Was für eine Woche? Mit Ereignissen, die sich überschlugen. Beispiel VW. Hätte irgendjemand geglaubt, dass der mächtigste Manager in Deutschland seinen Hut nimmt? Martin Winterkorn hatte schließlich erst im letzten Jahr den Machtkampf gegen den VW-Patriarchen Piech gewonnen. Oder sollte das ein Pyrrhus-Sieg gewesen sein? Wer zuletzt lacht…? Ausgerechnet Winterkorn, der VW zum größten Autokonzern der Welt ausgebaut hat? Volkswagen, unser aller Konzern, die Firma mit dem Käfer, den im Grunde jeder Deutscher mal gefahren hat. Den sicher mancher Manager beneidete um seinen Job, seinen Einfluss. Und jetzt ist der weg, zurückgetreten, VW ohne Winterkorn, geht das denn?
Andererseits muss man die Frage stellen, ob einer wie Winterkorn, den Experten für den besten Schrauber der Welt halten, der über alles Bescheid wusste, was in seinem Konzern passierte, der das Auto in all seinen Einzelteilen kannte, ausgerechnet der soll über den Abgas-Betrug bei VW in den USA nichts gewusst haben? Keinen Hinweis gehabt haben, was da für ein Manöver lief? Es ist doch unvorstellbar, dass ein einziger diesen gewollten Betrug zu verantworten hat. Mag sein, dass es einer erdacht hat, aber der muss mit anderen Verantwortlichen darüber gesprochen, er muss sich grünes Licht besorgt haben, damit andere in der Planungsabteilung die Arbeit aufnahmen. Und als sie fertig war, musste sie doch eingebaut worden sein. Nein Freunde, da waren viele Köpfe beteiligt. Das Spiel ist noch nicht beendet.
Bayern fegten die Wölfe vom Platz
Das Image des Konzerns der Deutschen ist mindestens angeschlagen, die Aktie rauschte in den Keller, es passte ins Bild, dass die „Wölfe“, so nennt man die Kicker des VfL Wolfsburg, von den Bayern binnen neun Minuten vom Platz gefegt wurden. 5:1, ein Pole hat die Wolfsburger deklassiert, von wegen Bayern-Jäger. Vauwe, auwe, könnte man sagen. In einem Leserbrief des „Bonner Generalanzeigers“ erinnert ein kenntnisreicher Zeitgenosse an „das Schicksal vieler Imperien, die nicht wegen mächtiger Gegner an Bedeutung verloren oder gar zusammenbrachen, sondern weil sie im Innern verfielen, da sie Macht und Gier vor Recht und Moral stellten“. VW könnte dieses Schicksal teilen, stellt der Leser fest.
Finanziell muss sich einer wie Winterkorn keine Sorgen machen. Der Konzern habe, so lese ich in der „Süddeutschen Zeitung“, für den 68jährigen Mann Pensionsansprüche in Höhe von 28,6 Millionen Euro zurückgelegt. Zudem laufe sein Vertrag bis Ende 2016. 2014 habe der bestbezahlte Dax-Manager 16 Millionen Euro verdient. Aber ich glaube, die Zahlen sind Brutto, da müssen noch Steuern und Sozialabgaben abgerechnet werden.
Gerade höre ich, dass Minister Dobrindt gesagt hat, in Deutschland seien von dem Abgas-Betrug 2,8 Millionen Autos betroffen. Ob mein Tiguan, 2.0 TDI, Baujahr 2010, dabei ist?
Sportwagen, Uhren, Goldbarren
Bleiben wir noch beim Thema Manager und deren Verantwortung, es ist schließlich die Elite der Nation. Nein, über Thomas Middelhoff ist vorerst alles gesagt, die gesuchten Millionen sind, falls es sie überhaupt gibt, noch immer nicht gefunden. Heute geht es um einen der spektakulärsten Prozesse der deutschen Nachkriegszeit, die Medien, darunter die SZ, berichten darüber ausführlich. Es ist ein Stoff für einen Krimi und mehr. Im Frankfurter Landgericht sind die Manager der Firma S&K angeklagt, sie sollen die Anleger um sage und schreibe 240 Millionen Euro betrogen haben. Die beiden Hauptangeklagten, ein 34- und ein 36jähriger, sitzen schon seit zwei Jahren und sieben Monaten in Untersuchungshaft. Sie halten sich, wie könnte es anders sein, für unschuldig. Die S&K-Immobiliengruppe soll im Zeitraum von 2008 bis 2013 rund 11000 Anleger um die oben genannte Summe übers Ohr gehauen haben, Geld, das in dieser Größenordnung bisher nicht entdeckt werden konnte. Mit einem Großteil des Geldes hätten sie ihren luxuriösen Lebensstil finanziert.
3000 Seiten ist die Anklageschrift dick. Bei einer bundesweiten Razzia 2013 gegen S&K wurde ein Vermögen im Wert von 55 Mio Euro sichergestellt: Sportwagen, Luxus-Uhren, Goldbarren, Immobilien, was man so braucht für ein beschauliches Leben. Warten wir ab, wie der Prozess weitergeht und irgendwann endet. Übrigens saßen die Angeklagten in Fußfesseln im Gericht, weil einer von ihnen vor Jahr und Tag bei einer mündlichen Verhandlung trotz Handschellen aus dem Fenster des im 1. Stock gelegenen Raumes gesprungen war, immerhin aus fünf Metern Höhe. Der Mann hatte sich dabei verletzt, er musste ins Krankenhaus. Falls die Herren verurteilt werden sollten, müssen sie ein paar Jahre in Haft.
Europa in schlechtem Zustand
Europa ist in einem schlechten Zustand. Dies hat kein Geringerer als Martin Schulz, EU-Parlamentspräsident, dieser Tage zu Recht behauptet. Der Streit um die Verteilung der Flüchtlingshilfe hat eine Europäische Union aufgezeigt, die das Wort Union fallen lassen sollte. Der Riss geht tief durch Europa, von Wertegemeinschaft ist in einigen Ländern keine Rede mehr. Eher macht sich zunehmend Egoismus breit, jedes Land möchte möglichst viel kassieren und wenig bezahlen und überhaupt möglichst nicht belastet werden. Zäune werden hoch gezogen wie einst Mauern errichtet worden waren. Ausgerechnet Ungarn machte sich hier einen Namen, Ungarn, das sich einst 1956 vergeblich gegen den Sowjet-Kommunismus wehrte und von Panzern zur Räson gebracht wurde, Ungarn, bekannt und berühmt für seinen Goulasch-Kommunismus, Ungarn, das als erstes Ostblock-Land 1989 den Grenzzaun öffnete und Flüchtlinge aus der DDR ins Land ließ. Jetzt müssen sich Flüchtlinge in Ungarn vor Angriffen mit Tränengas schützen. Der Mann, der das zu verantworten hat, heißt Viktor Orban, Ungarns Regierungschef, der gerade zu Gast war bei Horst Seehofer und seiner CSU anlässlich der Tagung im Kloster Banz. Na, die beiden werden sich gut verstanden haben. Sie sind sich einig in ihrer Gegnerschaft zu Merkels Flüchtlingspolitik, rücksichtslos ist das und egoistisch.
Bischöfe gegen Rassismus und Fremdenhass
Da hat mir die Erklärung der deutschen Bischofskonferenz bei ihrer Tagung in Fulda besser gefallen. „Fremdenfeindlichkeit und Rassismus“, heißt es da, „sind für Christen unannehmbar. Der gesellschaftliche Frieden kann bei uns nur gesichert werden, wenn Deutschland seine Kultur der Integration weiterentwickelt.“ Wie hatte noch der ehemalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler kürzlich bei Markus Lanz über Orban geurteilt: „Orban ist ein nationaler und religiöser Rassist“. Klare Worte eines alten Mannes. Er erinnerte an die Pflicht eines Christen zur Nächstenliebe gegenüber Menschen, die in Not seien. Zugleich blickte Geißler auf die deutsche Nachkriegsgeschichte: Wir, die Deutschen, seien wieder was geworden, weil die anderen uns damals geholfen hätten. Wohl wahr. Wie klein kariert der bayerische Ministerpräsident dagegen wirkt.
Von ganz unten nach oben: Schröder
Dann gab es da noch einen Termin, der durch den Auftritt von Angela Merkel zum Ereignis wurde, weil sie die neue Biografie über ihren Amtsvorgänger von der SPD, Gerhard Schröder, vorstellte und dabei ausdrücklich die Arbeit des früheren Kanzlers lobte. Über 1000 Seiten, um Leben und Leistungen Schröders zu würdigen, dürfte den Ex-Kanzler gefreut haben, der sich seinen Teil gedacht haben wird. Nun, sein Weg von ganz unten nach ziemlich oben ist mindestens respektabel. Und Schröder vergaß nicht darauf hinzuweisen, dass auch an Merkels Wiege nicht dieser Aufstieg zur Kanzlerin gesunden worden sei. Zur aktuellen Politik äußert er sich schon lange nicht mehr, aber dass seine in Teilen seiner Partei sehr umstrittenen Reformen der Wirtschaft dieser Republik zu einem beinahe sensationellen Aufschwung verholfen haben, um den uns die Nachbarn beneiden, ist nicht zu bestreiten.
Dem einen oder anderen politischen Beobachter werden bei der Buch-Präsentation so manche Gedanken durch den Kopf gegangen sein. Zum Beispiel dieser: Was wäre denn wohl aus Merkel geworden, wenn Schröder damals, am Abend nach der von ihm hauchdünn verlorenen Wahl, sich nicht so robust und laut gegen Merkel gewandt hätte? Warteten da nicht draußen die Kochs und Wulffs und die anderen Länderchefs, um die CDU-Frau von ihrem Weg ins Kanzleramt abzuhalten, höflich formuliert? Sie selber reagierte bei der Buch-Vorstellung auf ihre Weise auf Schröders damalige Einlassungen: Sie sei froh gewesen, dass andere geredet hätten. Aber wie sagte doch der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück mehrfach auf solche Hätte-Konstellationen: Hätte, hätte, Fahrradkette.
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