Mehr Flüchtlinge als erwartet, kommen 2015 nach Deutschland. Doch das Flüchtlingsproblem geht nicht von den Flüchtlingen aus, sondern in erster Linie von der Konzeptlosigkeit von Bund und Ländern.
Die Zahlen des Innenministeriums lösen Besorgnis aus: Mit 800 000 Flüchtlingen rechnet Innenminister De Maizière (CDU) dieses Jahr. Wie soll Deutschland diese Zahl bewältigen? Für deren Unterkunft benötige es eine Flüchtlingsstadt von der Größe Frankfurts, gibt der Journalist Roland Tichy gibt bei seinem Auftritt bei Maischberger zu bedenken. Also brauchen wir ein Flüchtlingsghetto um alle beieinander zu halten?
Der Frankfurt-Vergleich dient natürlich nur der Veranschaulichung, trotzdem verbreiten sich immer absurdere Vorschläge. So fordert der Aufmacher der Zeit heute mit der Abkopplung Sachsens von der Bundesrepublik einen Säxit, um den Rest des Landes vom Fremdschämfaktor Fremdenhass operativ zu befreien. Ist also eine Rassismus-Hochburg kurz vor Berlin des Rätsels Lösung? Immerhin könnte eine Rettungsaktion alle bis dato in den braunen Tiefen des Landes gestrandeten Flüchtlinge evakuieren und in Länder verfrachten, in denen weniger Anschläge auf Asylbewerber verübt werden. Und alle hilfsbereiten, demokratischen Bürger Sachsens bleiben ohne weiteres auf sich selbst gestellt- nach dem Motto: das Leben ist kein Ponyhof, also schwimmt in der braunen Suppe oder wandert aus- ins politisch korrekte Deutschland.
Säxit gegen Rassimus?
Ein Blick auf die Karte zeigt allerdings, dass nicht nur Sachsen ein Rassismus-Problem hat, die Gewalt verteilt sich großzügig auf das gesamte Bundesgebiet. Also fällt ein Säxit doch weg? Wie wäre es stattdessen mit ehrlichen Vorschlägen, denn Deutschland braucht Menschen. Arbeitswillige Jugendliche, Akademiker und ausgebildete Fachkräfte zu vergraulen kann sich eine alternde Gesellschaft nicht leisten. Deutschland alleine wird nicht für die Rente der nächsten Generationen aufkommen können. Auch die Landflucht führt mittlerweile zur Verödung ganzer Ortschaften und Landstriche – es gibt Platz in Deutschland, wir brauchen nur ein kluges Konzept, von dem beide Seiten profitieren.
Die niedersächsische Stadt Goslar ging durch die Presse, als Oberbürgermeister Oliver Junk (CDU) vergangenes Jahr mehr Flüchtlinge aufnehmen wollte. Die Stadt schrumpfe seit Jahren, wo es in anderen Städten an Wohnraum fehle, stünde in Goslar Wohnraum leer, so Junks Überlegung. Ein naiver Vorschlag? Zumindest eine PR-Aktion wurde ihm unterstellt. Die wäre den untergekommenen Flüchtlingen im Zweifelsfall gleichgültig. Doch eine Umverteilung wurde bisher vom Land abgelehnt und falle nicht in den Zuständigkeitsbereich des OB. Dabei sind es gerade unbürokratische, schnelle Ansätze, die den Ländern jetzt unter die Arme greifen würden.
Am 24. September soll in Berlin ein Flüchtlingsgipfel zwischen Bund, Ländern und Gemeinden stattfinden, der finanzielle Unterstützung und die Verteilung endlich klären könnte. Die Frage ist, warum noch über einen Monat warten? Schließlich geht es um das Wohlergehen von Menschen. Daran erinnerte auch das Facebook-Team der Bundesregierung gestern in einem gelungenen Post, der zum Schluss den wichtigsten Aspekt der Debatte betont: „Vergessen wir nie, dass wir über Menschen sprechen“.