Vielleicht war das der ehrlichste Satz, der seit langem über die EU gesagt worden ist. Als es um eine solidarische Aufnahme von Flüchtlingen durch alle Mitgliedsländer ging und Europa an dieser Gemeinschaftsaufgabe scheiterte, polterte der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi gegen Verweigerer wie Groß-Britannien und Polen: „Wenn das eure Vorstellung von Europa ist, dann könnt ihr es lassen“.
Ja, Europa fehlt es an Spirit, und wenn schon die Regierungen dafür nicht das Kreuz haben, wie soll er von den Bürgern erwartet werden. Wie in einem großen Theater wurde ihnen seit Jahren vorgespielt, als sei der Kampf um Athen, um die Zukunft Griechenlands im Euroland, die Schicksalsfrage des Kontinents. Eine Halluzination, hinter der sich die Erosion einer gemeinsamen europäischen Idee bemänteln ließ.
Jenseits aller ökonomischen Fragen und Probleme ist Griechenland nur ein Menetekel: Der Verlust der politischen Mitte ist die wahre Gefahr für die EU. Eine von den Wählern gewollte Koalition aus Links- und Rechtsnationalisten hat die Krise dort heraufbeschworen. Wie im Brennglas zeigt sich dort, dass Rechts- und Linkspopulismus Europa auseinander treibt: Mit dem erzwungenen Referendum haben sie das zur Geisel gemacht: Legt Europa ad acta, folgt uns, dann wird es euch bald wieder besser gehen.
Ein Versprechen, das sich Populisten, zwar nicht in dieser letzten Konsequenz, überall zu eigen machen. Längst schwant Politikern und Bürokraten in Brüssel, dass sich die linkspopulistische Bewegung „Podemos“ in Spanien und dessen Verwandte in Portugal Griechenlands Kurs als Vorbild nehmen. Eine Ironie der Geschichte: Schließlich war Griechenlands Weg in die Demokratie in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts Vorbild für diese beiden Länder auf dem Weg in die europäische Demokratie.
Während es im Süden Linkspopulisten sind, treiben in der Mitte und im Norden Rechte den Keil in die europäische Idee. Der „Front National“ in Frankreich ist auf dem Weg zur stärksten Partei. In Dänemark sind Rechtsnationale gerade zur stärksten Kraft gewählt worden. Polens Wähler haben sich zurück gesehnt nach eher europafeindlichen nationalkonservativen Tönen, als sie Duda zum Präsidenten wählten. Vom europa- und demokratie-feindlichen Denken des ungarischen Ministerpräsidenten Orban gar nicht zu reden.
Dass sich in der Mitte, also im alten Europa, gestandene demokratische Parteien wie die österreichische SPÖ der Popularität Rechter nicht mehr zu erwehren wissen, beweist deren Koalitionsangebot an die Haider-Partei FPÖ im Burgenland. Ein widerlicher Deal.
Vielleicht aber einer, an den man sich gewöhnen muss, so wie an das abstruse Regierungsbündnis in Athen, weil Europa, Brüssel, eine aufgeblähte Bürokratie und deren Inszenierungen zum Schreckensbild geworden sind.
Es gilt Renzis Satz: „Wenn das eure Vorstellung von Europa ist, dann könnt Ihr es lassen“. Nicht nur übrigens für die Regierungschefs, die keine Solidarität bei der Flüchtlingsaufnahme zeigen. Er gilt – unter anderem auch – für EU-Kommissionspräsident, Jean-Claude Juncker, der uns das Griechendrama in den letzten Wochen und Monaten präsentiert hat, als sei es eine Personality-Show, bei der es vor allem um ihn und schöne Bilder für ihn mit dem Griechen-MP Alexis Tsipras ging.