Zum Entsetzten über das Attentat auf die Kölner OB-Kandidatin Henriette Reker am Tag vor der Wahl ist am Wahlabend tiefe Beschämung gekommen. Auch der feige Mordversuch auf die parteilose Kandidatin hat nicht einmal jeden zweiten Wähler in Köln bewogen, seine Stimme abzugeben und so mit demokratischer Haltung einem Kriminellen die Stirn zu bieten. Eine Wahlbeteiligung von gerade mal vierzig Prozent ist schon unter normalen Bedingungen ein alarmierendes Signal, unter den besonderen Bedingungen in Köln ist sie ein erschreckender Beleg für Abgestumpftheit, Apathie und Desinteresse an den Belangen des Gemeinwohls.
Wählen gehen, das war am Sonntag in Köln nicht ein lästiges Recht, es hätte verdammte Pflicht sein müssen für alle, die auch nur ein Hauch von Bürgersinn für sich in Anspruch nehmen und von anderen fordern, für alle, denen nicht gleich ist, dass mit Messerstichen rechtsradikale Gewalt ausgeübt wird.
Die Messerstiche von Köln sind ein krimineller Höhepunkt der Verrohung der Sitten. Aber überall im Land scheinen die Hemmschwellen gesunken zu sein, Lokalpolitikern zu drohen, sie verbal anzugreifen und ihnen Vergeltung für liberale Flüchtlingspolitik anzukündigen. Die jüngste Hassbotschaft rechter Hetzer galt am Montag Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD).
Bundesweit für Aufregung sorgte ein Galgen, den bei der letzten „Pegida“-Demonstration irgendwelche rechten Hassprediger für den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel und die Bundeskanzlerin Angela Merkel(CDU) reserviert haben wollten. Dass die Polizei auf solche Hetze erst mit Untersuchungen reagierte, als der Vorgang in den Medien thematisiert wurde, ist ein Skandal im Skandal des Umgangs mit Pegida.
Das analoge Hetzpotential auf Plakaten oder Wandschmierereien, die telefonischen Drohungen, beleidigenden Briefe gegen Politiker sind freilich nur ein beinahe müder Abklatsch gegenüber der Gewalt, die digital in wahrlich allen anderen als sozialen Medien gepostet werden. Hasstiraden, Häme geisterten selbst nach dem Attentat auf Henriette Reker durch das Netz. Bösartigkeiten, Unmenschlichkeiten, kriminelles Gefasel in rechten Foren zeugen von einer unerträglichen Verrohung. Es ist mehr als an der Zeit, dass die Staatsanwaltschaft endlich mit Ermittlungen gegen Netzwerke beginnt, die solche Hetzereien zulassen und obendrein noch als Ausweis für die Freiheit des Netzes verstanden wissen wollen. Auf eine solche Freiheit kann und muss die Gesellschaft verzichten.
Bildquelle: Wikipedia, Superbass – Eigenes Werk, CC-BY-SA 4.0
Comments 1