Bidens Außenminister, Anthony Blinken, hat in der New York Times in einem Interview Rückblick gehalten. Zum Krieg Russlands gegen die Ukraine, zur Vorgeschichte und zum Ausblick, sagt er, etwas frei übersetzt.
1) „wir haben den Krieg kommen sehen. Wir haben die Ukraine darauf vorbereitet, mit der heimlichen Lieferung einer ziemlichen Menge von Waffen. Das begann im September 2021 und wurde im Dezember 2021 wiederholt.“
2) Die Kriegsziele Russlands, so berichtet Blinken, habe er im Vorfeld, „mehrere Monate zuvor“, also vor der Vorlage der offiziellen Verhandlungsposition Russlands am 17. Dezember 2021, im mehrfachen bilateralen Gespräch mit Russland, auch mit seinem Amtskollegen Sergey Lavrov persönlich in Genf, sehr genau gecheckt. Gecheckt worden seien von den USA Sicherheitsbedenken Russlands hinsichtlich der Ukraine und hinsichtlich der NATO. Das Ergebnis aber sei gewesen, dass das beides nicht der Punkt gewesen sei, es ging um Putins persönliche imperiale Ambitionen und um seinen Wunsch, ein Grossrussland unter Einbezug der Ukraine zu erreichen.
3) Auf die Frage, was die Biden-Administration erreicht habe und was das für die Zukunft bedeute, antwortet Blinken:
a) „Wir haben erreicht, dass es die Ukraine weiterhin auf der Landkarte gibt.“
b) Er sei überzeugt, dass die Ukraine das Potential habe, nicht nur zu überleben, sondern auch voran zu kommen. Das sei abhängig von Entscheidungen der Trump-Administration und vieler anderer Staaten. Die Frage werde sein, ob die Ukraine Wege finden werde, nicht nur ihren Anspruch auf verlorene Gebiete aufrecht zu erhalten sondern diese, auch mit Unterstützung anderer Staaten, zurückzugewinnen.
Blinken stellt in den Raum, was die USA in gut drei Jahren nicht erreicht haben: Eine militärische Ausstattung der Ukraine, auf dass sie ihr verlorenes Territorium zurückgewinnen wird. Das ist, was Kroatien im jugoslawischen Nachfolgekrieg Anfang August 1995 gegen die Republik Serbien in wenigen Tagen erreichte.
c) Damit vertritt Blinken als Konzept für die Ukraine jene legitime und legale, in der militärischen Konsequenz aber zu Instabilität führende Haltung, die er Russland ebenfalls unterstellt:
„in Putins Gedankenwelt hat ein Waffenstillstand wahrscheinlich die Funktion, zu pausieren, neu auszustatten und erneut anzugreifen, irgendwann in der Zukunft.”
In militärischer Logik aber, mit diesem Konzept für die Ukraine, welches er Russland in gleicher Weise unterstellt, zwingt Blinken Russland, das Ziel zu verfolgen, welches er zugleich verhindern zu wollen vorgibt: „to erase Ukraine from the map“, d.h. sie als souveränen Staat verschwinden lassen.
4) Schließlich wird Blinken sehr direkt nach der zukünftigen Unterstützung der Ukraine durch die USA gefragt. Ihm wird gespiegelt, so verstanden worden zu sein, als ob er gesagt habe, das Schicksal der Ukraine werde nicht länger in den Händen ihres bislang bedeutendsten Unterstützers liegen, der USA, sondern in der der Europäer.
Das bestätigt Blinken in seiner Antwort, die aber selbstverständlich die eines Diplomaten ist. Er sagt wörtlich:
“Ich hoffe sehr — ich will nicht sagen, ich erwarte es, … dass die USA ein bedeutender Unterstützer der Ukraine bleiben”.
Alle Augen haben sich somit auf die Europäer zu richten. Das können die aber in militärischer Ausrichtung nicht allein, da sie sind angewiesen auf Lieferungen aus den Beständen des US-Militärs. Dazu braucht es Abmachungen zwischen der EU und den USA, wie das finanziert werden soll, es braucht dazu eine Ergänzung der Presidential Drawdown Authority (PDA).