Pünktlich zu Weihnachten kommen die Hiobsbotschaften der Industrieunternehmen in die Öffentlichkeit. Viele gutbezahlte Arbeitsplätze in der Automobilindustrie, der Chemieindustrie, dem Maschinen- und Anlagenbau, der Metall- und Elektroindustrie, den zumeist mittelständischen Zuliefererunternehmen, den mit der Industrie eng verbundenen Handwerker- und Dienstleistungsbetrieben sind akut gefährdet, viele sollen und müssen abgebaut werden, die meisten davon werden dauerhaft verschwinden. Nach jahrelangen Boomzeiten auf dem Arbeitsmarkt droht eine länger anhaltende Flaute mit erheblicher Zunahme von Arbeitslosigkeit. Die Zeiten stehen auf Sturm.
Inzwischen rächt sich, dass die industrielle Produktion zu lange schmählich im Stich gelassen, dass sie allein den Bedingungen des Marktes, dass sie schutzlos einer internationalen wettbewerbsverzerrenden Konkurrenz überlassen worden ist. Dabei waren die Hilferufe laut und deutlich und es gab auch durchaus politische Initiativen, Hilfe und Unterstützung zu leisten. Die SPD-Bundestagsfraktion war dabei klar und eindeutig für eine aktive Industriepolitik und hatte die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen meist an ihrer Seite. Allerdings reichte es nicht, um in der Regierungskoalition einen politischen Konsens zu erzielen. Der ideologische Marktfetischismus der FDP wurde zum Bollwerk aufgebaut und verhinderte eine Strompreisdeckelung ebenso wie eine Investitionsoffensive, die sogar gemeinsam vom Bundesverband der deutschen Industrie und dem Deutschen Gewerkschaftsbund gefordert wurde. Und bei der dringend notwendigen politischen Finanzhilfe gegen die hohen Strom- und Energiepreise zögerte sogar Bundeskanzler Scholz viel zu lange, anstatt das Veto der FDP abzuwehren und Führung zu zeigen.
Heute wird deutlich, dass es ohne eine riesengroße politische Kraftanstrengung nicht gehen wird, die Deindustrialisierung Deutschlands aufzuhalten und die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Dabei vor allem auf Steuersenkungen für Unternehmen und hohe Einkommen zu setzen, wie das die Merz-CDU und die FDP wollen, ist kaum geeignet und schon gar nicht ausreichend, um das dringend erforderliche große Rad zu drehen. Vielmehr kommt es darauf an, endlich in die mangelhafte Infrastruktur, die Brücken und Straßen, die Bahn und das Schienennetz, die Wasserstraßen, die Schulen und die Kitas, in die Digitalisierung, den weiteren Klimaschutz, die Transformation der Produktion, die Energiewende und die Wärmeversorgung für Millionen Menschen zu investieren. Und es ist auch dringend nötig, die Städte und Gemeinden, die seit vielen Jahren unter den hohen Soziallasten leiden und wegen der angehäuften Schulden kaum noch zu Investitionen für ein gutes und harmonisches Zusammenleben in der Lage sind, zu entlasten und für ihre entscheidenden Aufgaben am Lebensmittelpunkt der Menschen zu stärken. Allein diese Aufzählung der Aufgaben macht schon deutlich, welches Ausmaß diese Herausforderungen erreicht haben. Sie zu bewältigen, dazu reichen die normalen Haushaltsmittel bei weitem nicht aus und dafür ist es auch mit Vertröstungen auf längerfristige Wirkungen nicht getan.
Jetzt kommt es auf Mut an. Wer nur stur auf die sogenannte Schuldenbremse im Grundgesetz beharrt und sie als Hemmnis für eine Investitionsoffensive nutzt, macht sich schuldig an den Zukunftschancen unseres Landes, vor allem an den Zukunftschancen der jungen Menschen. Die müssen später ausbaden, was heute versäumt wird. Und denen nutzt kein ausgeglichener Haushalt, keine Schwarze Null heute und in den nächsten Jahren, wenn ihnen morgen und übermorgen ein weitgehend vernachlässigtes Land mit enormem Sanierungs- und Renovierungsbedarf hinterlassen werden würde. Allein mit Durchhalteparolen und dem Hinweis, dass alle mehr arbeiten müssten, wird es jedenfalls keinen Aufschwung geben. Und die soziale Unverschämtheit des FDP-Vorsitzenden Lindner, dass mit geringeren Bürgergeldzahlungen mehr Steuererleichterungen finanziert werden könnten, machen deutlich, wohin die Reise gehen soll. Der Sozialstaat soll geschleift werden, Umverteilung von unten nach oben. Eine solche Politik ist keineswegs geeignet, bei der großen Mehrheit der Menschen für Zuversicht und Perspektive, für Hoffnung auf Wohlstand und ein gutes Leben zu sorgen.
Die sogenannte Schuldenbremse hat sich inzwischen zur veritablen Investitionsbremse entwickelt. Sie blockiert die Weichen für die Fahrt in eine gute Zukunft. Es gibt keine Wirtschaftswissenschaftlerin und keinen Wirtschaftswissenschaftler von Rang, die auf der kompromisslosen Einhaltung der Schuldenbremse beharren. Vielmehr sind alle einig, dass diese gelockert werden muss, dass ihre Reform dringend notwendig ist. Nur die FDP und die ideologischen Hardliner in der Union haben beim Beharren auf der Schuldenbremse ein Alleinstellungsmerkmal. Sie verhindern den dringend notwendigen Aufbruch. Eine große Investitionsoffensive zur Sanierung, Revovierung und Modernisierung Deutschlands, die auf viele Jahre angelegt ist, würde das Land erheblich nach vorn bringen und den Menschen direkt helfen. Klotzen statt kleckern, muss die Marschroute sein. Für die Miesmacher und Blockierer von der FDP bleibt die Zuschauerrolle reserviert, aus der Regierungsverantwortung haben sie sich schließlich selbst katapultiert. Und die Hardliner in der Union sollten endlich merken, dass sie allein auf weiter Flur und bald ganz einsam sind. Klar ist jedenfalls, dass mit einer solchen großen Investitionsoffensive auch ein Ruck durch Deutschland und ein gleichzeitiges Aufatmen in Wirtschaft und Gewerkschaften, bei Unternehmerinnen und Unternehmern wie bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einhergeht. Hoffnung würde freigesetzt und die ist auch dringend nötig.
Wir spüren doch: Die angehäuften und anhaltenden Krisen in Deutschland, Europa und der Welt halten die Menschen in Atem. Da bleibt kaum Zeit und Raum für Orientierung und Perspektive. Zukunftsangst bricht sich Bahn, wo Zuversicht vonnöten wäre. Politische Abenteurer und Extremisten wittern und suchen ihre Chance. Sie verstärken die Ängste und bieten sich als Heilsbringer an. Bei viel zu vielen Menschen verfängt diese Masche inzwischen. Sogar die Rechtsextremisten und neuen alten Nazis profitieren davon. Die sogenannte AfD, demokratiefeindlich bis auf die Knochen, saugt Wählerstimmen auf. Die Alarmsirenen in unserer Demokratie leuchten grell und laut. In dieser Situation kommt es auf klare, verständliche und nachvollziehbare politische Handlungen an. Die Menschen müssen wissen, dass ihre Sorge und Nöte von den politisch Verantwortlichen direkt und ungeschminkt aufgenommen werden und mit deutlich erkennbaren und auch in ihrem Alltag positiv wirkenden Entscheidungen beseitigt werden. Niemand erwartet, dass Wunder geschehen, aber es muss schon spürbar werden, dass die Lage der großen Mehrheit der Menschen in Deutschland Schritt für Schritt besser wird. Das ist ihr Anspruch an Politik und das ist auch ihre berechtigte Erwartung.
Im anstehenden Wahlkampf wird es deshalb darauf ankommen, das realistische Konzepte vorgelegt werden, die klar und deutlich aufzeigen, wie Wege aus der Krise führen können. Keine Wolkenkuckucksheime, keine Luftschlösser, sondern nachprüfbare und gangbare Wege sind gefragt. Und selbstverständlich braucht es eine politische Kommunikation, die anspricht und berührt. Die Menschen wollen erstgenommen und sie wollen mitgenommen werden. Sie wollen wirtschaftliche und soziale Sicherheit. Wenn der Sozialstaat auf Kurs bleibt, dann sind die Menschen auch zu Veränderungen bereit, dann ist selbst rasanter Wandel nicht mehr beängstigend.