Wie heißt die Steigerung in der selbstironischen Abteilung der Politik: Feind, Todfeind, Parteifreund. Angela Merkel erlebt gegenwärtig jeden Tag, wie viel Wahrheit an diesem spöttischen und von Lebenserfahrung geprägten Wortspiel dran ist. Der bayerische Ministerpräsident und dessen CSU tragen, wie man weiß, zum Wahlergebnis der CDU und damit zum Erhalt ihrer Kanzlerschaft mit zwischen sechs und acht Prozent bei. Das Wahlergebnis in Bayern ist also wichtig. Erklärt das die Zurückhaltung der Kanzlerin angesichts unmäßiger Sticheleien und offener Geringschätzung des CSU-Vorsitzenden für ihre Haltung in der Flüchtlingskrise?
Es ist abzuwarten, ob die Bayerische Landesregierung wirklich so weit gehen wird und Flüchtlinge, die über Österreich in das Land kommen, zurückzuschicken, dass heißt die Grenze zu schließen. Frau Merkel, der ich meinen Respekt für ihre Standhaftigkeit nicht versagen kann, ist aber darauf angewiesen, dass ihre Haltung der Ermutigung und Mitmenschlichkeit mitgetragen und nicht defätistisch untergraben wird. Ihr „wir schaffen das“ geht nicht ohne Bündnispartner. Sie allein kann die sich massiv auftürmenden Probleme von Unterbringung, Registrierung und Verteilung nicht lösen. Dennoch hat sie recht, es wird nicht gelingen, die Schotten dicht zu machen.
Der Massenmord an mindestens vier Fronten in Syrien wird durch das russische Eingreifen jedenfalls nicht geringer. Völlig unübersichtlich sind die Interessenlagen der beteiligten Parteien, von Saudi-Arabien, über den Iran, Irak, IS und Al Quaida, die zugleich Ausdruck der innermuslimischen Glaubenskrise sind, ganz abgesehen von der Türkei, die am Ende mit jedem paktiert, der einen kurdischen Staat an der türkischen Grenze verhindern hilft. Die NATO lärmt verbal, und wird hoffentlich nicht durch den Nationalismus des türkischen NATO-Partners in diesen Kriegsschauplatz hineingezogen.
Populisten sind feige und unfähig
All das weiß auch Herr Seehofer. Umso niederträchtiger sein Versuch, das Flüchtlingsproblem zum Anlass zu nehmen, die CSU nach rechts außen zu orientieren, um angeblich zu verhindern, dass sich Parteien rechts von der sogenannten christlichen und auch noch sogenannten sozialen Union zu etablieren. Seine lärmend vorgetragene angebliche Sorge, dass die Kanzlerin eine andere, ihm fremde „Vision von Deutschland“ habe, zeigt ausschließlich den rechtspopulistischen Drall des Christenmenschen Seehofer, der seine tatsächlich mangelnde Handlungsfantasie zur Durchsetzung grundsätzlicher Menschenrechte zudecken soll.
Populisten waren und sind in Wahrheit feige und unfähig zu politischer Gestaltung. Es würde nicht wundern, wenn Seehofer zudem darauf verweisen würde, dass Bayern das Grundgesetzt der Bundesrepublik 1949 mit 101 Nein- und 64 Ja-Stimmen nicht verabschiedet hat. Entsprechen fällt sein Amtseid aus, der ausschließlich „der bayerischen Verfassung (…) Treue schwört“.
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