Die Sondersitzung des Bundestages verlief ohne Überraschungen. Irgendwo zwischen vierzig und fünfzig landet die Zahl der Abgeordneten der CDU/CSU, die der Kanzlerin die Gefolgschaft verweigerten, um wie die Linke und wohl Teile der Grünen gegen die Aufnahme von Verhandlungen für ein drittes Hilfspaket mit Griechenland zu stimmen. Die Mehrheit stand dennoch. Die SPD stimmte weitgehend geschlossen und wird noch eine Weile brauchen, um die Blessuren zu heilen, die ihr die Grexit-Debatte geschlagen hatte. Hier hatte sich besonders der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hervor getan.
Sein Taktieren vor der Entscheidung der EU-Regierungschefs vom vergangenen Montag, als in der Nacht zuvor die Zukunft Europas auf dem Spiel stand, war wieder einmal ein Beispiel dafür, warum er zunehmend in der Kritik steht. Mal für, mal gegen den Austritt Griechenlands aus der Euro-Gruppe, mal wusste er vom windschiefen Plan B des Finanzministers, Austritt Griechenlands aus dem Euro für fünf Jahre, der mit ihm abgestimmt sei, dann wieder das Gegenteil. Zunehmend muss der Beobachter den Eindruck gewinnen, dass Gabriel immer bei den Gewinnern sein will, und daher sein mal so und dann auch wieder so und sei es das Gegenteil, zu seinem Charakter gehört.
Wer in seiner Partei möglicher weise die Hoffnung hatte, er werde seine Haltung erläutern, vielleicht bedauern oder vielleicht von Missverständnissen sprechen, musste sich enttäuscht abwenden. Allerdings nicht ohne zuvor den Hinweis zu verdauen, den Gabriel in diesen Satz packte: Jede Debatte um Grexit muss der Vergangenheit angehören. Also Plan B von Schäuble nicht (mehr) mit ihm? Grexit war Gestern: es gehe um einen „Neustart“ ohne „Jammern oder Schuldzuweisungen“. Also wehe dem, der ihn an seine Kehrtwendungen erinnern wollte. Dafür wandte er sich schneidig den „ asozialen superreichen“ Griechen zu, die ihr Kapital ins Ausland verbringen und steuerfrei selbst in der Krise noch ihren Reichtum vermehrten. Er forderte dazu auf, deren Konten einzufrieren und sicherzustellen, dass die ausstehende Milliarden Euro Steuerschuld endlich für Schulen, Krankenhäuser, für Infrastuktur zur Verfügung stünden.
Wer wäre dagegen? Auch die Tatsache, dass Amazon, Google, oder Microsoft, nicht zuletzt auch deutsche Multis, weitgehend steuerfreie Milliardengewinne einziehen aus Geschäften, die sie in Europa machen ist richtig, aber in der falschen Debatte erinnert. Sie auf die Tagesordnung Europas zu setzen, wäre notwendig. Dass sich der Wirtschaftsminister ausgerechnet in der Debatte um Griechenland auf eigene Fehler besinnt, muss man wohl auch als Ablenkung von überflüssiger deutscher Großmannssucht der letzten Tage und Wochen verstehen. Dennoch, neben mancher Polemik und Selbstgefälligkeit vor allem der Linken, durchwehte auch ein wenig Selbsterkenntnis die Debatte. Ohne Frankreichs klare Haltung, Griechenland im Euro zu halten, wäre die Schicksalsgemeinschaft Europa (Merkel) beinahe gescheitert. Und Deutschland, auch das klang durch, wird nur dann eine gewichtige Stimme in Europa sein, wenn sie als eine europäische Stimme erkennbar ist. Das kann sich erweisen, wenn jetzt über das dritte Hilfspaket verhandelt wird. Manche Härte im Angebot der Euro-Gruppe an das Mitglied Griechenland, lässt sich sicherlich abmildern oder heraus verhandeln.
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