„Bündnis Markus Söder“ nennt die SZ in ihrem Leitartikel zum CSU-Parteitag die bayerische Schwesterpartei der CDU, die Ähnlichkeit mit dem Begriff „Bündnis Sahra Wagenknecht“ ist gewollt. Der heutige CSU-Parteichef und Ministerpräsident des Freistaates Bayern ist ein ziemlicher Alleinherrscher, wie Wagenknecht, aber das heißt nicht, dass Söder einem bayerischen König gleich herrschen und walten könnte, wie er das wollte. Und bei aller Überlegenheit, die Markus Söder auch gern nach außen spielt, ist der Unterschied zu Sahra Wagenknecht gewaltig. Das BSW ist eine neue Partei, eine One-Frau-Show, ohne viele Mitglieder, ohne großes Programm, die CSU gibt es seit der Gründung der Bundesrepublik. BMS, die Abkürzung wird einer wie Söder schmunzelnd zurückweisen, schließlich ist die CSU eine demokratische Partei, er, Söder demokratisch gewählt als Vorsitzender der CSU und als Regierungschef eines Landes, das Söders Amtsvorgänger Seehofer mal als „Vorstufe zum Paradies“ geadelt hatte. Nein, König von Bayern ist er nicht, aber wie er vor Jahr und Tag mit der Kanzlerin Angela Merkel im Schiff über den Chiemsee fuhr zum Empfang auf Herrenchiemsee, das hatte schon was Königliches. Der Ort steht gleichermaßen für den sogenannten Märchenkönig Ludwig II. wie für den Verfassungskonvent, der in diesen herrschaftlichen Räumen wenige Jahre nach dem 2. Weltkrieg die Vorlage für das spätere Grundgesetz der Republik erarbeitete.
Es ist schon ein Kreuz mit der CSU und ihrem übersteigerten Selbstbewusstsein. Das konnte man am stärksten bei Franz-Josef Strauß besichtigen. Der einstige CSU-Chef, gestürzte Bundesverteidigungsminister und ehemalige Ministerpräsident des Freistaates Bayern ließ im Grunde nur gelten, was er für richtig hielt. Der Rest war mindestens zweitrangig. Und sich selber hielt der Bayer für den Größten, sein Ebenbild gab es nicht, nirgendwo. Wer erinnert sich noch an seine Wienerwald-Rede, als er vor der Jungen Union Bayern den CDU-Politiker Helmut Kohl niedermachte. Der werde nie Kanzler, betonte Strauß und sprach dem Pfälzer noch nebenbei alle Qualitäten ab. Die Geschichte verlief dann etwas anders, als Strauß sich das ausgedacht hatte. Helmut Kohl, der CDU-Chef, ließ seinem bayerischen Kontrahenten zwar den Vortritt als Kanzlerkandidat gegen den SPD-Kanzler Helmut Schmidt, ahnend, dass der CSU-Mann sein Ziel verfehlen werde, weil die FDP unter Hans-Dietrich Genscher nicht zum Koalitionswechsel von der SPD zur Union bereit war. Und zwar wegen Strauß. Stoppt Strauß! So das Motto vieler Proteste gegen den Mann, um den sich manche Geschichten und Affären rankten. Man denke an die Spiegel-Affäre, an den Panzer HS-30, den Starfighter, an das Amigo-System, ein Netzwerk von Freunden und Geschäftsleuten. Man sprach auch vom System Strauß, das alles sei erwähnt, damit die CSU ihren Franz-Josef nicht noch eines Tages heiligspreche.
Strauß ist sein Vorbild
Markus Söder hat einst Strauß als sein großes Vorbild bezeichnet. Als junger Mann habe er ein Poster des großen Franz-Josef über einem Bett hängen gehabt, hat er selber erzählt. Da mag mancher Jungmann lächeln und an seine eigenen, nämlich völlig anderen Träume denken. Söder ist eben anders, Söder halt, nicht nur ein Bayer, sondern auch noch ein Franke, was in den Augen der anderen Bayern etwas Besonderes ist. Eine Spezies Mensch, ehrgeizig, die alles besser weiß und dies auch die Umgebung spüren lässt. Das mit dem Mia-san-mia müsste eigentlich den Ursprung in der fränkischen Metropole haben. Die Franken sehen sich grundsätzlich in der ersten Reihe, weil sie die Besten sind unter all den Guten. Ich habe mich immer gefragt, warum der Markus Söder Fan des !. FC Nürnberg ist, des Altmeisters, dessen Glanz seit Jahrzehnten verblasst ist, und nicht des FC Bayern.
Einer wie Söder will immer alles, das hat sein Amtsvorgänger Horst Seehofer zu spüren bekommen. Der Söder saß ihm über Jahre im Nacken, der CSU-Chef und Ministerpräsident aus Ingolstadt wusste, dass der jüngere CSU-Mann ihn beerben wollte, lieber früher als später. Bei einer Weihnachtsfeier hat Seehofer mal die Journalistinnen und Journalisten wissen lassen, dass er dem Franken „Schmutzeleien“ zutraue. Damit könnten Informationen über Seehofers damaliges Privatleben gemeint sein, er hatte ein uneheliches Kind mit einer Mitarbeiterin aus der CDU-Zentrale in Berlin. Söder hat stets bestritten, dass er der Informant gewesen sei, auch die Umgebung dementiert, es half nichts. Die Geschichte stand und steht im Raum, man traute es eben Söder zu.
Er ist ein Machtmensch, aber eben nur im Freistaat. Die CSU ist gemessen an der CDU eine kleine Partei, eine Regionalpartei mit bundespolitischem Anspruch, wie es so schön heißt. Dem hat aber schon der Strauß, Franz-Josef mächtig gegengehalten. Strauß machte Weltpolitik, fuhr nach China, erfuhr dort „die höchste Weihe einer Audienz“ mit dem mächtigsten Mann der Volksrepublik, Mao Zedong, er flog mit einem Privatjet- des Rosenheimer Fleischhändlers Josef März- nach Moskau, um den Kreml-Chef zu besuchen. Strauß fädelte einst den Milliarden-Kredit für die DDR ein, etwas, wovon CSU-Leute längst nichts mehr wissen wollen. Wer weiß, wann die DDR pleite gewesen wäre ohne die Milliarden-Spritze?! Und das machte der große Strauß alles ohne Ämter!
Der CSU-Parteikongress an diesem Wochenende wird kein Söder-Hochamt werden, am Samstag spricht Friedrich Merz, der CDU-Chef und Kanzlerkandidat der Union, der den von Söder bekämpften Amtsinhaber Olaf Scholz ablösen und der Ampel ein Ende bereiten soll. Dass das so kommen kann, dafür sprechen alle Umfragen, die CDU liegt konstant mit über 30 Prozent klar vor Scholzens SPD, die gerade auf die Hälfte der Stimmen kommen werde, würde heute gewählt. Dass Merz statt Söder antritt, um Kanzler zu werden, wird Söder schmerzen, aber er hätte es wissen müssen. Merz ist immerhin Chef der Bundestagsfraktion und der Partei, der Mann hat Nachholbedarf an politischen Führungsämtern, zog er sich doch Anfang der 2000er Jahre aus der Politik zurück in die goldene Wirtschaft, weil Angela Merkel ihm den Job des Fraktionschefs der Union streitig gemacht hatte. Söder ist 57 Jahre alt, Merz wird in November 69, im Falle seiner Kanzler-Wahl im nächsten Spätsommer/Herbst wäre Merz dann bald 70 Jahre alt.
Sieg des Sauerländers
Den Kampf gegen Merz konnte er nicht gewinnen, auch nicht mit seiner Strategie, frühzeitig die Öffentlichkeit zu informieren, dass er sich nicht drücken werde, fragte man ihn. Aber man fragte ihn halt nicht und sein Ministerpräsidenten-Kollege aus NRW, Hendrik Wüst, zog im richtigen Augenblick seine eigenen Ambitionen auf höchste Ämter zurück und plädierte für Merz. Das war der Sieg für den Sauerländer, Söder musste klein beigeben, er betrat mit Merz die Bühne und verkündete das Ergebnis. In aller Harmonie? Das wird man sehen, wie Merz sich macht, ob er Statur gewinnt als einer, der nicht nur Kandidat sein will, sondern Kanzler werden will. Da braucht es dann die nötige Performance, wie es neudeutsch heißt, die nötige Ruhe, Ausstrahlung, Überlegenheit, Disziplin, um den Wählerinnen und Wählern zu zeigen: Ich kann Kanzler, werde mich um Euch und das Land kümmern. Merz besitzt mit 1,98 Meter eine gewisse Länge, ob er ein Großer wird?
Der Parteitag in Augsburg ist für Söder ein Heimspiel, eigentlich. Söder muss Merz die Bühne überlassen, weil er ja anders als im Fall von Armin Laschet will, dass Merz gewinnt, dass dieses Mal die Union wieder das Kanzleramt führt und die CSU in Berlin wieder ein Wörtchen mitreden kann. Das findet seit der Ampel-Regierung nicht statt, aus München hört man lediglich die Forderung: Die Ampel muss weg. Die Ampel ist die schlechteste Regierung ever. Und seit einiger Zeit hat Söder die Attacke auf die Grünen-Spitze verlegt: Habeck und Baerbock müssen zurücktreten. Keine Koalition mit den Grünen, das hat Söder ja in Bayern durchgesetzt und lieber ein Bündnis mit dem mehr als umstrittenen Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger geschlossen. Da haben manche die Nase gerümpft, die den mehr als gewöhnungsbedürftigen Ton des Niederbayern nicht so schätzen, die es nicht so mögen, wenn einer ins Mikrofon brüllt, die in Berlin hätten doch wohl den Arsch offen. Und im übrigen müsse man die Demokratie zurückholten, als wäre sie weg. Was Unsinn ist.
Die zweite Geige zu spielen, das ist nicht Söders Lieblingsrolle. Er diktiert gern, was gespielt wird, er ist gern die Nummer 1. Aber Bayern ist nicht Berlin. In der Fuggerstadt Augsburg wird man beobachten, beäugen, wie er Merz reden lässt, wann er ihm applaudiert, ob er dem CDU-Chef in seiner eigenen Rede zur Seite steht oder ob er eine wenn auch nur kleine Distanz erkennen lässt. Noch einmal werden ihm die Parteifreunde und die Leute aus der CDU die zerstörerische Rolle nicht verzeihen, mit der er im letzten Wahlkampf den CDU-Herausforderer Laschet ein ums andere Mal in Verlegenheit brachte. Die CSU ist bundesweit gerechnet eine kleine Oppositionspartei mit gerade mal 5,2 Prozent der Stimmen. Damit ist das Größenverhältnis zur CDU klar benannt. Und nachdem Merz der Kanzlerkandidat ist, ist Söder nur noch einer der 16 Ministerpräsidenten. Da wird es nicht leicht sein, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, es sei denn, er krittelt wie gehabt am CDU-Chef herum. Es rächt sich, dass Söder in der Vergangenheit die Berliner Bühne weitgehend gemieden hat, Besprechungen der Regierungschefs überließ er oft seinem Staatskanzleichef. Von 82 Bundesratssitzungen seit 2018 hat er nur an deren 11 teilgenommen. Das wirkt etwas respektlos gegenüber Verfassungsorganen, auch wenn Söder das weit von sich weisen wird. Aber so ist das, wenn man nur auf- und antritt, wenn man der Erste ist. Chef halt. Und da passt es eben auch ins Bild, dass Söder angekündigt hat, für den Fall des Sieges von Friedrich Merz nicht nach Berlin zu gehen, um Minister in einer Regierung Merz zu werden. Das hat damals schon Edmund Stoiber die Karriere gekostet.
Gegen Schwarz-Grün
Söder polemisiert gegen die Grünen, die gewählten Sprachbilder sind nicht nachahmungswert, manches unter Niveau. Er werde notfalls sein Veto einlegen gegen eine Koalition mit den Grünen, die er verteufelt. Man muss kein Freund der Grünen sein, um diesen Umgangsstil des bayerischen Ministerpräsidenten zu kritisieren. Söder weiß selber, dass in der Bundesrepublik alle demokratischen Parteien bereit sein müssen, miteinander zu koaliere. In NRW regiert Schwarz-Grün lautlos und durchaus erfolgreich wie in Schleswig-Holstein, in Stuttgart sitzt seit zehn Jahren ein Grünen-Ministerpräsident in der dortigen Staatskanzlei. Winfried Kretschmann gelang damals das Kunststück, der CDU „ihr“ Land abzunehmen, das sie 58 Jahre mit wechselnden Partnern regiert hatte. Alle drei Länder haben jetzt einen gemeinsamen Vorstoß zur Änderung der Migrationspolitik und zur Terrorbekämpfung gemacht, was die Ampel in Berlin in Schwierigkeiten bringt. Söders Alleingänge verschaffen ihm kaum Freunde. Dass vieles in Bayern besser läuft als woanders, bestreitet niemand, aber dass es vor allem Söders Erfolge seien, die die bayerische Wirtschaft am Laufen hält, gehört zu den Märchen, die Söder gern erzählt. Dieser Egoismus geht manchen auch seiner Parteifreunde auf die Nerven. Irgendwann wird er Freunde brauchen, Unterstützung, und wenn er dann allein dasteht, könnte er belämmert ausschauen. Er frage mal Edmund Stoiber, der nach der knappen Wahlniederlage gegen Gerhard Schröder einen riesigen Wahlsieg bei der anschließenden Landtagswahl in Bayern einfuhr. Und trotzdem bei nächster Gelegenheit abgesägt wurde.
Im Falle eines Merz-Wahlsieges ist vieles möglich. Es kommt auf die Koalition an, darauf, wer mit der Union regiert, ob Schwarz-Rot eine Mehrheit hat, oder Schwarz mit Grün. Oder mit FDP und SPD. Die CSU wird Ansprüche erheben, Söder wird mitreden, auch bei der Frage, wer denn 2027 die Nachfolge von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier antreten soll. Als CSU-Chef hat er Einfluss auf das, was im Koalitionsausschuss beschlossen wird. Ja, er hätte dann auch eine Art Veto-Recht, wenn er es richtig anpackt. Aber er muss in diesem Fall bedenken, dass ein anderer Kanzler ist, Chef ist, der das Sagen hat. Und das ist nicht er, Markus Söder.