YouTube ist die Zukunft – und gleichzeitig Albtraum und Rettung von Tagesschau, Heute und Co.: während das eigene Publikum immer älter wird und sozusagen vom Aussterben bedroht ist, wächst die YouTube-Community und produziert immer mehr eigene Stars, denen die Zielgruppe 16-24 Jahre sogar freiwillig zuhört.
60 Jahre alt ist der Durchschnittszuschauer von ZDF und ARD, zur Tagesschau schalten um 20 Uhr durchschnittlich fünf Millionen Zuschauer ein. 300 Mitarbeiter arbeiten in der Hamburger Redaktion daran, dass die ARD-Nachrichten das Nachrichtenmedium sind und bleiben. Wenn Florian Mundt, alias LeFloid diese Nachrichten kurz darauf auf seinem YouTube-Kanal kommentiert, erreicht er mit seinen Videos zwei Mal die Woche über eine Millionen Klicks von seinen 2,5 Millionen Abonnenten. Produktionsstätte ist seine Wohnung, Mundt ist gleichzeitig Redakteur, Moderator und Techniker.
YouTube ist mehr als Katzenvideos
Mit seinem Kanal zählt LeFloid, der seit 2011 mit dabei ist, zu den alten Hasen einer Szene, die selbst erst am Anfang steht. An diesem Wochenende saß Mundt mit in der Jury des Deutschen Webvideopreises, der in Düsseldorf verliehen wurde- zum fünften Mal bereits, um endlich klarzustellen: Auf YouTube gibt es mehr zu sehen als Katzenvideos und Fail Compilations von verunglückten Kung-Fu-Tricks oder schmerzhaften Sprüngen auf vereiste Teiche. Kelly Svirakova veröffentlicht auf YouTube ironische Videos zu Alltagsthemen, oder liest ihren 800 000 Abonnenten in ihrer Rubrik „Kelly kommentiert Kommentare“ „Hater Kommentare“ zu klassischer Musik vor. Neben der Comedy spricht Svirakova auch die Schattenseiten des Lebens als YouTube-Star an und erhält dafür den Preis „Person of the Year Female“. In der Kategorie „Person oft he Year Male“ setzten sich die Moderatoren von Rocket Beans TV durch. Der Livestream-Kanal aus Hamburg sendet rund um die Uhr zu „Nerd und Popkultur“, vor allem zum YouTube-Dauerbrennerthema Gaming.
Tagesschausprecher Jan Hofer und Heute Journal Moderatorin Marietta Slomka präsentierten die Nominierten der Kategorie Journalismus, die Marti Fischer gewann. Fischer erklärt als „Theclavinover“ seinen 370 000 Abonnenten, wie Musik funktioniert. In seinem Video „The Hip to the Hop (Feat. Tommy Blackout)“ vermittelt der 24-Jährige am Keyboard in seinem Berliner WG-Zimmer, was Hip-Hop ausmacht. Weil er damit seine jungen Abonnenten begeistert, hatte er schon Anfragen von Lehrern, die seine Videos in ihrem Unterricht abspielen wollen.
Zwangskorsett Jugendkanal?
Fischer und seine YouTube Kollegen zeigen, in welche Richtung sich das klassische Fernsehen bald entwickeln könnte. ARD und ZDF sehen das auch und planen einen gemeinsamen Online-Jugendkanal, um wieder jüngere Zuschauer zu gewinnen. Slomka und Hofer sind auf Talentsuche – damit der Kanal funktioniert brauchen die öffentlich-rechtlichen hippe Zugpferde mit einer breiten Community. Ob die sich von ARD und ZDF allerdings in das Zwangskorsett eines Formats, dass sich Jugendsender schimpft und 14 – 29-Jährige ansprechen soll quetschen lässt? Daran hat vor allem die Zielgruppe selbst ihre Zweifel – die 14-Jährige Autorin Valerie Meyden hält den Kanal für sinnbefreit und erklärt auf Zeit Online: „Ich glaube kaum, dass er unterhaltsamere oder interessantere Formate bietet, als die, die ich schon jetzt kenne und sehe“. Und diese Formate laufen eben auf YouTube. Wie wäre es also, die 40 Millionen Euro für den Jugendsender lieber in mehr YouTube und Online-Angebote der Öffentlich-Rechtlichen zu stecken?