So wie Baltisk der Vorhafen von Kaliningrad ist, so ist das Gdingen für Gdansk. Knapp 150 Kilometer Luftlinie liegen diese beiden Städte nur auseinander. Tatsächlich ist die Entfernung viel beträchtlicher und in den vergangenen Jahren noch größer geworden. Für die 23jährige Danuta aus Lemberg hat das mit „der gewalttätigen russischen Außenpolitik“ zu tun, wie sie sagt. Eigentlich interessiere sie sich gar nicht so sehr für Politik, aber was „die Russen da im Osten machen“ findet sie ganz furchtbar. Ihre 24 Jahre alte Freundin Elzbieta nickt entschlossen. Die beiden jungen Frauen studieren Musik in Danzig. Danuta Violine. Elzbieta Bratsche.
Sie haben sich an diesem sehr sommerlichen Vormittag mit Freunden verabredet, nachdem sie von einer langen Reise zurückgekommen sind. In Krakau und Lemberg sind sie gewesen. Das graue Ehrenmal auf der Westerplatte in Gdingen ragt ist sehr hoch und wirft einen langen Schatten über die zum Hafen abfallen Terrassenstufen. Hier haben die Deutschen den 2. Weltkrieg begonnen. Polen überfallen. Wahrscheinlich gibt es im Nachkriegspolen keinen Schüler, der nicht wenigstens einmal auf der Westerplatte war. Gleichzeitig ist das Mahnmal ein beliebter Treffpunkt vor allem im Sommer. Für Touristen, junge Leute vor allem, Straßenmusikanten.
In Lemberg sind Danuta und Elzbieta das erste Mal gewesen: „Wir hatten vorher Joseph Roth`s „Reisen in die Ukraine und nach Russland“ gelesen, das hat uns sehr geholfen,“ erzählen Obwohl sie davon in Lemberg nichts gemerkt hätten und es ihnen dort auch gefallen habe, sei es ein mulmiges Gefühl gewesen in einem Land zu sein, in dem Krieg herrsche. Polen und Ukrainer haben sich in ihrer langen Geschichte sehr häufig gar nicht vertragen. Ganz so einfach ist das Verhältnis immer noch nicht, aber es gibt einen gemeinsamen Feind. Das ist Russland. Kaum jemand scheut sich in Danzig das auszusprechen. Auch Danuta und Elsbieta nicht. Das ehemalige Fischerdorf Gdingen hat unterdessen 250 000 Einwohnen. Es ist ein Handels- und Werftzentrum. Fischer gibt es auch. Und die Touristen, die nach Danzig kommen werden auch zur Westerplatte gebracht.
2
Danzig. Die Straße Szeroka beginnt gleich hinter dem imposanten Krantor. Ein Stück weiter hinaus ist die Galeria SAS von Elzbieta Komarnicka. Die ältere Dame verkauft in ihren hellen Räumen vor allem Danzigmotive. Viele von ihnen sind entlang des Flusses Motlawa zu finden. Lastkähne und Segelschiffe im 19. Jahrhundert haben am Krantor festgemacht. Werden gelöscht. Entladen. – Auf den Treppenstufen des Eingangs zur Galerie sitzt Henryk, ein junger Maler. Henryk malt auch Danziger Motive. Toll findet er das nicht, aber er bestreitet damit einen wesentlichen Teil seines Lebensunterhalts. Den Rest verdient er sich durch privaten Zeichenunterricht. „Hier in der Rechtstadt ist alles Kulisse. Mittelalter.“ Die Rechtstadt ist das alte Zentrum Danzigs. Die Wehr zertrümmerte es gleich zu Beginn des Überfalls 1939 und zum Ende des Kriegs schossen die sowjetische Truppen es noch einmal zusammen. Mittlerweile ist es prächtig wieder aufgebaut. Anders als dasjenige von Königsberg, das noch heute ruiniert ist. Ein bisschen stolz auf seine Stadt ist Henryk schon. Er mag den sommerlichen Touristenrummel nicht. „Wir gehören zum Westen und das sieht man. Die Russen sollen bleiben wo sie sind.“
Nur wenige Schritte von der Galeria SAS entfernt ist das „Pod Lososiem“ eine Institution in Danzig – im gesamten Ostseeraum. Das 1598 gegründete Restaurant „Unter dem Lachs“. Der polnische Papst hat hier einen auf Dampf gegarten Zopf aus Seezunge und Lachs mit Spinat und Krebsbutter gegessen. Deutsche, polnische. US-amerikanische Präsidenten aßen hier, tranken polnisches Bier. Ein Foto von Gerhard Schröder hängt im Empfangsraum. Der Empfangschef Kasimierz ist ein gebildeter, distinguierter, älterer, hoch gewachsener Herr mit schütterem Haar. Er spricht ein sehr gepflegtes Deutsch: „Meine Tochter hat in Hamburg studiert und lebt jetzt dort. Ich war auch eine Zeit lang in der Hansestadt an der Elbe, bin dann aber wieder hierher zurückgekommen, weil wir nach 1945 noch nie so gute Zeiten hatten in Polen wie jetzt.“ Dann fügt er etwas ernster hinzu: „Und weil wir und sie Frieden haben und wir die Sowjets los sind.“
Ende
Bildquelle: Wikipedia, Nikater ,CC BY 3.0
Lieber Herr Hafkemeyer,
als erstmaliger Besucher Ihres Blogs (veranlasst durch einen guten Beitrag über Erhard Eppler) habe ich eine Reihe von russlandfeindlichen Posts gesehen, die mich in ihrer Einseitigkeit und Unfairness bedrückt haben.
Teilen Sie nicht die Überzeugung von Herrn Eppler, dass die grösste Gefahrenquelle, die von Russland ausgehen könnte, in dessen Demütigung liegt ? Meinen Sie, dass wir besser dran sind, wenn wir Russland mit aller Gewalt an die Seite Chinas treiben ?
Herzliche Grüsse, Ulf Cihak