Liebe Leser
„Blog-der-Republik“-Autor Lutz Heuken hat sich in einer dreiteiligen Serie mit verschiedenen Aspekten der US-Wahl auseinandergesetzt. Vor allem auch mit den Auswirkungen eines möglichen Trump-Siegs. Alle drei Folgen sind nun im Blog zu lesen.
Folge 1: Trump, der Despot
Folge 2: Wehe, wenn Trump siegt
Folge 3: Lügen, Lügen, Lügen – die Methode Trump und ihre Jünger
Man solle die Medien einfach „mit Scheiße“ fluten – „Flood the Zone with shit“. Diese wenig subtile Taktik wird Steve Bannon zugeschrieben, dem ultrarechten amerikanischen Publizisten und Ex-Berater des damaligen US-Präsidenten Donald Trump. Ziel sei es, so die rechten Strategen, dass bei soviel „Shit“ schlussendlich niemand mehr wisse, was wirklich wahr ist. Sein damaliger Chef Trump beherrscht diese unselige Methode bis zur Meisterschaft, wie sich im Wahlkampf vor dem US-Urnengang am Dienstag überdeutlich gezeigt hat.
Und diese Methode Trump/Bannon hat in der ganzen Welt bewundernde Jünger gefunden – so auch in Deutschland: Durch eine Flut von Lügen, Falschinformationen und Halbwahrheiten wird Verwirrung gestiftet. Rechte Medien und eine Vielzahl populistischer und radikaler „Social Media“-Kanäle mit ihren Algorithmen und Blasen befeuern die Debatte zusätzlich. Ein widerlicher und gefährlicher Cocktail entsteht.
Selbst Politiker der sogenannten bürgerlichen Mitte greifen inzwischen schamlos auf diese Methode zurück. So kennen die Christsozialen in Bayern inzwischen offenbar keine Grenzen mehr, wenn es um ihren Lieblingsfeind, die Grünen geht. Ein kleines scheinbar unbedeutendes Beispiel, das indes nur auf den ersten Blick zum Schmunzeln anregt, das beim genauen Hinsehen aber ob der perfiden Herangehensweise frösteln macht: Die Bildzeitung hatte dieser Tage bei den Grünen mal wieder „Verbotswahn“ und „herzlosen Irrsinn“ festgestellt. Motto: Das Thema zieht immer. Dieses Mal: Angeblich wolle die Grüne Jugend aus Gründen des Umweltschutzes Haustiere verbieten.
Hintergrund: Die „Bild“ hatte die Schlagzeile kreiert: „Welpen-Feind ist neuer Junior-Chef der Grünen“. Dann ist zu lesen, Jakob Blasel (24), frisch gewählter Sprecher der Grünen Jugend, fordere „indirekt“ ein Verbot von Haustieren. Beleg für diese Unterstellung: Fridays-for-Future-Mitbegründer Blasel hatte im zarten Alter von 19 Jahren mal bei „Funk“, den Jugendsender von ARD und ZDF, darüber gesprochen, dass auch Haustiere klimaschädlich seien. Blasel gab zugleich Tipps, wie man die Klimabilanz der Tiere verbessern könne – etwa bei der Auswahl des Futters. Eigentlich brauche man Haustiere ja nicht, so der Aktivist weiter; er riet schließlich, im Zweifelsfall lieber ein Haustier aus dem Tierheim zu holen.
Man mag ja über die Sinnhaftigkeit des fünf Jahre alten Blasel-Interviews durchaus verschiedener Meinung sein. Ein „Verbot“ von Haustieren forderte der junge Öko-Aktivist damals nun aber wirklich mit keinem Wort. Viel wichtiger ist jedoch das, was nun nach fünf Jahren plötzlich folgte. Denn für die CSU und die „Freien Wähler“ des Hubert Aiwanger spielen Fakten in ihrem Hass auf die Grünen keine Rolle. Begleitet von einem treu blickenden Hund trat CSU-Generalsekretär Martin Huber kürzlich vor die Social-Media-Kamera und verkündete seine Liebe zum Haustier: „Sie sind für viele Wegbegleiter, Kummerkasten, Familienmitglied und Spielgefährte.“ Und dann: „Die Grüne Jugend möchte das verbieten und euch einen treuen Freund wegnehmen. Was für ein herzloser Irrsinn!“ Die Partei betonte zugleich: „Die CSU ist für Haustiere und gegen eine Politik der Bevormundung. Deshalb gilt: Kein Schwarz-Grün!“ Da wollte der politische Rechtsausleger und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger in seiner Liebe zum Haustier gegenüber der CSU natürlich nicht zurückstehen und bescheinigte den Grünen ein „gestörtes Verhältnis“ zur Natur und warnte vor einer „gefährlichen Ideologie“.
Dieser auf den ersten Blick so treudoofe Auftritt des CSU-Generalsekretärs Huber mag auf den ersten Blick harmlos erscheinen und erntete in den sozialen Medien denn auch Spott und Hohn aus der links-grünen Ecke. Doch damit verharmlost man solch gezielt gesetzte Propaganda: Bewusst werden Lügen und Halbwahrheiten verbreitet und Nichtigkeiten aufgeblasen – frei nach dem Motto: Irgendwas bleibt immer hängen. Nicht von ungefähr erinnert die CSU-Propaganda dabei an Donald Trump: Der hatte kürzlich in einer Debatte mit seiner Konkurrentin Kamala Harris über Einwanderer gesagt, dass sie die Haustiere der Amerikaner essen. Trumps Satz erreichte weltweit fast Kultstatus: „In Springfield, they’re eating the dogs… they’re eating the cats…, they’re eating the pets of the people that live there.“ Sein Zitat ist längst in einem Song verewigt.
Nun könnte man meinen, Trump und auch CSU-Mann Huber machten sich mit solchen Auftritten lächerlich und würden von den Bürgern entsprechend bei den Wahlen abgestraft. Doch im Gegenteil: Trump und auch Huber arbeiten bewusst nach dem Motto: Von all dem „Shit“, mit dem wir dass Land fluten, wird sicherlich irgend etwas hängenbleiben. Das ist Steve Bannon in Reinkultur.
Man könnte das Beispiel mit dem angeblichen Haustier-Verbot auch als völlig unbedeutend abtun. Das aber wäre fahrlässig – verdeutlicht es doch exemplarisch das Vorgehen der Populisten. Weitere – etwas ernstere – Beispiele gefällig – und das aus der „Mitte der Gesellschaft“? Wenn CDU-Chef Friedrich Merz davon spricht, dass Flüchtlinge deutschen Bürgern die Zahnarzttermine wegnehmen, dann kann er dafür keinerlei Beleg anführen; er heizt aber völlig bewusst und völlig unnötig die Migrationsdebatte an. Wie auch mit dem Wort „kleine Paschas“ für junge Schüler mit Migrationshintergrund. Wie müssen die sich ob solcher rassistischen Entgleisungen des womöglich nächsten Bundeskanzlers fühlen.
Die bürgerlichen Parteien – bis hin zur SPD – spielen damit den Rechtsextremen in die Hände. Wenn das Thema Zuwanderung in den Medien und bei den Politikern nur noch auf Kriminalität, Islamismus, Sozialmissbrauch und Überlastung auf dem Wohnungsmarkt reduziert wird, wenn fast abendlich eine Talkrunde über versäumte Abschiebungen und Ausländer-Kriminalität im Öffentlich Rechtlichen Fernsehen stattfindet, weil das Quote bringt, dann verfestigt sich der falsche Einruck: Die Migration ist wirklich die „Mutter aller Probleme“ in Deutschland – wie der damalige CSU-Chef Horst Seehofer schon 2018 posaunte.
Dass andere ganz wichtige Themen in dieser panikartigen Debatte unberücksichtigt bleiben, ist ein weiterer negativer Aspekt: Fachkräftemangel, verrottete Infrastruktur, versagende Bürokratie, verpasste Digitalisierung – es gäbe wahrlich viel, über das es sich in Deutschland zu diskutieren lohnte und das es dann anzupacken gelte. Stattdessen: Ausländer – Ausländer – Ausländer. Diese systematische Verzerrung der Wirklichkeit verhindert letztlich Lösungen für die wichtigen anstehenden Probleme im Land.
Und wieder einmal hat damit die perfide „Shit-Methode“ von Bannon Erfolg. Die Rufe „Abschieben! Abschieben!“ und „Grenzen zu!“ treffen in dieser aufgeheizten Stimmung auf riesige Zustimmung – obwohl die Verantwortlichen und Experten wissen, dass beides nicht wirklich eine Lösung bringt. Wer aber in der Debatte ein differenziertes Vorgehen fordert, wird spätestens am nächsten Tag in der Springer-Presse dafür niedergemacht. Eine Diskussion darüber, dass Migration in großem Ausmaß für den Arbeitsmarkt in Deutschland unbedingt nötig ist, dass diese aber natürlich möglichst kontrolliert stattfinden muss, und – ja – , dass es durchaus Probleme mit manchen migrantischen Communitys gibt, eine solche sachliche Diskussion ist in dieser vergifteten Atmosphäre kaum mehr möglich.
Wenn man sieht, wie weit der öffentliche Diskurs in Deutschland schon vergiftet ist und wie tief die gesellschaftliche Spaltung fortgeschritten, dann verbietet sich eine arrogante Sicht auf die anstehenden Wahlen in den USA, auf die „tumben Amerikaner“ und den „wahnsinnigen Trump“, der sich ja übrigens durchaus bewusst wie ein böser Clown aufführt. Denn inhaltlich liegen Trump und die AfD-Spitze um Alice Weidel und Björn Höcke gar nicht weit auseinander. Und diese Rechtsextremisten beobachten sehr genau, wie Trump vorgeht. Sie fluten deshalb auch Deutschland immer mehr – und durchaus erfolgreich – mit ihrem „Shit“. Das Schlimme: Eine wirksame Gegenstrategie ist nicht in Sicht.