Heilig und scheinheilig lagen immer schon nah beieinander. So auch beim Christenmenschen Seehofer in Bayern, der sich scheinheilig und wie oft etwas beleidigt darüber beschwert, dass er kritisiert wird, nur weil er den „Rechtsstaat wieder auf die Füße stellen“ wolle. Seine vor allem gegen Berlin gerichtete Anklage formuliert er so: „Es gilt kein Vertrag, es gilt kein Gesetz.“ Er lehnt Angela Merkels Flüchtlingspolitik aber auch aus unverhohlen taktischen Gründen so vehement ab. Für Seehofer zählt vor allem, die bayerische Bastion der CSU zu halten, koste es was es wolle.
Die Umfragen machen klar, worum es ihm vor allem geht: Er will verhindern, dass der CSU von rechts Konkurrenz erwachsen könnte. Mithin hatte es die Fernsehberichterstattung leicht, mit Schnitt und Gegenschnitt zwischen Bundestag und Bayerischem Landtag am Donnerstag dieser Woche die ganze Misere der Union zu illustrieren. Sie steckt in ihrer womöglich größten Krise.
Christlich und sozial-was ist das?
Die Berliner Auguren stecken schon jedem, der es hören soll, die Kanzlerin stehe kurz vor dem Sturz, und Finanzminister Schäuble stehe als Nachfolger bereit. Der Wahrscheinlichkeitsgehalt solcher Phantommeldungen spielt keine große Rolle. Doch zeigen sich die Sollbruchstellen, die – wenn es zum Schwur kommt – die Ausweitung der CSU auf das Bundesgebiet zur Folge haben können. Das gleiche könnte für die CDU gedacht werden, die nach Bayern expandieren könnte, um dort der Schwester Konkurrenz zu machen, wenn der Streit weiter eskaliert. Je nachdem, wie sich die Flüchtlingskrise entwickelt.
An ihre Namensbestandteile „christlich“ und „sozial“ fühlt sich die CSU nicht gebunden, wenn es darum geht, weiter die Wähler einzusammeln, die offenbar nur noch mühsam bereit wären, ihr Kreuz bei der CDU zu machen. Merkels Erfahrungen in dem sächsischen Städtchen Schkeuditz sprechen für sich. Die CSU könnte Sachsen bei den nächsten Wahlen halten, die CDU offenbar nicht mehr, wenn man sich anhört, was die Parteimitglieder dort zu sagen haben: „Grenzen dicht machen“, oder: Merkels CDU „ist nicht mehr unsere Partei“. Resignation auch beim sächsischen CDU-Justizminister über Bürger, die immer häufiger zu ihm sagten: „Das ist nicht mehr unsere Kanzlerin“.
Sarrazins parteischädigendes Verhalten
Die Oppositionsparteien, einschließlich der SPD werden keinen Gewinn haben, wenn sich die Krise in der Union dramatisch ausweiten sollte. Weder Grün, noch Rot, noch SPD können diese Stimmung nutzen, sie würden die Zerreißprobe nicht überstehen. Noch sind etwa bei der SPD Abweichler vom liberaleren Kurs der Parteiführung in der Minderheit.
Das Schweigen über die Wahlkampfhilfe von Thilo Sarrazin für die FPÖ in Wien ist allerdings beredt. Sarrazins Auftreten gegen den tapferen Wiener Oberbürgermeister und für den braun gefärbten Rechtsaußen Heinz-Christian Strache im Schafspelz der ehemaligen „Freiheitlichen“, ist parteischädigendes Verhalten. Das darf die SPD nicht hinnehmen, will sie ihre Glaubwürdigkeit nicht endgültig aufs Spiel setzen.
Aber die Lage der Nation ist nicht nur bestimmt davon, dass die Parteien derzeit Schwierigkeiten haben, klare Kante und damit Haltung zu zeigen. Es braucht auch Ermutigung, damit abertausende freiwillige Helfer weiter jeden Tag tätige Nächstenliebe zeigen.
Entmutigend ist auch das Versagen Europas, das sich nur in der Schließung der Außengrenzen einig zeigt. Und ist es dann der nächste Schritt, die Abschottung mit Schießbefehl an den mit messerscharfem NATO-Draht gesicherten Grenzen durchzusetzen?
Massendelikte der Reichen und Superreichen
Es wäre ein gutes und für die Aufklärung der Menschen interessantes Thema gewesen, im Bundestag über „die Lage der Nation“ zu berichten. Es wurde leider versäumt. Doch die Weiterungen des Themas bieten sich an. Welche Qualität etwa die Manageretagen global agierender Konzerne aufweisen. Dafür steht zum Beispiel die massenhafte Qualitätslüge des VW-Konzerns. Dafür steht auch die Deutsche Bank, die Milliardenverluste wegen betrügerischer Machenschaften in Europa und den USA verzeichnet, und einen Prozess nach dem anderen verliert, und dieses Jahr allein mit über sechs Milliarden Euro in der Kreide steht. Steuerflucht wurde zum Massendelikt der Reichen und Superreichen, das nur durch den Verkauf von Raubkopien aus den Datenspeichern nicht nur Schweizer Banken aufzuklären scheint.
Mit Hilfe international agierender Finanzberater werden Konzerngewinne manipuliert und in Steueroasen verfrachtet, die dem Fiskus für Straßenbau, Schulen, Lehrer und die Sanierung der Infrastruktur entgehen. Ethisch verantwortungsloses Wirtschaftshandeln ist auch mitverantwortlich für die Spaltung des Planeten in Wohlstandszonen und Notstandsgebiete und für die weltweite Hungerkarawane sogenannter Wirtschaftsflüchtlinge.
Die aktuelle „Lage der Nation“ wartet darauf, erzählt und verändert zu werden. Dabei helfen könnten Christen, die sich daran erinnern, dass ihre Religion Nächstenliebe fordert und für Atheisten hilft die Erinnerung an die Solidarität für die Verdammten dieser Erde, die als Flüchtlinge zu uns kommen.
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