Nun war sie da die Kanzlerin und fand in Heidenau Worte, die Abscheu deutlich machten. Abscheu auch am Tag davor bei Sigmar Gabriel. „Wir sind das Pack“: Das Echo auf seine Worte am Straßenrand, an dem sich Heidenauer Bürger einfanden, um der von ihnen als „Volksverräterin“ gekennzeichneten Angela Merkel das Geleit in die Flüchtlingsunterkunft zu geben. Auch Bundespräsident Gauck war in einer Unterkunft in Berlin und teilte das Land in Hell- und –Dunkeldeutschland. Alle drei mühten sich sprachlich ab, um dem Ausdruck zu geben, was gegenwärtig an erschreckender menschlicher Kälte gegenüber den Flüchtlingen zu spüren ist, die in unserem Land Sicherheit und Hilfe erhoffen.
Ja es gibt sie auch, wunderbare Beispiele freiwilliger Hilfe, die ein völlig anderes Bild vermitteln, und die wohl auch eine stattliche Mehrheit in unserem Land repräsentiert. Aber, wo auch immer gegenwärtig die Politik nach Worten sucht, hören wir nichts, was Orientierung geben oder über Abscheu hinausweisen würde. Mehr noch, der SPD-Vorsitzende Gabriel zeigt sich sprachlich Hilflos im Umgang mit dem unaussprechlichen Grauen über Nachrichten, die von niedergebrannten Unterkünften berichten. Brandbeschleuniger, die gezielte in Gebäude geworfen werden, damit der Zuzug von Flüchtlingen möglichst verhindert wird.
Und schon wird deutlich, beide Gabriel und Merkel machen nicht den Eindruck, sie wüssten worüber jetzt zu reden, also aufzuklären wäre. Ekel vor den Hasstiraden rechtsextremer Schläger oder verhetzter Wutbürger reicht wohl nicht aus. Auch nicht, das hinter den Anschlägen Bürger stehen, deren unfassliche Äußerungen vor Mikrofonen und Kameras oder im Internet deutlich machen, dass sie sich rechthaberisch über Menschen äußern, die Haus, Hof und Heimat hinter sich lassen mussten und denen zugleich jedes denkbare Fehlverhalten unterstellt wird. Das ist in einem Maße gruppenbezogene Unmenschlichkeit, die in diesem Land vor 70 Jahren schon einmal den Herrenmenschen herauskehrte und zu Massenmord an allen führte, was dem völkischen Wahnsinn der Nazis fremd war.
Gabriel versucht das klein zu reden, er spricht von einer „verschwindend geringen Minderheit“ im Land, die das Bild Deutschlands verdüstert. Es wird Zeit aufzuwachen. Jede Umfrage über Deutsche Zustände weist einen Teil von bis zu 15 Prozent der Deutschen aus, die dem rechtsextremen und autoritären Spektrum zuzuordnen sind. Das Bundesamt für Verfassungsschutz verweist in seinem letzten Bericht auf mehr als zehntausend gewaltbereite Rechtsextreme im Lande. Seit dem Fall der Mauer sind mehr als 180 Tote, Opfer rechtsextremer Gewalt zu beklagen und viele hunderte Verletzte, die traumatisiert und arbeitsunfähig auf der Strecke blieben. Der nationalsozialistische Untergrund (NSU), der in München vor Gericht steht, hat zudem deutlich gemacht, dass in den Polizeien von Bund und Ländern rassistisches Denken keine Ausnahme ist. Alles nachlesbar in den Berichten der einschlägigen Untersuchungsausschüsse im Bundestag und in den Länderparlamenten.
Es gilt, sich ehrlich zu machen, auch über den wachsenden Rechtsextremismus im Innern. Eine verschwindend geringe Minderheit ist das nicht. Weder in der EU noch in den Hauptstädten der Mitgliedsländer, in denen rechtspopulistische Parteien groß werden, gibt es bislang eine Antwort auf die Erstarkung der rechten Ränder. Es steht also einiges auf dem Spiel, was endlich eine politische Antwort erfordert. Es geht um Solidarität mit denen, die flüchten müssen und es geht darum, was neben der Fürsorge für die Menschen, die zu uns kommen, getan werden muss, damit die Fluchtursachen gemindert und die eigenen Anteile der Industrieländer daran, überwunden werden. Wir brauchen neues Denken, das in eine Friedenspolitik mündet, die Süd und Nord und Ost und West einbezieht. Mithin eine Politik, die nach innen und nach außen Wirkung zeigt.
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Herr H. macht einen falschen Gegensatz zwischen der offziellen
Asylpolitik und den rechsradkalen Blüten derselben. Es wird ver-
wischt, dass es einen engen Zusammenhang zwischen beidem
gibt: Der staatlichen Ausländerpolitik inhärente Abgrenzung zwi-
schen Aus- und Inländern, das berechnende Verhältnis zu
Fremden, unter welchen Vorbehalten auch immer diesen
in bestimmt umgrenzten Umfang Aufenthaltsrecht zu gewäh-
ren, ist der Nährboden, auf dessen Grundlage eine allge-
meine Distanz gegenüber Ausländern seitens des gewöhn-
lichen Staatsbürgers aufgebaut wird – bis hin zu regelrechter
Ablehnung von Menschen fremder Herkunft, die sich darauf
beruft, als Inländer vorgeblich bevorrechtigter Menschenschlag
zu sein – welches absolut gesetztes deutsch-nationales Vor-
recht durch Fremdländische angegriffen gewähnt wird.
Es geht also die Vorstellung des Herrn Heye fehl, im Rechts-
radikalismus und seiner Fremdenfeindlickeit ein von offizieller
Staatsräson in Bezug auf Ausländer/Flüchlinge getrenntes
Phänomen zu sehen: Rechtsradikalismus ist radikalisierte
Parteinahme für deutsch-nationale Bevorrechtigung im Ver-
hältnis zu Angehörigen anderer Nationen, eben mit dem
Diktum des unbedingten Ausschlussen der letzteren.
Deshalb ist eine abstrakte Fürsprache für Flüchtlinge auch
keine adäquate Antwort auf rechtsnationale Hetze und
Verfolgung von Auswärtigen – solange diesen nämlich nicht
der Boden für ihre ausgrenzende Deutschtümelei entzogen
ist. – Aber da ist eher Skepsis angesagt, dass die Offiziellen
der Politik i h r e Art der In-/Ausländerscheidung in Frage
stellen. Eher bleibt es dabei, einzig mit den Waffen des
Rechts den Rechten Einhalt zu gebieten. Der Widerspruch
ist damit nicht aufgelöst, Rechtsnationalistisches auf den
Index zu setzen, ohne dessen Nährboden abzugraben.