Kamala Harris hielt eine Woche vor dem Wahltag, dem 5. November, ausgerechnet an jener Stelle in Washington D.C. ihre Abschiedswahlkampfrede, an der Donald Trump am 6.1. 2021 seine Fans zum Sturm auf das Kapitol aufforderte. Harris Botschaft : „Ein neuer Weg vorwärts“, die Demokratie retten, soziale Gerechtigkeit in Freiheit für alle Bürger verwirklichen und die Rechte der Frau am eigenen Köper stärken. Ob das reicht? Gegen Trump, den ImmobilienInvestor und TV- Unterhaltungsmenschen, der auf diesem Wege mit zehntausenden Lügen die Wähler in seinen Bann zu schlagen verstand und gegen Hillary Clinton mit 2,88 Millionen Stimmen verlor, aber dennoch der 45. Präsident der USA wurde und nun zum 47. Präsidenten werden will.
Donald J. Trump will mit aller Macht ins Weisse Haus. Die Republikanische Partei hat er in neun Jahren zur Trump-Partei umgebaut. Den Menschen gaukelt er vor, wirtschaftlich kompetenter zu sein als Harris und dem wird geglaubt. Ein Nachteil für Harris.
Viele Menschen in den USA, nicht nur eingefleischte Demokraten, sehen dennoch mit einer Wiederwahl Trumps zum 47. Präsidenten die Demokratie in Gefahr. 200 Republikaner, unter ihnen Ex-Vizepräsident Cheney und seine Tochter, werben für Stimmen für die Demokratin Harris. Namhafte Politologen, Soziologen und Geschichtswissenschaftler stellen – nicht nur in den USA – einen Trend zum starken Führer fest. Ein Teil dieser Tendenz liegt in den USA auch in der Geschichte. Die ersten Siedler waren vornehmlich protestantische Gläubige, die berühmten Pilgrim Fathers, die eine christliche Herrschaft errichten wollten, mit rigiden Regeln. Demokratie war damals allenfalls eine historische Kategorie aus dem alten Griechenland. Und die, wie man so schön sagt, älteste geschriebene demokratische Verfassung der Welt, die US- amerikanische aus dem Jahr 1789 mit damals 13 Mitgliedsstaaten , musste Kompromisse mit den fünf Südstaaten eingehen, die auf jeden Fall das Recht zur Sklavenhaltung nicht preisgeben wollten. Das wurde zumindest für zwanzig Jahre gesichert, ohne dass Sklaverei in der Verfassung erwähnt wurde. Faktisch hielt dies viel länger, nämlich bis zum Ende des Bürgerkrieges 1865.
Ein heute kaum nachzuvollziehender Kompromiss war dabei: die Drei Fünftel Klausel: Danach durften Sklaven zur Wahlbevölkerung gezählt werden, obwohl sie nicht wahlberechtigt waren. Das verschob das Gewicht der „Wahlbevölkerung“ um 25 % zu Gunsten der bevölkerungsärmeren Südstaaten, schaute man nur auf die weisse Bevölkerung, was man damals tat und was die Trump Bewunderer auch mit ihm für die Zukunft fortschreiben wollen. Und was ihnen auf Grund des eigenartigen Wahlsystems in den USA auch gelingt: Ländliche Gebiete sind im Schnitt mit 29% überrepräsentiert. Auf Grund der Schieflage in der Repräsentation der Wähler im Kongress führt das seit Jahrzehnten häufig zum Ergebnis, dass die Republikaner trotz weniger direkter Stimmen bei Wahlen dennoch eine Mehrheit der Abgeordneten erringen.
Entgegen allen demographischen Tatsachen: Im Jahre 2050 werden die Weissen in den USA in der Minderheit gegenüber allen anderen Ethnien sein.
Und eine weitere Ungerechtigkeit wurde damals verankert: Die Zusammensetzung des Senats: Demokratie: one Man one Vote? Das spiegelt sich im US Senat nicht wieder, wo ein Kleinstaat wie Wyoming mit 586 485 Einwohnern ebenso 2 Senatoren wählt wie der Bundesstaat Kalifornien mit fast 40 Millionen Einwohnern. Das heisst, ein Wähler in Wyoming hat 70 mal so viel Einfluss wie ein Wähler aus Kalifornien.
Dies per Verfassungsänderung zu verbessern, wurde von Anfang an erschwert: Zwei Drittel aller Abgeordneten in beiden Häusern des Kongresses müssen zustimmen und drei Viertel aller 50 Bundesstaaten. Ein überaus schwieriges Unterfangen. Das beispielsweise hat seit mehr als hundert Jahren verhindert, dass die Art der Präsidentenwahl geändert werden konnte.
Einst wurde das Wahlmännergremium ersonnen, dass den US-Präsidenten wählt. In unterschiedlicher Weise kommen die in den 50 Bundesstaaten zustande. In zwei der Bundesstaaten, in Maine und Nebraska, spiegelt sich das tatsächliche Votum der Wähler in den dann zu entsendenden Wahlmännernzahlen wieder. In den übrigen gilt, gewinnst du den Staat – mit welch knapper Mehrheit auch immer – stehen dir alle Wahlmänner- und -frauenstimmen komplett zu. So siegte 2016 Donald Trump mit 306 zu 232 Wahlmännern und -frauen, obwohl er nicht die Mehrheit der Wählerstimmen erhalten hatte. Aber nicht das allein belegt, die USA als Muster der Demokratie existieren nicht so, wie wir lange glaubten.
Die Autoren Steven Levitsky und Daniel Ziblatt schauen in ihrem Buch „Die Tyrannei der Minderheit-Warum die amerikanische Demokratie am Abgrund steht und was wir daraus lernen können“, erschienen bei DVA , 291 Seiten, 26 Euro, sehr genau hin und öffnen uns die Augen für Dinge, die auch bei uns passieren können. Schauen wir aktuell nur nach Ungarn, in die Slowakei oder nach Italien. Aushebeln der Medienvielfalt, Aushöhlen der Justizunabhängigkeit, Tendenz zu oligarchischem Wirtschaftssystem, das korruptionsanfällig wird. All das beobachten die zwei Autoren in den USA in den letzten 30 Jahren zunehmend. Bei den Medien ist es nicht das Aushebeln sondern die Polarisierung sowie die ungefiltert Fakenews produzierenden social media im Internet, sowie die einseitige Besetzung des Obersten Gerichts, deren neun Richter auf Lebenszeit gewählt sind und so teils 40 und mehr Jahre im Amt sind. Hinzu kommt die Unfähigkeit der USA, Konzerne wie Google, Meta/Facebook, Twitter/X und Amazon durch Wettbewerbsverfahren in für die Gesellschaft erträgliche, wettbewerbsfördernde Grössen zu spalten. Das letzte grosse Verfahren , das zu einer Zerschlagung eines zu mächtigen Konzerns führte war 1984 in den USA. Wissenschaftler warnen davor, dass zu grosse Machtkonzentration in wenigen Händen zu mangelnder Innovationskraft, weniger Auswahlmöglichkeiten für den Verbraucher und zu weniger Demokratie führen.
Wenn Trump am 5. November wieder gewählt wird, dann könnte man das nur vergleichen mit dem Szenario, dass in Frankreich Marine Le Pen Präsidentin würde 2027 oder in Deutschland würde Alice Weidel von der AFD Bundeskanzlerin auf Grund einer Koalition nach der Bundestagswahl 2025.
Wenn er aber verliert, wird er wieder behaupten, um den Wahlsieg betrogen worden zu sein. Und er wird diesmal den Supreme Court, das oberste Gericht der USA an seiner Seite wissen, die ihm im Zweifel Recht geben könnten, von ihm mit 6:3 Konservativer Mehrheit besetzt, und möglicherweise wie 2000 bei Bush gegen AL Gore letztentscheidend, damals zu Gunsten von George Walker Bush .