Alice Weidel hat einen neuen Titel. Kanzlerkandidatin darf sie sich jetzt nennen, die führenden Herren der AfD halten es für eine gute Idee, die nicht bekennende Queere 45-jährige zur Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl zu machen.
Und wie das so ist, ist das ein Zeitpunkt, an dem Journalisten nochmal besonders hinschauen. So auch ein Investigativ Team der Welt Redaktion. Denen war aufgefallen, dass Alice Weidel sich empört über das Schicksal der Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg gezeigt hat. Und das mit Hinweisen auf ihre Familie. Ihr Vater ist als Sechsjähriger mit der Familie aus dem oberschlesischen Leobschütz , heutige Glubczyce, nach Ostwestfalen geflohen. Diesen Teil der Familiengeschichte nutzt Weidel auch öffentlich, um über die Gräueltaten, die den Deutschen durch die alliierten Armeen angetan worden sind, zu sprechen.
Diesen Teil der Familiengeschichte kennt die 1979 geborene gut, die ihres Großvaters offensichtlich nicht. Denn auch Hans Weidel war Teil der fliehenden Familie. Der später im ostwestfälischen Harsewinkel tätige Rechtsanwalt und Notar war seit 1932 Mitglied der NSDAP und später der SS. Er war seit 1941 als Militärrichter in Warschau tätig und wurde von Hitler selbst zum Oberstabsrichter befördert. Weidel und seine Kollegen sprachen über 50.000 Todesurteile aus, von denen etwa 20.000 vollzogen wurden.
In einem staatsanwaltlichen Verfahren 1948 leugnete der Opa allerdings alle Verstrickungen in NS-Regime, er wusste angeblich auch nichts von der Vertreibung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung. Eine Aussage, die viele nach dem Krieg tätigen, um der Karriere in der Bundesrepublik nicht im Wege zu stehen. Erneute Untersuchungen unterschiedlicher Staatsanwaltschaften brachten auch in den 1970er Jahren keine Anklage zustande.
Vor dem Hintergrund der Rolle des Großvaters steht vielleicht aber die Flucht der Familie im neuen Licht. Denn es war vielen NS-Tätern wichtig, nicht in die Hände der Russen zu fallen, sondern eher die britische oder amerikanische Zone zu erreichen. Das ist allerdings Spekulation, belegt werden kann dies nicht, naheliegend wäre sie.
Interessant ist allerdings, wie Weidel mit der Familiengeschichte umgeht. Das Fluchtschicksal der Familie ist Teil ihrer politischen Propaganda. Der NS-Vergangenheit allerdings überhaupt nicht. Sie gibt an, die Rolle ihres Großvaters nicht zu kennen, dies sei nie Thema gewesen. Gut, sie war 6 Jahre alt, als der Nazi-Opa starb. Angeblich gab es Zwist in der Familie, sodass die Großvater Karriere tabu war.
Erwartbar ist allerdings von einer Spitzenkandidatin einer Partei für den deutschen Bundestag, dass sie sich spätestens jetzt mit ihrer Familiengeschichte auseinandersetzt. Gerade wenn sich Familienmitglieder Schuld in der NS-Zeit aufgeladen haben, sollte man das eigene Tun darauf reflektieren.
Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=S6t4D0V3IsY
https://www.tagesanzeiger.ch/alice-weidel-ihr-grossvater-war-mitglied-bei-nsdap-und-ss-645715569345
Bildquelle: Screenshot WELT Nachrichtensender vom 3.11.2024