Timo Chrupalla erzählt es bei jeder Gelegenheit, zuletzt in einem Online-Interview mit der Weltwoche. Da behauptet er, dass eine Milliarde Euro für das Demokratiefördergesetz nichts anderes sei als bezahlte Demos. Und gemeint hat er damit: Hamburg, Berlin, München, Köln, Kassel, Gießen, Hannover, Recklinghausen – die Aufzählung könnte seitenweise fortgeführt werden. In all diesen Städten und Orten waren Menschen zu Hunderttausenden in den letzten Wochen unterwegs. Auslöser war diesmal der Tabubruch der CDU/CSU, sich mit der AfD auf gemeinsame Abstimmungen einzulassen. Die Menschen sahen plötzlich konkret, wie die selbsternannte Brandmauer der CDU zu Treibsand wurde, der in Richtung Rechtsextreme rutschte. Jeder und jedem in Deutschland wurde schlagartig klar, dass auf die Union und insbesondere Friedrich Merz kein Verlass war, egal was versprochen oder deklariert wurde. Und vielen von ihnen war klar, dass sie laut aussprechen mussten, was sie von dem Manöver der Union hielten, also gingen sie auf die Straße – zu Hunderttausenden.
Und das wiederum finden Merz und die Union sowie die AfD und ihr ganzes Umfeld gar nicht toll. Und mächtige Medienhäuser beteiligen sich daran. Selbst die Tagesschau beteiligt sich daran. In der Hauptsendung vom 1.2. wurde in wenigen Sekunden von zehntausend Demonstranten gesprochen, obwohl mehr als hunderttausend, allein in Hamburg, Bremen, Köln und Stuttgart, unterwegs waren, aber auch in Neu-Isenburg, um nur eine der kleineren Städte zu nennen, in denen sich Menschen für Demokratie und gegen Rechtsextreme öffentlich aussprachen. Dafür wurde Friedrich Merz im Wahlkampf gezeigt, wie er in seinem Heimatwahlkreis Hände schüttelte.
Einen Schritt weiter geht die BILD-Zeitung. Nachdem nun am vergangenen Wochenende erneut Hunderttausende auf der Straße waren, um deutlich zu machen, was sie von Merz und der Zusammenarbeit mit der AfD hielten, verstieg sich die Zeitung in einen Artikel, in dem sie ihren Lesern vormachte, „wie Bundesministerien die Proteste mit Steuergeld fördern“. Es soll deutlich werden, dass der Staat selbst die Demos ermöglicht. Nein, das haben sie nicht selbst recherchiert, sondern von ihrem ehemaligen Chefredakteur Julian Reichelt, dessen Portal NIUS permanent alles Mögliche behauptet, Hauptsache es ist gegen Rot-Grün.
Die angebliche Beweiskette lautet, dass es Förderungen für Demokratieprojekte gibt, wie „Oma gegen Rechts“ oder die Antonio-Amadeo-Stiftung, und dass diese zu den Organisationen gehören, die zu den Demos aufrufen. Daher wären die Demos vom Staat finanziert.
Das Ganze wird dadurch abgerundet, dass über die Demonstrationen kaum berichtet wird. Über die 250.000 Menschen auf der Münchner Theresienwiese hat zum Beispiel die Bild am Sonntag ein Foto und einen Minimaltext auf Seite 16 gebracht. Nicht mal der Aufruf zur Demo durch Bayern München und 1860 München hat die angeblichen Journalisten des Springer-Konzerns zum Schreiben gebracht. Timo Chrupalla hat es sicher mit Genugtuung zur Kenntnis genommen.