Eiskönigin der Macht und Physikern der Politik – so oder so ähnlich wurde Angela Merkel in vielen Medien beschrieben. In den Verhandlungen mit dem griechischen Regierungschef Tsipras, nicht nur von seinen Kritikern als Pleitier eingestuft, zeigte sich die Bundeskanzlerin lange Zeit besonders hartnäckig; auf Griechenlands Straßen waren Plakate mit ihr zu entdecken, die – geschmacklos genug – sie in die Nähe von Adolf Hitler rückten. Aus ihrer Regierung verstieß sie Norbert Röttgen als Umweltminister, der in Nordrhein-Westfalen als CDU-Kandidat versagte, und auch Annette Schavan, die wegen ihrer Doktor-Arbeit in Schieflage geriet. Eher nüchtern denn charismatisch führte Angela Merkel die politischen Geschäfte, weit entfernt von Gefühlsregungen. Nur in der eigenen Bundestagsfraktion wurde sie schon früher als Mutti bezeichnet, die den politischen Kurs klipp und klar bestimmte. Das fand zwar nicht bei allen größte Zustimmung – vor allem dann nicht, wenn sie aus reinem politischen Kalkül alte Positionen aufgab und sich Themen ihres sozialdemokratischen Koalitionspartners zu eigen machte oder gar Anregungen aus dem “grünen Lager“ folgte.
Das Murren aus der Schwesterpartei CSU ist seit langem vernehmbar. Horst Seehofer und seine ihm ergebenen Gefolgsleute fahren regelmäßig schwere verbale Geschütze im Freistaat auf, doch in Berliner Koalitions- und anderen Runden zeigen sie sich als zahme Löwen. Nicht von ungefähr wird der Ministerpräsident aus Bayern von den Politakteuren im Bundestag als “Drehhofer“ oder “Seehase“ charakterisiert. Jedenfalls hat Angela Merkel aus Bayern wenig, ja nichts zu befürchten. Das gilt ebenso für die eigene Partei, deren Vorsitz sie führt. Hier ist das Thema “Wohlgefühl des Volkes“ angesagt. Mit einigen netten Veranstaltungen vor Ort, bei denen sich die CDU-Vorsitzende als “Kanzlerin zum Anfassen“ mitgliedernah präsentiert, wird das Parteivolk euphorisiert. Die junge Generation soll vor allem von CDU-Generalsekretär Peter Tauber digital für die Partei interessiert und gewonnen werden.
CDU stellt nur wenige Ministerpräsidenten
Lediglich schärfere Kritiker stellen heraus, dass unter der Herrschaft von Angela Merkel die CDU gerade noch in Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie im Saarland die Ministerpräsidenten stellt, dass sich auch in Großstädten in den letzten Jahren die Zahl der Oberbürgermeister minimiert hat. Per Saldo gibt es auch bei den jüngsten Wahlen in Nordrhein-Westfalen trotz der SPD-Schwächen nur sehr begrenzte Erfolge wie etwa in Bonn; in Köln hat es nicht einmal mehr für einen eigenen Kandidaten aus der CDU gereicht.
Als Angela Merkel nach dem Tsunami in Japan vor der letzten Landtagswahl in Baden-Württemberg urplötzlich und ohne jede Vorankündigung die “Wende von der Wende“ im Energiesektor verkündete, grummelten zwar einige Experten aus der Union. Doch der baldige Ausstieg aus der Kernenergie und die leidenschaftliche Hinwendung zu Sonne und Wind, als sanfte Energieträger waren so populistisch, dass sich viele davon einen großen Wählerzustrom versprachen. Inzwischen hegen nicht wenige Fachpolitiker Zweifel, ob denn in Zukunft diese Merkel-Wende Sicherheit, Umweltfreundlichkeit und Wirtschaftlichkeit überhaupt für das Industrieland Deutschland bringen kann.
Die deutschen Stromverbraucher zahlen für dieses Energie-Abenteuer nun Jahr für Jahr weit über 20 Mrd. €. Das politische Gefecht um dringend erforderliche Stromtrassen und –speicher geht in die nächsten Runden. Die großen Energiekonzerne wie RWE oder EON müssen viele Milliarden abschreiben – zu Lasten unserer gesamten Volkswirtschaft. Ob deren Rückstellungen für die Entsorgung und Endlagerung abgebrannter Brennstäbe aus Kernkraftwerken letztlich ausreichen werden, ist zudem nicht gesichert.
Warnzeichen nicht zu übersehen
Als Angela Merkel im Jahre 2010 in den nordrheinwestfälischen Wahlkampf eingriff, um Jürgen Rüttgers zu unterstützen, verkündete sie als ihre Strategie: Keinen Cent für Griechenland. Das war populär, dennoch wurde Rüttgers nicht wiedergewählt. Danach gab es inzwischen gleich 3 dicke Hilfspakete für das Pleite-Griechenland immer wieder mit der Merkel-Erklärung: Stirbt der Euro, stirbt Europa. Die Schar der Gefolgsleute aus der Fraktion schmolz von Paket zu Paket ab. Über 60 Bundestagsabgeordnete aus der CDU/ CSU-Fraktion verweigerten der Kanzlerin ihre Zustimmung. Das Warnzeichen war nicht zu übersehen.
Der Gegenwind bläst Angela Merkel inzwischen noch heftiger ins Gesicht. Die Flüchtlingskrise bringt sie in ein schweres Fahrwasser. Mit Blick auf den Strom von Asylbewerbern hatte die Kanzlerin ohne jede Vorankündigung das “Wir schaffen das!“ angesagt und eine Willkommens-Kultur für die Migranten aus Syrien, Afghanistan, Eritrea und anderen Regionen zum politischen Ziel erhoben. Das fand große Anerkennung in vielen Staaten, hat doch Deutschland damit “in der Flüchtlingskrise eine moralische Überlegenheit“ – so der britische Independent – erreicht. Auch in breiten Schichten der deutschen Bevölkerung kam dieses herzliche Willkommen der Bundekanzlerin zunächst gut an. In manchen Medien wurde sie als “Mutter Theresa der Flüchtlinge“ oder “Schutzheilige der Migranten“ hochstilisiert.
Positive Stimmung könnte kippen
Doch nun droht diese positive Stimmung zu kippen. Selbst der bislang nicht gerade optimal operierende Bundesinnenminister Thomas de Maizière, den die Kanzlerin stets stützte, sprach jüngst davon, alles sei “außer Kontrolle geraten mit der Entscheidung, dass man aus Ungarn die Menschen nach Deutschland holt.“ Ob das schon einer Schuldzuweisung an Merkel gleich kam, mag übertrieben sein. Aber in der CSU herrscht inzwischen helles Entsetzen über die Großherzigkeit von Angela Merkel. Ebenso gilt das für viele CDU-Bundes- und Landtagsabgeordnete, für Bürgermeister und Landräte, die mit der Flüchtlingsflut direkt vor Ort zu kämpfen haben. Denn es geht um Verhaltensweisen, Sprachkurse, Arbeit, Wohnungen und das Einbinden in strukturelle Abläufe, wie es der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter in der Fraktionssitzung am letzten Dienstag hervorhob.
Einige Weichen dafür wurden dann bei der Konferenz mit den Länder-Chefs im Kanzleramt gestellt – vor allem für die Finanzierung der Kosten in den Städten. Viele Milliarden Euro sind dafür aufzuwenden. Und es könnten noch mehr sein, wenn die Zahl der Asylbewerber nicht – wie jetzt geschätzt – bei 800.000, sondern bei 1 Million und mehr liegen wird.
Manche Politiker und viele Menschen im Lande fürchten inzwischen doch eine Überforderung und fordern eine Korrektur von Merkels emotionaler Entscheidung. Für die Integrationskultur bedarf es gewiss auch Herzlichkeit, doch vor allem rationaler Maßnahmen. Der Gegenwind bläst der Kanzlerin ins Gesicht und könnte noch stärker werden, wenn die nun eingeleiteten Schritte – von der Finanzierung über die Unterbringung bis zur Abschiebung von Nicht-Asylberechtigten – nicht bald Erfolge zeigen. Wichtige Landtagswahlen im Jahre 2016 könnten sonst für die CDU schlechter ausfallen als die aktuellen demoskopischen Befunde.
Bildquelle: Wikipedia, Armin Linnartz, CC BY-SA 3.0 de
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