Wir veröffentlichen hier ein Vortragsmanuskript des Psychologen Ernst-Dieter Lantermann, der die Hintergründe von Radikalismus und Fanatismus am Beispiel von Weidel und – ja auch – Freidrich Merz erläutert und zeigt, dass politische Propaganda in Deutschland nicht auf Wissensvermittlung setzt, sondern ausschließlich auf die Anstachelung möglichst heftiger Gefühle abzielt. „Gefühlte Wahrheiten“ statt Aufklärung – so das Prinzip der Propaganda.
Einleitung
Zu Beginn möchte ich etwaige Erwartungen von Ihnen über das, was Sie in der kommenden Stunde hören werden, ein wenig dämpfen: Zwar werde ich, wie angekündigt, einiges über die individuellen und gesellschaftlichen Hintergründe und Folgen fanatischer Überzeugungen sowie über die zentrale Rolle extremer Gefühle berichten und auch Überlegungen zu einem „vernünftigen“ Umgang mit Fanatikern anstellen.
Im Mittelpunkt meiner Argumentation steht jedoch das sehr besondere Überzeugungssystem fanatisierter Menschen. Meine Hoffnung ist, dass Sie darüber ein tieferes Verständnis dafür gewinnen, wie fanatisierte Menschen „ticken“, was sie antreibt, wie sie denken, fühlen und wie sich selbst und ihre Welt erleben.
Noch einen weiteren Aspekt meines Vortrages möchte ich vorab erwähnen:
Wenn ich über Fanatismus sprechen werde, so sind damit nicht nur dessen politische Ausprägungen gemeint. Ich denke bei der Verwendung dieses, zugegeben nicht besonders trennscharfen Begriffs auch zusätzlich an eher „alltägliche“ Varianten extremer, radikalisierter oder fanatischer Überzeugungen, die scheinbar wenig oder gar nichts zu tun haben mit dem immer attraktiver und bedrohlicher werdenden politischen Fanatismus.
Hier nur einige aktuelle Varianten fanatischer Überzeugungen:
Der blanke Hass auf Asylsuchende, Fremde und Flüchtlinge, der offene Rassismus, der (gewaltbereite) Traum von einer homogenen, ausschließlich von Biodeutschen besiedelten Heimat Deutschland sind nur zwei, wenn auch besonders erschreckende Beispiele dieser wachsenden Radikalisierung. Islamistischer und christlicher Fanatismus bekämpfen und verachten jeden Menschen, der ihre Glaubensüberzeugungen nicht teilt. Rechts- und Links-Extremisten kämpfen, wenn nötig mit Gewalt, für den Umsturz des „herrschenden“ Systems. Militante Solidaritätsgruppen für Palästina oder Israel verachten und kennen keine Gnade für die jeweilige Gegenseite, fanatisierte Tierschützer beschimpfen Passanten, die ihre Pamphlete nicht unterschreiben und drohen mit einer Zerstörung von Zoos und Zirkusse, zu Allem entschlossene Abtreibungsgegner wie Mitglieder der Organisation „Pro Leben“
scheuen vor tätlichen Angriffen auf Ärzte nicht zurück. Extreme Homophobe verachten und bekämpfen alle Menschen, die anders leben wollen als sie, fanatische Antisemiten wünschen sich und kämpfen für eine Gesellschaft ohne Juden. Der Ruf nach einer nostalgischen Rückbesinnung auf die guten alten Traditionen und Werte (oder besser, frei nach Joachim Meyerhoff: damit es endlich wieder so wird, wie es nie war) verbindet sich bei manchen mit Abscheu gegenüber eines „links-grün-verseuchten 68-Deutschland“ (Zitat von Jörg Meuthen), das es zu bekämpfen gilt, wenn es sein muss, auch mit Gewalt.
Es sollte bei dieser eher willkürlichen Aufzählung unterschiedlicher Facetten fanatischen Denkens und Handeln deutlich geworden sein, dass die Bereitschaft zum Fanatismus sich keineswegs auf die politische Sphäre der Gesellschaft beschränkt, sondern zugleich und häufig zunächst unbemerkt oder achselzuckend hingenommen, sich tief auch in die scheinbar private Welt des Einzelnen eingegraben.
Sie werden aus ihrem Bekannten- und vielleicht auch Freundeskreis wahrscheinlich hinreichend weitere Beispiele kennen.
Gesellschaftliche Hintergründe von Radikalisierung und Fanatismus
Als Antwort auf die Frage nach den gesellschaftlichen Hintergründen dieser bedrohlichen, weltweit nahezu synchron verlaufenden Entwicklung haben Sozialwissenschaftler wesentliche Bedingungen oder „Triebkräfte“ für die Entstehung fanatischer Überzeugungen identifiziert – insbesondere
- Die weltweit zu beobachtenden gravierenden Ungewissheiten und Verunsicherungen über die gegenwärtige und künftige Lebenssituation der Menschen.
- ein durch die Dominanz sozialer Medien vorangetriebener Verlust an sicherem, fundiertem Wissen sowie
- eine von den Populisten in aller Welt systematisch betriebene und von den sozialen Medien dank ihrer eigenen Logik angestachelte radikalisierte Emotionalisierung des gesellschaftlichen Diskurses.
1. Nichts scheint mehr sicher – die Welt ist aus den Fugen geraten
Heutzutage sind Gewissheiten sind zu einem knappen Gut, Ungewissheit und Unsicherheit dagegen zur alltäglichen Erfahrung geworden. Weniges erscheint noch sicher und verlässlich, ehedem bewährtes Wissen und Fähigkeiten taugen für die Alltagsbewältigung immer weniger, und wie auch nur die nähere Zukunft aussehen könnte, weiß keiner.
Die Welt erscheint den meisten heute weniger kontrollierbar und ungewisser, gefährlicher und unübersichtlicher geworden. Man hat sich darauf einzustellen, dass das, was heute zählt und möglich erscheint, schon morgen wertlos sein könnte.
Die weltumspannende Klimakrise, die schwächelnde Wirtschaft oder die kulturellen Zumutungen durch die Konfrontation mit fremden Kulturen in Folge von Massenmigrationen sind nur drei Entwicklungen, die viele Bürgerinnen und Bürger weltweit beunruhigen und verunsichern.
Die Folgen einer omnipräsenten Digitalisierung, der Terrorismus vor der Haustür, der politische Populismus, der immer offener extremistische Züge angenommen hat, die Messerattacken von Menschen mit ausländischem Hintergrund, die gefährlich gewordene Weltlage mit ihren Kriegen, die Gefahr einer Prekarisierung von immer mehr Menschen, die Erosion verbindlicher Werte und Normen des gesellschaftlichen Zusammenlebens – alle diese sich gegenseitig befeuernden Veränderungen dringen immer stärker in unsere konkreten Lebensumstände ein, ob wir dies nun wollen oder nicht.
Deren Auswirkungen sind jederzeit und überall erkennbar – im Privaten genauso wie im Beruf, im sozialen Umfeld nicht anders als in der Gesellschaft. Sie berühren den Lebensalltag von Männern und Frauen, Jungen und Alten, von ökonomisch und sozial Abgehängten genauso wie den Lebensalltag in der „Mitte der Gesellschaft“.
Vor dem Hintergrund dieser unberechenbaren gesellschaftlichen Veränderungen sind Menschen immer häufiger zutiefst verunsichert, wenn sie auf ihre augenblickliche Situation oder auf ihre nahe oder ferne Zukunft blicken. Getrieben von Erschöpfung und Ohnmacht, von Kränkungsgefühlen, von Orientierungs- und Abstiegsängsten, von Wut und Hass auf die Verantwortlichen für ihre Lebenssituation, aber auch Scham, wenn sie sich selbst für ihre missliche Lage verantwortlich machen – wissen sie oft nicht mehr, wie es in ihrem Leben weitergehen und worauf sie sich noch verlassen könnten.
Das Selbstwertgefühl ist bedroht
Unter dem Ansturm dieser das gesamte Leben durchdringenden Unsicherheiten zweifeln viele nicht zuletzt an sich selbst, an ihren Fähigkeiten, ihr Leben nach eigenem Gutdünken selbst zu gestalten – in der Sprache der Psychologie: An ihrer „Selbstwirksamkeit“, aber auch an ihrer sozialen Wertschätzung – daran, ob sie in den Augen ihrer Mitmenschen noch geachtet, wertgeschätzt und respektiert werden.
Das Vertrauen in die Selbstwirksamkeit und soziale Wertschätzung sind jedoch die zentralen Säulen eines positiven Selbstwertgefühls. Dessen Bedrohung oder gar dessen Verlust erleben wir alle als außerordentlich schmerzhaft, als eine verstörende Selbsterschütterung.
In solchen selbstwertbedrohlichen Lebenslagen wird die Wiedergewinnung eines positiven Selbstwertgefühls zum alles dominierenden Motiv des gesamten Denkens und Handelns.
Die Strategien, die dabei eingeschlagen werden, sind jedoch sehr unterschiedlich, von Person zu Person, in starkem Maße abhängig von ihren verfügbaren Ressourcen sowie von der Intensität ihres Gefühlslebens.
Solange es Menschen gelingt, ihre Gefühle in Schach zu halten, nicht übermächtig werden zu lassen, bleibt es ihnen möglich, sich auf eine vernünftige Art und Weise mit den Ungewissheiten und Unsicherheiten ihrer Lebenslage auseinanderzusetzen.
In diesem Modus unseres Verstandes, im Modus des „überlegten Denkens“, mag es gelingen, neue Lösungswege zu entdecken und zu nutzen, die der jeweiligen An- und Herausforderungen der Situation gerecht werden und zugleich ein gestärktes und sicheres positives Selbstwertgefühl versprechen.
Werden Menschen jedoch immer wieder von ihren Gefühlen mitgerissen, dann geraten ihr Denken und Handeln schließlich unter die Regie ihrer extremen Gefühle.
In diesem Modus unseres Verstandes, im Modus des „heißen Denkens“, schlagen offensichtlich immer mehr Menschen einen erfolgsversprechenden Weg zur Wiedereroberung ihres angegriffenen Selbstwertgefühls ein: eine Radikalisierung ihrer Haltungen und Handlungen bis hin zum Fanatismus.
Über diesen Zusammenhang zwischen heißem Denken und Fanatismus werde ich später noch näher berichten.
2. Radikalisierte Emotionalität
Eine weitere wesentliche Bedingung für die Entstehung fanatischer Überzeugungen gerät daher immer stärker in den forschenden Blick der Wissenschaft: eine Bedingung, die eng mit den genannten tiefgreifenden Verunsicherungen verbunden ist, aber noch forciert und angestachelt wird von der Dynamik sozialer Medien sowie von der zunehmenden Attraktivität populistischer Bewegungen:
eine im wahrsten Sinne des Wortes „radikalisierte Emotionalität“ des Umgangs von Menschen mit der Welt, aber auch im Umgang mit sich selbst.
Dazu zwei Aspekte dieser Emotions-Dynamik
– Gefühlte Wahrheiten
Eine Begleiterscheinung unserer zunehmend medial vermittelten Welt ist ein permanentes Überangebot von Informationen, denen wir mit zerstreuter Aufmerksamkeit begegnen. Diese richtet uns im Sekundentakt auf immer neue kleinere und größere Sensationen, Wissens-, Orientierungs- und Konsumangebote. Es bleibt dabei wenig Zeit zur Besinnung, Nachvollzug, Verstehen und Sinngebung.
Bei vielen Menschen stellt sich daher irgendwann das vage Gefühl ein, nichts mehr „wirklich zu wissen“, begleitet von einer schwebenden Gleichgültigkeit gegenüber allen innerhalb und außerhalb des digitalen Netzes angebotenen Informationen.
So haben sie sich irgendwann von der Illusion verabschiedet, durch ein Mehr an Wissen, nüchterne Abwägung und Ausbildung ihr Leben erfolgreich zu gestalten.
Der Rückzug oder die Diskreditierung der Vernunft als taugliches Lebensmittel hinterlässt jedoch empfindliche Wissens- und Erkenntnislücken, die in diesen aufgeregten Zeiten immer häufiger gefüllt werden durch „gefühlte Wahrheiten“, in den Wissenschaften als „Thruthness“ bezeichnet. Indem wir uns abwenden von der Welt als Quelle sicheren Wissens, wird unser Gefühl zur letzten Instanz unserer „Wahrheit“. So füllen nach und nach die „gefühlten Wahrheiten“ die Wissenslücken, die eine nicht erkennbare Welt in uns geschlagen hat.
Diese Entwicklung machen sich Populisten weltweit für ihre Absichten zunutze und heizen damit das bereits emotionalisierte Klima weiter an: An die Stelle von sachlichen Argumenten zielen sie treffsicher mit abstoßenden und oft abstrusen Fake-News und offenen Lügen auf die Gefühlswelt der Adressaten ihrer Propaganda.
Wer sich von dieser Gefühlspropaganda anstecken lässt, glaubt dann auch blind an die Wahrheit dieser Fake-News und Lügen, ganz nach dem Motto: „ich fühle, also weiß ich“.
Oder ärger noch: Es ist mir dann auch egal, was die Wahrheit ist, Hauptsache, meine Gefühle sind wahr. Diese Haltung wird in jüngerer Zeit treffend als „Post-Truth –Nihilismus“ bezeichnet.
Am 30. Januar erfuhr die Welt einen besonders menschenverachtenden Fall eines solchen „Post-Thruth- Nihilismus“.
Wenige Stunden nach dem Absturz eines Flugzeugs und eines Helikopters in der Nähe von Washington, bei dem 67 Menschen zu Tode kamen, erklärte Donald Trump auf seiner Pressekonferenz, wer diese Katastrophe zu verantworten habe: die Regierung des ehemaligen Präsidenten Joe Biden, die die Bundesluftfahrtbehörde ermutigt habe, im Rahmen einer Initiative zur Förderung von Vielfalt und Integration Mitarbeiter einzustellen, „die unter schweren geistigen Behinderungen, psychiatrischen, geistigen und körperlichen Problemen leiden.“ Er fügte noch hinzu, dass das Programm auch die Einstellung von Menschen mit Hör- und Sehproblemen sowie Lähmungen, Epilepsie und „Zwergwuchs“ erlaubte.
Auf die Nachfrage eines Journalisten, ob er Beweise für diese Behauptung habe, dass die Initiative zur Förderung der Vielfalt schuld an dieser Katastrophe sei, antwortete Trump, »Es könnte einfach so gewesen sein«, das sage ihm der »gesunde Menschenverstand«.“
Und wie kommt das bei Menschen an, die schon lange nicht mehr an die Kraft der Vernunft glauben?
„Vielleicht stimmt das ja tatsächlich nicht, was Donald Trump da behauptet – aber wie schlimm das wäre, wenn das tatsächlich wahr wäre! Und meine Wut und mein Hass auf die Demokraten sind ja echt! Also kann das nicht ganz so falsch sein!“
Wie zu lesen ist, begrüßen seine Anhänger seine „klare Sprache“, und in rechten Medien der USA wird bereits über die Auswirkungen von Diversitätsinitiativen auf die Sicherheit diskutiert. Soviel zur Wirkungsmacht gefühlter Wahrheiten.
Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass auch manche politische Propaganda in Deutschland nicht länger auf Wissensvermittlung setzt, sondern ausschließlich auf die Anstachelung möglichst heftiger Gefühle abzielt. „Gefühlte Wahrheiten“ statt Aufklärung – so das Prinzip der Propaganda.
Zwei Beispiele der letzten Wochen:
Alice Weidel, Kanzlerkandidatin der AfD, sprach auf dem Parteitag im sächsischen Riesa ganz offen und wie entfesselt von Remigration als ein zentrales Vorhaben der AfD, obwohl deren Durchsetzung völlig unrealistisch wäre und gegen alle Gesetze verstößt.
Ihre (vermutliche) Strategie dahinter: Möglichst zielgenau Ängste und Hass gegen Migranten und die Elite schüren, da sie weiß, dass eine solche Strategie in immer weiteren Bevölkerungskreisen auf fruchtbaren Boden fallen würde. Und noch eines hat sie von ihrem Lehrmeister Trump gelernt: Je extremer und kruder ihre Forderungen, desto heftiger werden die von dem Schlagwort „Remigration“ angestachelten Gefühle und über diese Brücke die gefühlte Wahrheit etabliert, dass Remigration alle Probleme löst und man deshalb unbedingt die AfD wählen muss. So wird das Gefühl zum alleinigen Kriterium der Wahrheit. Je tiefer ich hasse, desto wahrer ist das, was ich hasse – ob das alles so stimmt, ist doch egal!
Ein zweites Beispiel:
Kurz nach der tödlichen Messerattacke in Aschaffenburg äußerte sich der Kanzlerkandidat der CDU, Friedrich Merz, ganz im Stil von Trump:
„Ich werde, im Fall meiner Wahl zum Bundeskanzler am ersten Tag meiner Amtszeit das Bundesinnenministerium anweisen, die deutschen Staatsgrenzen zu allen unseren Nachbarn dauerhaft zu kontrollieren und ausnahmslos alle Versuche der illegalen Einreise zurückzuweisen. Es wird ein faktisches Einreiseverbot in die Bundesrepublik Deutschland für alle geben, die nicht über gültige Einreisedokumente verfügen oder von der europäischen Freizügigkeit Gebrauch machen. Das gilt ausdrücklich auch für Personen mit Schutzanspruch“.
Auch hier dasselbe Muster, dieselbe Strategie: Friedrich Merz weiß genau, dass seine Forderungen allein aus rechtlichen Gründen nicht durchsetzbar wären.
Er ergriff einfach die Gunst der Stunde und machte sich die entflammten Ängste und Wutausbrüche gegen das vermeintliche Staatsversagen zunutze, um sich gegenüber den Wählerinnen und Wählern als zupackender Kanzlerkandidat zu präsentieren, der ihre Sorgen und Ängste ernst nimmt und zu seiner Sache macht.
Seine Botschaft: „Einreiseverbot“ zielte nicht auf Aufklärung, auf Problemlösung ab, sondern allein darauf, die grassierenden Ängste, den Hass und die Wut auf Migranten und die Ampelkoalition überlegt für sich zu funktionalisieren, um sich so als Retter in tiefster Not anzubieten.
Soziale Medien als Brandbeschleuniger
Das Geschäftsmodell der Betreiber sozialer Medien lässt sich bestens an den eingesetzten Algorithmen erkennen, mit denen für die unterschiedlichsten Menschen Informationen ausgewählt werden. Ziel ist es, die Nutzerinnen und Nutzer möglichst lange auf ihrer Plattform festzuhalten, um so ein Maximum an Nutzerdaten und mit diesen eingesammelten personbezogenen Daten einen möglichst hohen Profit zu generieren.
So spielen die Algorithmen besonders häufig Informationen ein, die extreme Emotionen generieren. Argumente werden systematisch durch gefühlte Wahrheiten ersetzt, alles nur, um die Intensität der Gefühle immer weiter zu anzufachen.
Dieses offenbar bestens funktionierende Geschäftsmodell führt dann auch mit einiger Wahrscheinlichkeit zur Übernahme radikaler und fanatischen Überzeugungen.
Für Menschen, die unter schmerzlichen Selbstwertproblemen leiden, kann der Einstieg in die Welt sozialer Medien daher zugleich ihre Rettung sein. Am besten gelingt diese Rettung, wenn sie sich mit einer Gruppe identifizieren, die ihnen vermittelt, dass sie von deren Glorie profitieren, an Macht und Prestige gewinnen, an klarer Orientierung und sozialer Wertschätzung.
Wie sozialpsychologische Studien aufgezeigt haben, entwickelt sich in virtuellen Gruppen rasch eine Synchronisierung der Gefühle. Jeder fühlt bald dasselbe, etwa Hass und Verachtung gegenüber den Feinden, und Stolz und Zuneigung gegenüber den Mitgliedern der eigenen Gruppe. Diese emotionale Synchronisierung schweißt Alle immer noch enger zusammen und facht ihre Gefühle noch immer weiter an.
Je emotionalisierter eine Gruppe agiert, desto geringer wird ihr Interesse an Fakten und umso eher folgen sie der Logik gefühlter Wahrheiten – und
umso stärker wächst auch ihre Bereitschaft, diese Gefühle nicht nur im Netz auszuleben, sondern auch jenseits des Netzes, in der Realität des Lebens auszutoben und zu genießen.
Heißes Denken – Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer (Francisco de Goya)
Jedoch: Je emotional aufgeheizter das soziale Klima in einer Gesellschaft wird, desto eher übernehmen extreme, „heiße“ Gefühle die Orientierung des Denkens und Handelns.
Was charakterisiert ein von heißen Gefühlen beherrschtes „heißes Denken“?
– Es geht stets ums Ganze, ohne große Abwägung oder gar Analyse.
– Selbstzweifel bleiben ausgeblendet, Widersprüche harmonisiert,
– Kritik von außen wird automatisch interpretiert als Bestätigung der eigenen Wahrheit, ganz nach dem Motto: „Ich fühle, also weiß ich“. In der Sprache der Psychologie: es handelt sich hier um einen extremen Fall des gefühlsgeleiteten konfirmatorischen, selbstbestätigenden Denkens.
– Man denkt ausschließlich in Polaritäten, gut oder böse, richtig oder falsch, Lüge oder Wahrheit, rein oder unrein.
– Heiße Gefühle führen auch die Regie über unser Gedächtnis, über das, was wir vergessen und erinnern.
– Heißes Denken drängt zur raschen Tat, nach dem Motto: „Ich will, also darf ich“ ohne jedes Bedenken über die Angemessenheit oder die Folgen des Tuns.
Wer seine Welt und sich selbst in der Logik seiner „heißen Gefühle“ wahrnimmt, deutet und bewertet, der ist, so die Befunde der Forschung, in besonderem Maße anfällig für Verlockungen, die von extremen und fanatischen Gruppierungen in seiner Umwelt angeboten werden.
Das Überzeugungssystem eines fanatisierten Menschen.
Fanatisierte Menschen lechzen nach jeder Gelegenheit, sich in Rage zu versetzen, sich zu berauschen an ihrer emotionalen Raserei. Sie sind regelrecht süchtig nach maximaler Aufstachelung ihrer Gefühle. In ihren von extremen Gefühlen geleiteten Taten wächst ihr Selbstwertgefühl ins Unermessliche, verbinden sich doch in diesen Momenten Körper und Geist zu einem grandiosen Ganzen.
Fanatiker unterwerfen daher ihr gesamtes Denken, Fühlen und Handeln der Logik ihres heißen Denkens. Es ist diese „totalitäre“ Obsession des Denkens, Fühlens und Handelns, die einen Fanatiker auszeichnet.
Die Folgen auf ihr Denken, Fühlen und Handeln, auf ihre Überzeugungssysteme lassen sich so zusammenfassen:
- Fanatiker verfügen über ein in sich geschlossenes Glaubens- und Überzeugungssystem, das völlig
- immun ist gegen jede Kritik von außen
- Sie denken und fühlen in strikten Polaritäten: rein- unrein, Wahrheit-Lüge, Entweder – Oder, die da oben – wir hier unten, Wir und die Anderen
- Sie sind davon überzeugt, dass alles Glück oder Unglück der Welt von wenigen zentralen Ursachen abhängt (die drohende „Entvolkung“, die korrupte Elite, der Irrglaube der anderen, die Fleischfresser, der Genderwahn, etc.).
- Fanatiker kennzeichnet eine totale Identifizierung mit der eigenen Gruppe und eine tiefe Verachtung und Aggression gegen ihre „Feindgruppen“.
- Sowie eine extreme Unverhältnismäßigkeit der Mittel zur Durchsetzung ihrer heiligen Überzeugungen.
- Und zu allererst kennzeichnet Fanatiker ihre kompromisslose Selbstgerechtigkeit und ihr extremer moralischer Dünkel.
Alles, was ein Fanatiker unternimmt, dient der Erfüllung seiner heiligen Idee. Dabei kennt er keine Skrupel, auch wenn er seine Überzeugung mit Gewalt in die Tat umsetzen muss. Ganz im Gegenteil, hasst und handelt er doch mit bestem Gewissen, wenn er genau das unternimmt, was moralisch, im Sinne seiner tiefen Überzeugung, notwendig ist.
Dieser unerbittliche Kampf um die Durchsetzung seiner letzten, absolut gesetzten Prinzipien und Ziele lässt den Fanatiker wieder wissen, dass sein Leben sinnvoll ist und dass er an einem großen Sinnzusammenhang teilhaben darf, der weit über seine kleine Person hinausweist, erlebt er sich doch als Teil eines höheren Ganzen.
An die Stelle einer komplexen, undurchsichtigen und unsicheren Welt tritt eine neue klare, in schlichten Gegensätzen aufgespannte „Weltordnung“, die den Fanatiker wissen lässt, dass die Welt einfach und begreifbar ist und er sich in dieser „neuen“ Welt heimisch einrichten kann, ohne Gefahr des sich Verlierens und Auflösens, wie er es in früheren Zeiten in der „Welt da draußen“ schmerzhaft erfahren musste.
So gewinnen Fanatiker in diesen chaotischen und höchst unsicher gewordenen Zeiten endlich ein verlässliches positives Selbstwertgefühl zurück und die Gewissheit, ein anständiges, moralisch überlegenes Leben zu führen.
Es sind diese Eigenarten, die fanatische Vertreter unterschiedlichster Überzeugungen, Moralvorstellungen und Weltsichten miteinander teilen. Aus dieser Perspektive werden die markanten Ähnlichkeiten erkennbar, von denen zu Beginn die Rede war.
Resilienzen gegen fanatische Versuchungen
Allerdings sind Gottseidank nicht alle Menschen, die mit unsicheren Lebensumständen zu kämpfen haben, den Verlockungen fanatischer Überzeugungen ausgeliefert.
Nach den Befunden sozialwissenschaftlicher Studien bleiben offensichtlich diejenigen Menschen weitgehend immun gegen extremistische und fanatische Verführungen, die
- in der Lage sind, ihre Gefühle zu regulieren und kritisch zu
- hinterfragen,
- die in der Lage sind, Vertrauen zu entwickeln, in sich selbst und gegenüber anderen.
- die in ihrem Leben eine persönliche Bedeutung und Sinn erkennen.
- die offen sind für Begegnungen mit Menschen, die ganz anders sind als sie,
- die neugierig und ohne Furcht Wagnisse und Risiken eingehen.
- die Widersprüchlichkeiten gut aushalten können,
- die sich von der Gesellschaft wertgeschätzt erleben.
- und davon überzeugt sind, ihr Leben auch in dieser unsicher gewordenen Welt nach eigenem Gutdünken gestalten zu können.
Auch ein erträgliches Einkommen, ein gesicherter Arbeitsplatz, verlässliche soziale Beziehungen oder eine solide Bildung können als Schutzschilder gegen die Einflüsterungen fanatischer Propaganda wirksam sein.
Allerdings zeigen Untersuchungen, dass ein finanzielles Polster, eine gehobene berufliche Position, gute Bildung und soziale Beziehungen erst dann richtig zur Wirkung kommen, wenn entsprechende „innere“ Ressourcen bereitstehen. In anderen Worten: Auch Menschen in prekären Lebenssituationen sind nicht automatisch anfälliger als andere für radikale und fanatische Versuchungen.
Ein Fall von Extremismus als einer besonderen Variante des Fanatismus: Die Partei Alternative für Deutschland.
In ihrer Programmatik, ihren Forderungen und Zielen, Ihren Auftritten und ihrer Propaganda, aber auch in den Auftritten nicht weniger ihrer Anhänger spiegeln sich so manche Überzeugungen, Denkweisen, eine Fokussierung auf extreme Gefühle oder die typische moralische Selbsterhöhung fanatisierter Menschen in beinahe erschreckender Weise wider.
- Sie schüren das Misstrauen, die Wut, den Hass und die Verachtung gegenüber den heuchlerischen Eliten, der Lügenpresse, dem Mainstream, den Migranten.
- Und sie selbst erklären sich als die Stimme des einfachen Volkes.
- Sie kämpfen gegen den von der Elite verordneten Genderwahn, der die naturgegebene Andersartigkeit von Mann und Frau auslöschen soll und stattdessen mit staatlich geförderten Umerziehungsprogrammen in Kindergärten und Schulen das bewährte, traditionelle Familienbild beseitigen wollen. Hier schüren sie systematisch die durchaus vorhandenen Verlust- und Identitätsängste von Männern und Frauen, durch den „Genderwahn“ oder „Gendergaga“ ihre eigene Identität als Mann oder Frau sowie ihre angestammten Privilegien zu verlieren.
- Mit ihrer Forderung nach Remigration ziehen sie eine scharfe Grenze zwischen den „Biodeutschen“ und den Migranten –
Alles dies Beispiele für eine scharfe Dichotomisierung von Gut und Böse, Wir und die Anderen, die da oben, wir hier unten.
Die Billigung von Gewalt zur Durchsetzung ihrer heiligen Ideen gehört offenbar gleichfalls zu ihrer DNA. So wurden allein zwischen November 2022 bis zum Februar 2024 25 Fälle von Gewalt von AfD-Funktionären und -innen erfasst, davon 17 strafrechtlich verurteilt, gegen weitere 5 wurde zum Zeitpunkt der entsprechenden Studie noch ermittelt.
Auch die Gewaltbereitschaft von Anhängern der AfD ist erschreckend hoch:
52 % der AfD-Anhänger gegenüber 22% derjenigen, die die AfD nicht wählen würden, halten Gewalt für ein legitimes Mittel zur Erreichung politischer Ziele und stimmen der Aussage zu: “Wenn sich andere bei uns breitmachen, muss man ihnen unter Anwendung von Gewalt zeigen, wer Herr im Hause ist.”
Auch lehnt die AfD die Istanbul- Konvention ab, die zum Ziel hat, Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu verhindern und zu bekämpfen. Christine Anderson, frauenpolitische Sprecherin der AfD-Delegation im EU-Parlament, sagt dazu: “Weil die Istanbul-Konvention die Genderideologie vorantreibt und zugleich die Augen vor importierter Gewalt gegen Frauen verschließt, ist sie schädlich.“
Auch die Überzeugung der AfD, mit ihrem „heiligen“ Wissen allein in der Gesellschaft von Feinden zu stehen, unverstanden und verachtet, passt zu einem fanatisierten Überzeugungssystem.
AfD-Vertreter und ihre Anhänger sind zutiefst davon überzeugt, dass sie in ihrem Kampf um Deutschland die Moral auf ihrer Seite wissen und ihre Feinde zutiefst unmoralisch sind, da diese nur ihre eigene Pfründe schützen wollen und nicht der Stimme des Volkes folgen.
Und nicht zuletzt: Die AfD suggeriert der Gesellschaft, dass sich alle Probleme der heutigen Gesellschaft lösen ließen, wenn nur die korrupten Eliten verschwänden, der Genderwahn gestoppt würde und alle nicht zum deutschen Volk gehörende Menschen in ihre Länder zurückgeschickt würden –all dies extreme Beispiele für die Überzeugung von Fanatikern, dass alles Glück oder Unglück der Welt von einigen wenigen Ursachen abhängt.
Gesellschaftlichen Folgen einer zunehmenden Radikalisierung und Fanatisierung
Was kommt auf eine von Kompromiss, Verständigung, gegenseitigem Vertrauen und Fairness angewiesene demokratisch verfasste Gesellschaft zu, wenn immer mehr Bürgerinnen und Bürger in der Radikalisierung und Fanatismus einen attraktiven Ausweg aus ihrer Angst vor einem gravierenden Verlust ihrer Selbstwertschätzung, an einer sicheren inneren und äußeren Heimat sehen?
Polarisierungsspirale
Je bedingungsloser sich Fanatiker mit den Zielen, Weltbildern und Handlungen ihrer Gruppe identifizieren, desto stärker wächst zugleich ihre Ablehnung, Abwertung und Verachtung ihrer Feinde – also aller Menschen, die ihre Überzeugungen nicht teilen oder bekämpfen.
Eine immer weiter vorangetriebene Verachtung ihrer Feinde wird von den Adressaten dieser Verachtung nicht einfach hingenommen, sondern in aller Regel mit einer Gegen-Distanzierung und –Polarisierung beantwortet.
So entsteht eine Kommunikation, die nur noch Feinde und keine Gegner kennt. Rechthaberei statt Zuhören, Verabsolutierung der eigenen Position und Verächtlichmachung der Position der Gegenseite. Diese von Fanatikern gewollte und von der jeweiligen Gegenseite aufgegriffene Verweigerung eines offenen Dialogs vergiftet immer stärker das gesellschaftliche Klima.
So droht die Gesellschaft immer weiter in einzelne Milieus zu zerfallen, die keinerlei Gemeinsamkeiten mehr miteinander verbinden, sondern sich nur noch in ihrer feindseligen Gegenüberstellung definieren.
Enthemmung
Fanatiker gleiten bei jeder sich bietenden Gelegenheit in einen Zustand von Dauererregung und Dauer-Gereiztheit, die ihr gesamtes Denken, Wollen und Handeln unter das Diktat ihrer heißen Gefühle zwingt. Heiße Gefühle schieben die letzten Hemmnisse zur Seite, die eine entschlossene Umsetzung eines Handlungsimpulses in die Tat blockieren könnten.
Erlöst von allen komplizierten Gedanken an politische Korrektheit, von moralischen Skrupeln, fühlen sich die Aufgestachelten enthemmt, frei in der Wahl ihrer Mittel, ihrer Ziele und ihres Tuns. Was Außenstehende als eine Verrohung des Umgangs zwischen Menschen und als menschenunwürdige Tat verurteilen mögen, ist für den Fanatiker der Rausch der reinen, moralisch notwendigen, enthemmten Tat. Enthemmung und Hass werden so immer gesellschaftsfähiger.
Selbstverschließung
Ein wesentliches Merkmal von fanatisierten Menschen ist ihre entschlossene Abwehr und Verschließung gegenüber allen Informationen aus der feindlichen Außenwelt, die mit ihrem Selbst- und Weltbild nicht kompatibel sind.
Doch wer nur auf Bestätigung aus ist, wer Differenzierung und Abwägung als Verrat an der Sache begreift, verliert jede Fähigkeit zur Anpassung an eine sich kontinuierlich wandelnde Welt. In einer freiwilligen Selbstverschließung der Gesellschaft gegenüber Chancen oder Risiken, Sicherheit oder Unsicherheit verheißenden Ereignissen läge womöglich die größte Gefahr für die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft, wenn diese ihr Handeln immer stärker von der Dynamik des Fanatismus bestimmen ließe.
Aber wie umgehen mit fanatisierten Menschen?
In ihrer totalitären Selbstverschließung bleiben sie taub gegenüber jeder „vernünftigen“ Argumentation. Daher macht es wenig Sinn, sich mit ihnen über ihre Überzeugungen und Weltsichten zu streiten. Im „besten“ Fall würde dies dazu führen, dass sie sich gerade im Widerstreit mit den Anderen, die ihre Überzeugungen für irregeleitet, unmoralisch und gemeingefährlich kritisieren, noch stärker mit ihren fanatischen Überzeugungen identifizieren. Halten sie ihre Feinde doch für „Schlafschafe“ und sich selbst als Erwählte, als ganz besonders moralisch, wissend.
Aber wie dann?
Auf keinen Fall die Person angreifen und herabwürdigen, sondern ausschließlich deren Verhalten kritisieren und in Frage stellen.
Auch im Umgang mit Fanatikern gilt es, deren Selbstwertgefühl nicht anzugreifen. Das würde sie sofort noch weiter in ihre fanatischen Welten hineintreiben.
Auch würde jeder moralische Vorwurf wirkungslos verpuffen, wissen sie doch von der Überlegenheit ihrer Moral.
Lassen Sie sich nicht provozieren! Wer sich provoziert fühlt, neigt zu heftigen emotionalen Gegenreaktionen. Auf diese Weise schaukeln sich die Emotionen auf beiden Seiten hoch, sodass nicht sich nur bei den Fanatikern, sondern auch bei den zu Recht Empörten ein heißes Denken breitmacht, was wiederum den Provokateur mit Genugtuung und Selbstbestätigung erfüllt.
Bleiben Sie, so gut es geht, sachlich, fragen Sie danach, woher ihr Gegenüber seine Informationen bezieht oder wechseln Sie einfach die Gesprächsebene, indem Sie ihn zum Beispiel fragen, warum er sich gerade so aufregt.
Sollten Sie Ihr fanatisches Gegenüber kennen, könnten Sie nachfragen, ob auch sein Rittersporn von den schrecklichen Nacktschnecken aufgefressen worden wäre oder ob er endlich einen Termin beim Arzt erhalten habe. Oder regen Sie sich gemeinsam über das Desaster der Deutschen Bahn oder über die hohen Lebensmittelpreise auf.
Kurzum:
Sie sollten immer versuchen, ihn als ebenbürtigen Menschen wahrzunehmen und anzuerkennen. Eine solche Strategie der Gesprächsführung könnte Ihrem fanatisierten Gegenüber zeigen, dass es auch jenseits seiner Überzeugungen Dinge gibt, die ihn und Sie als „normale“ Bürger miteinander verbinden, die sich gegenseitig wertschätzen.
Aber oftmals wäre es wahrscheinlich für beide Seiten leichter, das Gespräch erst gar nicht zu beginnen oder nach kurzer Zeit abzubrechen. Es ist schon sehr anstrengend und zermürbend, sich auf Gespräche mit Fanatikern einzulassen.
Für den Umgang mit Fanatikern empfiehlt Carolin Emcke: das zu mobilisieren, was dem Fanatiker abgeht: „Humor, die Fähigkeit zur Ironie, das Zweifelnde, auch Ambivalenzen aushaltende Denken und Visionen einer unreinen, vielfältigen, offenen Gesellschaft, in der sich Kritik an Handlungen, nicht an Personen festmacht“.
Und zuletzt ein weiteres Zitat:
Der Psychoanalytiker Lambert Bolterauer schreibt in einem Artikel über Fanatismus: ‚Alles Gute, auch das Gerechte, wird erst gut durch die Güte‘. Dialogverweigerung und Güte schließen sich jedoch prinzipiell aus.“
Anhang: Einige Quellen zur AfD
Gewaltbereitschaft
Vom November 2022 bis Februar 2024: 25 Fälle von Gewalt gegenüber Menschen von AfD-Funktionären, davon 17 strafrechtlich verurteilt, gegen 5 Ermittlungen aufgenommen
Gewaltbereitschaft von Anhängern der AfD (Anfang 2023):
Menschen, die die AfD wählen würden, wenn eine Wahl anstehen würde sowie Menschen, die schon mal mit dem Gedanken gespielt haben, sie zu wählen
Items:
“Einige Politiker haben es verdient, wenn die Wut gegen sie auch schon mal in Gewalt umschlägt.”
“Gewalt ist zur Erreichung politischer Ziele moralisch gerechtfertigt.”
“Wenn sich andere bei uns breitmachen, muss man ihnen unter Anwendung von Gewalt zeigen, wer Herr im Hause ist.”
„Mitte, rechtsaußen oder rechtsdraußen?“
Istanbul- Konvention:
Die AfD ist gegen die Anerkennung der Istanbul-Konvention, die zum Ziel hat, Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu verhindern und zu bekämpfen.
AfD Kompakt, EU sollte Istanbul-Konvention nicht anerkennen!, AfD Kompakt 14.2.2023,
Die „Gender-Forschung“ ist keine seriöse Wissenschaft, sondern folgt der ideologischen Vorgabe, dass das natürliche Geschlecht (Sex) und das soziale Geschlecht (Gender) voneinander völlig unabhängig seien. Ziel ist letztlich die Abschaffung der natürlichen Geschlechterpolarität.
Bund und Länder dürfen keine Mittel für die „Gender-Forschung“ mehr bereitstellen und keine „Gender-Professuren“ mehr besetzen.
Bestehende Förderlinien sollen beendet werden, die der „Gender-Ideologie“ verpflichteten „Gleichstellungsbeauftragten“ an den Universitäten sind abzuschaffen.
Eine einseitige Hervorhebung der Homo- und Transsexualität im Unterricht, wie sie die sogenannte „Sexualpädagogik der Vielfalt“ praktiziert, stellt einen unzulässigen Eingriff in die natürliche Entwicklung unserer Kinder und in das vom Grundgesetz garantierte Elternrecht auf Erziehung dar. Dadurch werden Kinder und Jugendliche – oft von schulfremden Personen und meist gegen den Willen ihrer Eltern – in Bezug auf ihre sexuelle Identität verunsichert, überfordert und in ihren Schamgefühlen verletzt.
Die AfD stellt sich allen Versuchen klar entgegen, durch staatlich geförderte Umerziehungsprogramme in Kindergärten und Schulen das bewährte, traditionelle Familienbild zu beseitigen.
Zum Autor: Ernst-Dieter Lantermann ist ein deutscher Psychologe und emeritierter Hochschullehrer an der Universität Kassel.