Die schönste Nebensache der Welt, der Fußball, hat in wenigen Tagen Pause. Zunächst kämpft der HSV ums Überleben, dann in wenigen Tagen entscheidet sich, wer Bester ist in Europa, Barcelona oder Turin, die verwöhnten deutschen Klubs Bayern München und der BVB müssen dieses Mal zuschauen. Aber beim Thema Fußball interessiert die Öffentlichkeit seit Tagen nicht mehr allein, wie das Runde ins Eckige befördert wird und wer das macht. Die Schlagzeilen und die Kommentare beschäftigen sich mit der schmutzigen Seite des Fußballs, mit Korruption, mit Geldwäsche, mit den Vorwürfen, bei der Vergabe von Weltmeisterschaften seien Dollars geflossen, Millionen Dollars.
Was hat sich Sepp Blatter in den letzten Tagen alles anhören müssen? Pate sei er, sein Name wurde im Zusammenhang mit Don Corleone und Al Capone genannt, über die Fifa wurde geschrieben, als sei sie eine Verwandte der Mafia, von Korruption wurde gesprochen, von Geldwäsche, einige haben Blatter, den Fifa-Präsidenten zum Rücktritt aufgefordert, andere mit Boykott gedroht. Die ehrenwerte Gesellschaft um Blatter und die Fifa, die angeblich kassiert hat und im Gegenzug Fußball-Weltmeisterschaften vergab, der Raum für Spekulationen ist groß. Und am Ende gab es weder einen Boykott, noch blieben-mit der Ausnahme des Briten- Fußball-Funktionäre der Abstimmung fern. Ja, Blatter konnte sogar seinerseits drohen, er vergebe, aber er vergesse nicht.
Seit 17 Jahren führt der Schweizer Blatter mit nunmehr 78 Jahren den mächtigen Fußball-Weltverband. Und es ist wohl nicht zu viel gesagt, dass unter seiner Amtsführung die Fifa zu einem florierenden Unternehmen aufgestiegen ist. Sein einziger Gegenkandidat, ein jordanischer Prinz ohne Einfluss in der Welt des Fußballs, war chancenlos gegen den mehr als umstrittenen Amtsinhaber. Lächerlich gemacht haben sich bei dem Theater in Zürich UEFA-Chef Michel Platini, der nicht in der Lage war, gegen Blatter einen wirklich mächtigen Herausforderer aufzubieten. Lächerlich gemacht hat sich auch DFB-Präsident Niersbach, der erst mit dicker Hose auftrat und dann klein beigab.
Ermittlungen laufen
Dabei laufen gegen die Fifa und ihre Verantwortlichen Ermittlungen, die es in sich haben. Einige Fifa-Leute wurden schon verhaftet, weitere Verhaftungen werden erwartet. Blatter weist alle Schuld von sich. Motto: Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts. Weiß nicht, wer wem wieviel Dollar gezahlt hat. Dass der Präsident- wie in der Politik üblich- die Verantwortung übernimmt, scheint für den Schweizer Allgewaltigen nicht in Frage zu kommen. Es seien Einzelfälle. Dabei steht fest, dass Geld geflossen ist, schon liegen Geständnisse vor.
Ob Blatter davon kommt? „Die Schlinge zieht sich zu“, heißt die Überschrift über einen Bericht in der „Süddeutschen Zeitung“. Autor ist SZ-Sportredakteur Thomas Kistner, der die Zusammenhänge in der Fifa kennt wie kein anderer in der Welt, Ausnahme vielleicht Blatter selber. Kistner spricht vom „Geschäftsmorast“ der Fifa, an dessen „Trockenlegung Behörden in Dutzenden Ländern beteiligt“ seien, was signalisiere, dass auf die Zürcher Sportsfreunde schon bald noch mehr Ärger zukommen könnte. Wörtlich fügt Kistner hinzu: „In Washington heißt es, die Fifa sei dort auf der Suche nach Anwälten.“
Und die Fifa muss sich wappnen, warm anziehen, denn ihr Gegenspieler ist die Justizministerin der USA, Loretta Lynch, die nach den ersten Verhaftungen die Zürcher Weltsportzentrale aufgefordert hatte, sich voll und ganz zu erneuern. Und dass sie damit auch und gerade den Mann an der Spitze meinte, davon darf man ausgehen. Für sie muss die Wahl Blatters mindestens ein Ärgernis sein, eine Provokation.
Er fühlt sich getroffen
Blatters Verschwörungstheorien lassen erkennen, dass er sich getroffen fühlt. Denn unter den Verhafteten sind auch Vertraute des Schweizers. Und es liegen inzwischen Geständnisse vor, heißt es, ferner sei klar, dass im Zusammenhang mit der WM-Vergabe an Südafrika zehn Millionen Dollar geflossen seien. Untersucht werden sollen zunächst die künftigen WM-Veranstaltungs-Orte Russland und Katar. Blatter hat beim Votum für Katar selbst nicht für das Ölland gestimmt, im Falle von Russland ist interessant, dass Blatter und Wladimir Putin Freunde sind und Putin sich längst zu und für Blatter geäußert hat. Inwieweit hierbei die Verstimmung zwischen Washington und Moskau wegen der Annexion der Krim eine Rolle spielt, sei erwähnt.
SZ-Redakteur Kistner weist nun auf ein Treffen von 53 Fußball-Verbänden am kommenden Wochenende in Berlin hin, am Rande des Champion-League-Finales zwischen dem FC Barcelona und Juventus Turin. Unklar bleibt, was dort passieren soll, schließlich haben sich sowohl Platini wie Niersbach in die Büsche geschlagen, als es darum ging, gegen Platter voll Position zu beziehen und sich gegen ihn zu stellen.
Aufschlussreich könnten Berichterstattungen sein, in denen Blatter betont hat, Franz Beckenbauer habe Wolfgang Niersbach „zusammengefaltet“, wohl wegen dessen anfänglicher Kritik an Blatter. Beide, Beckenbauer und Niersbach, haben diese Darstellung zurückgewiesen. Auffällig war aber im Vorfeld der Wahl Blatters, wie sich Beckenbauer öffentlich für Blatter ins Zeug legte, in dem er erklärte, die Probleme der Fifa lägen nicht an Blatter, sondern am System. Warum hat sich Beckenbauer so geäußert, just in dem Moment, da dunkle Wolken über Zürich und der Fifa aufzogen? Welche Rolle hat der einstige Fußball-Star aus Bayern bei der Bewerbung von Russland gespielt? Kistner erinnert daran, dass sich Blatter den DFB schon einmal vom Halse gehalten habe, 2012 hätten DFB-Funktionäre den Rücktritt Blatters gefordert. Prompt habe der „Patriarch“ eine „Korruptions-Andeutung zur deutschen WM-Bewerbung für 2006“ gemacht. „Und sofort erstarb jede Kritik“. War das deutsche Sommermärchen etwa erkauft?
Beweise müssen her
Spekulationen reichen nicht, Beweise müssen her. Es kann doch nicht sein, dass es darum gehen soll, wie viele Startplätze Europa bei den nächsten beiden WM erhält, also 13 oder nur 12? Es kann doch nicht sein, dass Blatter sich mit einem zarten Hinweis, die WM 2026 könne vielleicht doch in Europa stattfinden, Luft verschafft hat im Kampf um seine Macht.
Bei der schönsten Nebensache der Welt scheint sich alles nur ums Geld zu drehen und nicht um den Ball. Geld stinkt nicht? Die Sponsoren des Fußballs könnten für Sauberkeit sorgen, sie haben den Schlüssel dafür in der Hand: das Geld.
Schade. Gerade noch haben wir ein spannendes Pokal-Finale gesehen. Und es ist bald ein Jahr her, dass die Fußball-WM in Brasilien begann und mit einem wunderschönen Tor von Mario Götze und dem Triumpf der deutschen Mannschaft endete.