Geht er vorzeitig oder bleibt er noch bis zur nächsten Bundestagswahl Mitglied des Deutschen Bundestages und der Unions-Fraktion? Selten hat eine entsprechende Andeutung einer Drohung mit Rücktritt eines Politikers für solchen Wirbel gesorgt. Und jetzt hat sich Wolfgang Bosbach(63) mit seinen Parteifreunden in Bergisch-Gladbach beraten und beschlossen, dass er den Vorsitz des Innenausschusses des Bundestages im September niederlegen werde. Also ein Rückzug auf Raten?
Wolfgang Bosbach sitzt seit 1994 im Bundestag. Er ist in den letzten Jahren ein sehr bekannter Parlamentarier geworden. Kaum eine Talkshow ohne sein Mitwirken, Bosbach ist auf allen Sendern zu sehen gewesen und wird es weiter sein. Immer wenn es um Griechenland geht, Bosbach ist dabei. Seine seit langem bekannte kritische Haltung zu weiteren Finanzhilfen an Hellas, dezidiert und pointiert vorgetragen, hat dafür gesorgt. Seine Meinung ist gefragt. Er ist der Talkshow-Star.
Nun ist Wolfgang Bosbach nicht irgendein beliebiger Abgeordneter, der Mann aus Bergisch-Gladbach ist kein Hinterbänkler, er war schon mal Vize-Chef der Unionsfraktion. Und bei der letzten Regierungsbildung hatte man eigentlich mit einem Minister Bosbach gerechnet, zum Beispiel für das Innenressort. Daraus wurde bekanntlich nichts, was aber seine öffentliche Bedeutung nicht schmälerte. Und als Vorsitzender des wichtigen Innenausschusses des Bundestages hatte er viele Möglichkeiten, sich zu fast allen politischen Fragen zu äußern. Meinungsstark war Bosbach immer und er hat sich auch nie vor einer eigenen Meinung, auch wenn diese nicht mit der der Parteiführung übereinstimmte, gedrückt.
Der Mann, um den es hier geht, ist ein nicht selten gut gelaunter Rheinländer, der es versteht, Karneval zu feiern und danach wieder ernsthaft Politik zu betreiben und der darüber hinaus noch eine funktionierende Familien hat: verheiratet, drei Töchter. Aber Bosbach hat sich auch nicht gescheut, seine Gesundheitsakte dem öffentlichen Publikum zu offenbaren. So hörte man von ihm von seinen Herzproblemen. Später ließ er auch über das Fernsehen die Menschen wissen, dass er schwer an Prostatakrebs erkrankt sei, die Rede war sogar von unheilbar.
Zusammenstoß mit Minister Pofalla
Vor Jahren geriet er mit Kanzleramtschef Roland Pofalla aneinander, weil Bosbach gegen eine Erweiterung des Europäischen Rettungsschirms gestimmt hatte. Und Pofalla, immerhin Vertrauter der Kanzlerin Angela Merkel und ein einflussreicher CDU-Politiker aus NRW, fuhr Bosbach an: „Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen.“ Als diese Beleidigung öffentlich wurde, entschuldigte Pofalla sich bei Bosbach, der die ausgestreckte Hand des Ministers annahm. Ob das Verhältnis wirklich wieder besser geworden ist, ist unbekannt. Pofalla ist längst nicht mehr Minister, sondern aufgestiegen in den Vorstand der Deutschen Bahn.
Die politische Zukunft von Wolfgang Bosbach würde man wahrscheinlich nicht so angestrengt diskutieren, wenn er allein auf weiter Flur in der Union wäre. Aber bei der letzten, sehr umstrittenen Abstimmung in Berlin vor ein paar Tagen gab es in der Union immerhin 65 Abweichler, die den Kurs der Regierung der großen Koalition nicht stützten, und damit auch Nein zur Griechenland-Politik von Angela Merkel sagten. Zwar hat Bosbach mehrfach betont, dass er auf keinen Fall gegen Merkel sei, aber im Fall von Griechenland nicht anders könne als mit Nein zu votieren.
65 Nein-Stimmen, das ist eine Menge Holz. Man muss dabei bedenken, dass es schon bei früheren Abstimmungen zu Athen
erhebliche Bedenken in der Unions-Fraktion gab, die sich in persönlichen Erklärungen wiederfanden. Und dass sich auch einer der wichtigsten Minister im Kabinett Merkel, nämlich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, dahingehend geäußert hat, dass ihn niemand zwingend könne, etwas zu tun, was er nicht wolle und dass er in einem solchen Fall auch zum Bundespräsidenten gehen könne, hat für weiteres Aufsehen gesorgt. Schäuble hatte u.a. für einen zeitweisen Austritt Griechenlands aus dem Euro plädiert. Ein Beleg für eine geschlossene Fraktion ist das nicht.
Pikant darüber hinaus, dass der Regierungspartner der Union, die SPD, beinahe geschlossen für den Regierungsantrag stimmte, Verhandlungen über weitere Griechenland-Hilfen aufzunehmen. Damit konnte man bei allen Problemen, die SPD-Parteichef Sigmar Gabriel mit seinen Genossen wegen seiner Zick-Zack-Politik gelegentlich hat, zwar rechnen. Dennoch: Eine CDU-Kanzlerin, deren Politik zwar vom anderen Regierungspartner getragen wird, deren eigene Parteifreunde aber Zweifel an ihrer Politik äußern und dies auch schriftlich in wichtigen Abstimmungen belegen, das ist schon nicht alltäglich. Es bleibt abzuwarten, ob sich mehr dahinter verbirgt.
Im Netz erfährt Bosbach viel Zustimmung. Einer mit Rückgrat, einer, der eine eigene Meinung hat und der sie selbst unter Druck beibehält und sie nicht revidiert. Kein Nörgler, sondern eher ein Vorbild, fast ein Held. Dass er den Vorsitz des Innenausschusses abgibt, ist ein Signal, dass er es lernst meint mit seiner Drohung, aber dass er das Mandat im Bundestag beibehält und damit Mitglied der Unions-Fraktion bleibt, wird ihm weiter die Möglichkeit geben, seine Meinung kundzutun. Ruhiger wird er nicht werden. Warum sollte er auch?