Die Rente ist sicher, sagte einst der zuständige Sozialminister im Kabinett von Helmut Kohl, Norbert Blüm(CDU). Wenn man nur damit meinte und heute noch meint, dass die Rente auch heute pünktlich gezahlt wird, stimmt die Aussage von Blüm. Blickt man in die Zukunft, stellen sich Fragen über Fragen, weil die Rente nämlich alles andere als sicher ist in dieser Höhe, mit jährlichen, teils nicht unerheblichen Anhebungen und mit diesen monatlichen Beiträgen. Der Grund ist einfach: Als das heutige Rentensystem 1957 eingeführt wurde(der Generationenvertrag und das dazu gehörende Umlageverfahren) zahlten sechs Beschäftigte einen Ruheständler. Da die Geburtenrate in Deutschland rapide gesunken ist, wird sich dieses Verhältnis extrem verändern, sodass in wenigen Jahren eineinhalb Beschäftigte einen Rentner finanzieren müssen. Dazu kommt, dass die Lebenserwartung stark gestiegen ist, viel mehr Rentnerinnen und Rentner beziehen viel länger ihre Ruhegelder. Für Franz Müntefering eine klare Sache. „Muss man kein Mathematiker sein, da reicht Volkschule Sauerland, um zu wissen, das haut nicht hin.“ Anders ausgedrückt und wieder mit den Worten des ehemaligen SPD-Vizekanzlers, wenn „unten weniger nachkommen und wir oben länger leben, was wir jedem gönnen, dann entsteht diese Diskrepanz“.
Franz Müntefering, der am 16. Januar seinen 85. Geburtstag feiert, ist bekannt für seine klare Sprache mit den kurzen Sätzen. In der ZDF-Sendung mit dem Sport-Moderator Jochen Breyer „Die Wahrheit über unsere Rente“ erklärte der große alte Sozialdemokrat mit wenigen Sätzen das System unserer Altersversorgung und wies daraufhin, was jedes Kind schon in der Grundschule lernt, dass 1 plus eins zwei ist, einfache Rechnerei, die mit dem guten Willen nichts zu tun hat. Aber es funktioniert nicht, wenn ich Adam Riese außer Kraft setze. Also entschied die Regierung Merkel mit Franz Müntefering, das Renteneintrittsalter schrittweise auf 67 Jahre zu erhöhen, was sehr umstritten war und die SPD viele Wählerstimmen kostete.
Nahles und die Rente mit 63
Münteferings Nachfolgerin Andrea Nahles hat dann das Rentenalter auf 63 Jahre festgesetzt nach 45 Beitragsjahren. Eine Rolle rückwärts? Jedenfalls geschah diese Veränderung auf Druck der Älteren, wütenden SPD-Wählerinnen und Wähler. Müntefering betont in der Dokumentation von und mit Jochen Breyer: „Ich hätte es nicht gemacht.“ Weil es falsch war, füge ich hinzu. Denn Korrekturen waren schon damals und sind heute nötig, „weil es die Illusion stärkt, man kriegt es sanfter hin als mit der Rente mit 67.“ Aber es wird nicht gehen. Angesprochen auf den Fall des Dachdeckers, der immer in solchen Diskussionen herhalten muss, erklärt der SPD-Mann Müntefering, es gebe Menschen, die mit 50 nicht mehr können, andere, die mit 60 nicht mehr können. Für die werde die Versicherung entsprechende Lösungen finde. Aber die Rente mit 63 als Regel, hält er für nicht richtig. Und im übrigen gibt es so viele Dachdecker nun auch nicht, dass wir unser Rentensystem danach ausrichten müssten.
Die nächsten zehn Jahre werden drastische Veränderungen bringen. Die Generation der Babyboomer, rund 14,5 Millionen Menschen, sie alle Beitragszahler, werden zu Rentenempfängern. Ein Riesen-Problem. Die Gruppe der Rentner wird so stark wie nie zuvor. Schon heute ist sie der für Wahlen entscheidende Teil der Bevölkerung. Es wären Reformen geboten, doch die Politik duckt sich weg, sie scheut Veränderungen aus Angst, die Sympathien der Alten zu verlieren. Also werden die Renten erhöht, dabei wäre schon an dieser Stelle Einhalt geboten, Anpassung der Rentenerhöhung zum Beispiel an die Inflation. Die heutige Rentner-Generation, die goldene Generation, die sich fast alles leisten kann, Kreuzfahrten ohne Ende, es sei ihnen gegönnt.
Ja, man könnte von Staats wegen noch einmal 100 Milliarden Euro in die Rentenkasse schießen, das würde aber dazu führen, dass das Geld an anderer Stelle fehlen würde. Man könnte die Rentenversicherungsbeiträge für die Beschäftigten stark
anheben, das wäre nicht gerecht. Dazu komme, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die 65 und 67 Jahre alt sind, oft länger arbeiten wollten und dies auch gesundheitlich könnten. Müntefering;: „Das sollen sie auch und es ist ja auch gut für sie, nicht nur für ihren Geldbeutel. Das Schlimmste wäre, wenn wir alles so lassen, wie es ist, es wird sich schon irgendwie regeln. “ Das wird es eben nicht, sondern: „Irgendwann gibt es einen großen Knall.“ Ja, es gehört Mut dazu in der Politik, die Wahrheit zu sagen. „Man muss darüber reden, wie man das, was wir haben, gerechter verteilt.“ Es besteht dringender Handlungsbedarf.
Gaststätte Deutschland
Breyer schildert in seinem wirklich guten Dokumentationsfilm mit der „Gaststätte Deutschland“, wie man das Problem in Japan gelöst hat. Dort gibt es die älteste Bevölkerung unter allen Industriestaaten der Welt. Die Japaner arbeiten teils noch mit 83 und 84 Jahren. Im Durchschnitt arbeiten sie in Japan sechs Jahre länger als in Deutschland. Die Arbeit halte jung, sagt ein Japaner, sie gebe dem Leben einen Sinn, hört man von anderen. Japan hat sich zum Land der Alten gewandelt, vielfach sieht man Läden ohne Kinder. Die Japaner, so das Fazit, haben die Veränderung akzeptiert, Deutschland scheint sich noch dieser Reform zu verweigern. Übrigens ruft der Rentner in der Gaststätte Deutschland lange vergeblich nach seinem Bier, es fehlt an Beschäftigten. Wie es heute fast überall ist.
Es scheint wie einst auf der Titanic zu sein, die auf einen Eisberg zufuhr und zerschellte. So weit sind wir noch nicht, aber der Eisberg ist schon zu sehen und unser Schiff fährt einfach weiter, nimmt keine Kurzkorrektur vor. Warum ist das so? In den Niederlanden gibt es die Regel, wenn die Lebenserwartung steigt, arbeiten die Leute länger. Kein Thema bei uns? Wohl nicht oder noch nicht, die meisten wollen früher in Rente, obwohl-oder weil?- sie fit sind, einige sich vorbereiten auf den nächsten Marathon, andere gehen auf Weltreise. Die meisten Frührentner sind, so das Zitat auf der ZDF-Doku- „Bürohengste“, körperlich nicht verbraucht oder ausgelaugt.
In Österreich haben sie die Rentensysteme zusammengelegt. In Deutschland scheint dieser Weg unmöglich zu sein. Die Pensionen der Beamtinnen und Beamten sind quasi unantastbar, sie liegen vielfach höher als die Renten, sie zahlen keine Beiträge wie die normalen Arbeitnehmer. Kein Politiker traut sich an die Altersversorgung der Beamten ran. Hängt vielleicht damit zusammen, dass in den Ministerien viele Beamten sitzen? Ferner sind sie Lehrer, Polizisten, arbeiten bei der Feuerwehr, der Finanzverwaltung. 1.8 Millionen Beamte gibt es Deutschland. Sie genießen einen Sonderstatus bei Sozialversicherungen, geregelt im Grundgesetz: Sie verpflichten sich per Schwur der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Im Gegenzug sollen sie und ihre Familien sich nicht sorgen um den Lebensunterhalt. Sie werden vom Staat „alimentiert“, was Unterhalt bedeutet. Auf der anderen Seite haben sie kein Streikrecht und können jederzeit versetzt werden. Beamte sind unkündbar und zahlen deshalb nicht in die Arbeitslosenversicherung ein. Wenn sie in den Ruhestand gehen, werden ihre Pensionen aus Steuergeldern bezahlt. Deshalb zahlen sie auch nicht in die Rentenkasse ein. Den Unterschied zur Rente kann man an den Pensionen deutlich machen: Wer 40 Jahre als Beamter arbeitet, bekommt als Pension den Höchstsatz von 71 Prozent des letzten Gehaltes. Demzufolge liegt nach dem Alterssicherungsgesetz der Bundesregierung die durchschnittliche Rente bei 1543 Euro nach 45 Versicherungsjahren, die durchschnittliche Pension dagegen bei 3240 Euro brutto. Allerdings sind Beamte im Schnitt besser qualifiziert als der durchschnittliche Arbeitnehmer, Pensionen werden versteuert, mancher Rentner bezieht zusätzlich eine Betriebsrente.
Aktien-Fonds in Schweden
In Schweden haben sie einen Aktien-Fonds eingeführt. Er scheint sich für die Rentnerinnen und Rentner zu rechnen. Das Geld, das man in diesen Fonds steckt hat, hat sich vervierfacht. Eine Lösung für die deutsche Rentenversicherung?
Nach Einschätzung der Wirtschaftsweisen werden die Rentenpläne der großen Parteien die Lösung für die Zukunft nicht sein, sondern sich eher teuer für die Arbeitnehmer auswirken. So hat der Wirtschaftsweise Prof. Werding berechnet, dass die Summe der Beitragssätze von Renten-, Kranken, Pflege- und Arbeitslosenversicherung bis 2035 auf rund 45 Prozent steigen werde und danach werde es noch teurer. Heute ergeben Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung eine Summe von 42 Prozent. Und bald könnte diese Summe auf 50 Prozent steigen. Für die Wirtschaftsweisen besteht dringender Handlungsbedarf bei der Rente, sie haben Reformen angemahnt bei der Politik. Die Sorge ist groß, dass die Rente nicht mehr reichen werde, die Zahl der Erwerbstätigen über 70 Jahre sei rasant gestiegen, ohne Gegensteuern werde die Altersarmut weiter zunehmen.
Der demografische Wandel und seine Folgen war schon Thema zur Zeit von Norbert Blüm. Aber die Gefahren waren in den 80er Jahren weit weg. Man machte einfach weiter. Bald stehen wir vor dem Problem, wie das Rentenniveau von 48 Prozent gehalten werden kann. Betriebe und Beschäftigte, also die Beitragszahler, sollen möglichst nicht überfordert werden. Das wird kaum ohne Zumutungen für alle gehen, zumal der Weg der Babyboomer in die Rente an anderer Stelle empfindliche Lücken reißt: vielfach arbeiten sie in Kliniken und in Verwaltungen. Wenn man dann noch die Zuwanderung stoppen will, wird das Problem eher größer denn kleiner. Die Parteien versprechen im Wahlkampf das Blaue vom Himmel, ohne zu sagen, wie das alles bezahlt werden soll. Keine Partei hat den Mut, das Thema Regelaltersgrenze anzupacken. Dabei wird die Altersgrenze von 67 Jahren nicht reichen. Mancher mogelt sich an einer Lösung mit dem Begriff der „Flexibilisierung“ vorbei, wie die FDP das tut. Dabei brauchen wir mehr Beitragsjahre, wenn wir nicht Renten kürzen und/oder Beitragszahler mehr zur Kasse bitten wollen.
Die Wirtschaftsweisen haben vorgeschlagen, zwei Drittel der zusätzlichen Lebenszeit in Arbeit zu stecken, nur ein Drittel in den Ruhestand. Aber es sind ja laut Arbeitsminister Hubertus Heil nur „Meinungen“, die da vertreten werden, allerdings sind die Weisen über jeden parteipolitischen Verdacht und etwaigen Einmischungsversuch in den Wahlkampf erhaben. Folgte man ihrem Rat, würde eine höhere Altersgrenze langfristig eingeführt, sie würde die heutigen Alten nicht treffen. Wer sich so verhält, muss sich Kritik gefallen und vorhalten lassen, dass er Politik auf dem Rücken der Kinder und Enkel betreibt, auch wenn er sie so liebt.
Wer die Doku von Jochen Breyer sieht, vernimmt einiges an Missfallen gegenüber den politisch Handelnden. Denn es ist nicht so, dass die Alten die Jungen abzocken wollen, dass sie sie belasten wollen. Franz Müntefering hat es ausgedrückt und den fehlenden Mut der Politiker angesprochen. Die Sorge ist da bei Politikern, dass sie abgestraft werden bei der nächsten Wahl, wenn sie die Wahrheit sagen und keine Geschenke zu verteilen haben, sondern nur selber Mut beweisen müssen und von den anderen, den Bürgerinnen und Bürgern etwas Verzicht verlangen, Einschränkungen zugunsten der Jüngeren und etwas länger arbeiten. Die älteren Wähler, 40 Prozent sind über 60 Jahre alt, können die Wahl entscheiden. Dabei wären gemeinsame Lösungen für die ganze Gesellschaft nötig und möglich.