkeit, Bekämpfung der Fluchtursachen wie den Bürgerkrieg in Syrien, finanzielle und andere Hilfen für die Flüchtlings-Stätten in der Türkei, im Libanon und Jordanien, Änderung der Wirtschaftspolitik des Westens, die die Staaten Afrikas und des Nahen Osten eher ausbeutet als sie voranbringt. Vieles lässt sich nur mittel- und langfristig ändern.
Die große Koalition muss ihrer Politik Strukturen geben. Es muss Wege geben, um all die Menschen hier zu registrieren, sie zunächst mal mit dem Nötigsten zu versorgen, medizinisch, mit Nahrung, Kleidung, Unterkunft, auch wenn diese vorübergehend nur in beheizten Zelten oder Turnhallen möglich ist. Danach wird man entscheiden, wer politisches Asyl in Deutschland bekommt und wer nicht. Das sollte, bitte schön, nicht im Hauruck-Verfahren und über Nacht geschehen. Da hat die NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft Recht. Wer in die Heimat zurück muss, weil er kein Asylrecht bekommt, wird zurückgeführt, im Zug oder im Flugzeug, oder im Bus, human, er wird nicht rausgeschmissen aus dem Land.
Wir sollten sprachlich abrüsten und nicht einfach so daherreden von Internierungslagern oder von Haft. Wir sind in Deutschland und nicht in irgendeiner Bananenrepublik. Merkel, Seehofer und Gabriel, sie sind verpflichtet, eine Lösung zu finden, die den Menschen, den Flüchtlingen hilft. Und diese Politik muss den Einheimischen erklärt werden, wir müssen sie mitnehmen auf diesen nicht einfachen Weg. Überlassen wir das Thema nicht den Neonazis und anderen Rechtsextremisten oder Populisten, die nicht mal davor zurückschrecken wollen, Flüchtlinge mit Waffengewalt an der Grenze abzuwehren.
Wir haben in Europa vor Jahren die Grenzzäune beseitigt, wir genießen das offene Europa. Und wir sollten all den Helfern, die teilweise unentgeltlich anpacken, um Menschen in Not zu helfen, nicht die Arbeit erschweren, indem wir einen Streit um Worte und Papiere austragen, der niemandem dient.
Bildquelle: Wikipedia, Martin Rulsch, Wikimedia Commons, CC-by-sa 4.0