Spontane politische Entscheidungen haben durchweg ihre Tücken. Was unter dem Eindruck von Betroffenheit in fernen Regionen Japans mit großen Konsequenzen für Deutschland ratzfatz umgesetzt werden soll, mag den langfristigen Beifall des Publikums finden. Der von der Bundeskanzlerin verkündete Ausstieg aus der Kernenergie, der eine Wende von der Wende brachte, war und ist recht populär. Denn Strom aus Atomkraft wurde von der Mehrheit der Menschen in unserem Lande schon lange nicht mehr, von vielen wohl nie „geliebt“, zumal die Entsorgungsfrage bis heute nicht gelöst ist.
Bis 2022 sollen deshalb alle Atommeiler stillgelegt werden. Sonne, Wind, Biogas und andere regenerativen Quellen florieren mehr oder weniger und liefern Strom – mal zu viel, mal zu wenig, denn selbst die ehrgeizigsten Aussteiger aus der Kernkraft haben noch keine politischen Maßnahmen gesetzlich auf den Weg gebracht, wann und wie stark die Sonne scheinen und der Wind zu blasen hat.
Doch alle Bürgerinnen und Bürger, die so sehr auf „grünen Strom“ setzen, wollen eine sichere Versorgung und keine je nach Wetterlage. Deshalb muss eine permanente Spannung im Netz sein und zwar nationwide, also zum Beispiel nicht nur im windstarken Norden, sondern auch im Süden. Manches ließe sich da mit guten Stromnetzen regeln, doch der Widerstand gegen neue Trassen und Hochspannungsmasten ist nicht gering. Und Speicher für temporär überschüssigen Strom gibt es auch nicht genug. Der Bau von Speicherkraftanlagen ist ebenso unpopulär wie der von Stromleitungen. Seit Jahren sind wir da in Deutschland nicht richtig vorangekommen. Denn es wird überall blockiert, sogar im Freistaat Bayern.
Bislang sorgen vor allem auch die Kohlekraftwerke für die notwendige Spannung in deutschen Stromnetzen und damit für die sichere Versorgung. Doch Kraftwerke, die Kohle zu Strom machen, emittieren CO2. Und das ist klimaschädlich – im Unterschied etwa zu Kernkraftwerken, bei denen es keine CO2-Emission gibt. Bis zum Jahre 2020 sollen aber die CO2-Emissionen um 40 % reduziert werden – im Vergleich zu 1990.
Nach der Wiedervereinigung und der Stilllegung der „Kohle-Dreckschleudern der DDR“ in den neuen Bundesländern, durch die Entwicklung umweltfreundlicher Kohlekraftwerke in Ost- und Westdeutschland gab es seit 1990 große Fortschritte bei der CO2-Verringerung.
Doch der Weg bis zum 40 %-Ziel wird immer schwieriger, insbesondere, da immer weniger Strom aus den klimafreundlichen Atommeilern kommt und kommen wird.
Angela Merkel – vor Jahren bereits als „Klimadonna“ verehrt – und Sigmar Gabriel, der in seinem früheren Amt als Umweltminister den CO2-Emissionen den Kampf angesagt hat, sind nun im Wort; das gilt vor allem für ihr Engagement für das Weltklima, mit dem sie bei den großen internationalen Konferenzen auftrumpften und bei dem anstehenden Gipfel nicht zurückstehen wollen, um andere Nationen – von China bis Polen – auch zu größeren Anstrengungen bei der CO2-Reduzierung zu treiben. Will die deutsche Politik ihr derzeitiges umweltpolitisches Ziel noch erreichen, muss der Ausstieg aus der Kohle so rasch wie möglich realisiert werden.
Vor den 614 Milliarden Kilowattstunden Strom, die 2014 in Deutschland erzeugt wurden, entfielen 15,8 % auf die Kernenergie, 17,8 % auf die Kohle und 26,1 % auf Erneuerbare Energien. Wenn in nur noch wenigen Jahren sowohl Atom- als auch Kohlestrom hierzulande nicht mehr in die Netze eingespeist werden sollen, könnte die Versorgung sehr unsicher werden. Alle wirklichen Experten sind sich einig: Die sichere Versorgung würde unmöglich.
Nun steckt die Politik der Regierung Merkel/Gabriel in einer Zwickmühle. Sie will eine besondere Abgabe auf Kohle. Das bedeutet, dass die Kraftwerke kaum noch rentabel produzieren können. Als Folge wären die Braunkohlen-Tagebaue in Nordrhein-Westfalen und in Brandenburg am Ende; dabei stehen – so der IGBCE-Vorsitzende Vassiliadis – bis zu 100.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Ob die Genossen in diesen Bundesländern der von Gabriel und Umweltministerin Hendricks aus NRW betriebenen ökologischen Modernisierung Beifall zollen werden, erscheint jedoch fraglich. An diesem Wochenende wollen 10.000 IGBCE- und VERDI-Mitglieder in Berlin dagegen protestieren.
Rund 22 Mrd. € zahlen Jahr für Jahr die Stromverbraucher für die Energiewende. Dagegen regt sich auch mehr und mehr Unmut, zumal doch damit geworben wurde, dass die Sonne und der Wind keine Rechnung schicken würden. So sehr in den offiziellen Verlautbarungen der Regierung Lobhudeleien über die Energiewende verkündet werden, der Gegenwind dagegen wird schärfer und von eitel Sonnenschein in der Energie- wie Klimapolitik ist schon längst nichts mehr zu sehen.