Am 6. September feiert die CSU ihr großes politisches Vorbild, ihren „Übervater“ Franz Josef Strauß. An diesem Tag, vor 100 Jahren, ist Strauß auf die Welt gekommen. Strauß, eine der schillerndsten Figuren der deutschen Nachkriegsgeschichte, starb vor 27 Jahren, nachdem er während einer Hirschjagd in der Nähe von Regensburg bewusstlos geworden war. Franz Josef Strauß, der langjährige CSU-Parteichef, bayerische Ministerpräsident, Bundesfinanzminister der großen Koalition unter dem Kanzler Kurt Georg Kiesinger, gescheiterter Kanzlerkandidat der Union gegen den Bundeskanzler Helmut Schmidt(SPD). Strauß, Held oder Bösewicht? Edmund Stoiber, einer seiner politischen Schüler, pries ihn als „einzigartigen Politiker“ und als „prägende Figur“ der CSU, vor der er sich verneige. So der frühere Ministerpräsident von Bayern, Stoiber. Strauß also einer der großen bayerischen Politiker Nachkriegsdeutschlands, ein Vorbild gar? Das findet Wilhelm Schlötterer überhaupt nicht, der Autor des neuesten Werkes über Strauß und seine Arbeit. Schlötterers Buch „Wahn und Willkür, Strauß und seine Erben oder Wie man ein Land in die Tasche steckt“, ist eine einzige Abrechnung mit Strauß.
Das Buch ist eine Fortsetzung des Werkes von Schlötterer „Macht und Missbrauch“, erschienen 2009. Schon damals schilderte er den fragwürdigen Umgang von Strauß mit der Macht. Ein Buch, das für Aufsehen sorgte, aber ansonsten nichts veränderte. Die CSU ist nun mal die Staatspartei und ihr Vorteil ist, dass es keine schlagkräftige Opposition gibt. Die SPD ist in Bayern kaum größer als eine Sekte. Wenn sie auffällt in der Öffentlichkeit, ist es eher durch innerparteiliche Konflikte, der politische Gegner, die CSU, hat von ihr nichts zu befürchten.
„Kontakte zu Waffenhändlern, nie vollständig geklärte Geldzuflüsse in Millionenhöhe, Steuermauscheleien, Einflussnahme auf Strafverfolgungsorgane, Günstlingswirtschaft, Verfolgung Unschuldiger und Korruption- als Hüter von Recht und Ordnung getarnt, glich Franz Josef Strauß einer vielköpfigen Hydra, die nach Macht gierte, um sie skrupellos zu missbrauchen.“ So urteilt Wilhelm Schlötterer. Das alles steht in einem Anschreiben des Verlags anlässlich des Erscheinens des oben erwähnten Buches. Starker Tobak, keine Frage. Aber Schlötterer, langjähriger und legendärer oberster Steuerfahnder im Freistaat, hat das „System Strauß“, das bis heute „die bayerische Politik prägt- Korruption, Mobbing, Strafvereitelung, Begünstigung“(Schlötterer)- kennengelernt. Er hat, folgt man dem Verlags-Schreiben weiter, die Amigo-Affäre ausgelöst und den Fall Mollath aufgedeckt. Und jetzt prangert er im Jubiläumsjahr von Strauß die Missstände in Bayern unerbittlich an.
Schlötterer hat sein Buch in allen Kapiteln und Wort für Wort rechtlich absichern lassen. Sonst, wer weiß…! Aber lassen wir den Autor sprechen, der seit 37 Jahren Mitglied der CSU ist. Beispiele liefert er viele. „Strauß kannte keine Ehrlichkeit“, steht da auf Seite 158. Und wenige Zeilen danach: „Strauß kannte keinen Respekt. Nicht seiner Frau gegenüber, die schon bald nach der Heirat von Frauen- und Prostituiertengerüchten hören musste. Nicht Ministern gegenüber, die er anbrüllte wie Max Streibl, Karl Hillermeier und Prof. Hans Maier. Oder die er per Rufmord herabwürdigte wie Franz Heubl und Bruno Merk.“ Ein paar Zeilen weiter heißt es: „Strauß kannte keine Verantwortung. Andernfalls hätte er als Bundesverteidigungsminister in der hochgefährlichen Kuba-Krise nicht volltrunken in einem Gebüsch herumgelegen, es hätte die Beschaffungsaffären beim Aufbau der Bundeswehr nicht gegeben-und keine Spiegel-Affäre.“ Und weiter: „Strauß kannte keine Achtung vor dem Recht“, behauptet Schlötterer. Und: „Er kannte keine Disziplin.“
Strauß als Vorbild? Für Stoiber gewiss. Für Horst Seehofer ebenso. Strauß der Schöpfer des modernen Bayern. Markus Söder, der so gern in die Fußstapfen von Strauß treten würde, will, dass Strauß in die Heldengalerie kommt, Ramsauer plädierte dafür, Strauß einen Platz in der Walhalla, dem Ruhmestempel bei Donaustauf, zu geben.
Man werfe, Schlötterers Buch lesend, einen Blick auf das Kapitel der HS-30-Schützenpanzer-Affäre. Strauß, der Verteidigungsminister hatte bei einer Schweizer Firma 10 680 Schützenpanzer bestellt, obwohl das Unternehmen keinen Prototyp vorweisen konnte. „Sie hatte noch nie einen Schützenpanzer gebaut.“ Sagt Schlötterer. Dennoch zahlte Strauß einen Vorschuss von 250 Millionen DM. Eine unheimliche Affäre mit Schmiergeldzahlungen u.a. an einen Starnberger Arzt, so der Autor. Die Firma konnte nicht liefern. Zu Strauß-Zeit als Verteidigungsminister zählt auch die Starfighter-Affäre. Oder die Spiegel-Affäre. Oder oder oder.
„Für viele steht fest: Strauß war der skrupelloseste und gierigste Politiker seit Bestehen der Bundesrepublik.“ Schreibt Schlötterer, der kaum ein gutes Haar an Strauß lässt und dazu auch Geschichten über das Privatleben des Herrn zum Besten gibt. Man lese es nach.
Nun zu Horst Seehofer. „Den Leuten eins überbügeln- das ist seine Art zu kommunizieren“, zitiert Schlötterer einen Bericht der „Süddeutschen Zeitung“, in dem ein Mitglied des CSU-Vorstands zitiert wird. Horst Seehofer, Nach-Nach-Nachfolger von Strauß mit Methoden, die man auch von Strauß kannte.
Es ist halt wie immer, wenn Parteien zu lange und nahezu ohne Konkurrenz regieren, wie das in Bayern der Fall ist. Die CSU und ihre Chefs können machen, was sie wollen, die Wählerinnen und Wähler geben ihnen auch mangels Alternativen beim nächsten Mal wieder ihre Stimmen. Es war schon eine Sensation, als vor Jahren mal die CSU die absolute Mehrheit verpasste und dann ein paar Jahre mit der FDP zusammen regieren musste. Aber natürlich wurde das beim nächsten Urnengang wieder korrigiert und selbstverständlich liegt die CSU, die ja einst das weißblaue Bayern erfunden hatte (so der legendäre SZ-Autor Riehl-Heyse), in Umfragen auf absolute-Mehrheit-Kurs.
Wilhelm Schlötterer: Wahn und Willkür. Heyne-Verlag, Verlagsgruppe Random House München. 2015. 463 Seiten. 9.99 Euro