„Wenn eine Partei erwiesenermaßen antidemokratische Ziele vertritt, wenn eine Partei erwiesenermaßen daran arbeitet, die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland umzustürzen, dann muss eine Demokratie wehrhaft sein und eine solche Partei verbieten. Insofern spricht aus meiner Perspektive mit Blick auf die AfD sehr viel dafür, tatsächlich diese Partei zu verbieten, weil sie, wenn man sich die Schriften und Äußerungen von Björn Höcke in Thüringen ansieht, ganz eindeutig nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht.“ Zitate des Direktors der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Peter Wagner. Der Mann ist Historiker und erlebt seit Jahr und Tag, wie Rechtsextreme und Neonazis mit der Erinnerungskultur Schindluder treiben. „Wir haben“, sagt Wagner weiter, „die historische Erfahrung gemacht, was für ein Horror entsteht, wenn völkisch-nationale Gedanken sich mit der Macht verknüpfen.“
„Das sind Verfassungsfeinde“, hat der frühere Bundesinnenminister Gerhard Rudolf Baum in einem Gastbeitrag der SZ Anfang des Jahres betont. „Und keine Sektierer, sondern seit vielen Jahren in so vielen Parlamenten vertreten.“ Baum kannte da noch nicht die Wahlergebnisse von Thüringen, Sachsen und Brandenburg, wo die AfD rund ein Drittel der Stimmen bekam und in Thüringen sogar stärkste Partei wurde. Mit einem wie Höcke, wegen oder trotz? Und wir schauen zu, wie sich diese Partei breit macht, wie sie mit Hohn diese Demokratie bekämpft, um sie am Ende zu zerstören. Derselbe Baum zitierte den berüchtigten NSDAP-Propaganda-Chef Josef Goebbels in den 30er Jahren: er verkündete im Reichstag, dass die NSDAP die Möglichkeiten der Demokratie nutzen werde, um diese abzuschaffen. Und wir schauen zu, was die AfD heute damit macht? Gerade war das in Thüringen zu besichtigen. Wir handeln nicht, weil wir Angst haben, dass diese AfD von einem Verbotsverfahren gegen diese Anti-Demokraten noch profitieren werde? Oh, ihr feigen Bedenkenträger! Wenn das Bundesverfassungsgericht ein Urteil fällt, indem glasklar stehen würde, dass diese Partei verfassungsfeindliche Ziele habe und deshalb verboten werde, soll ihr das nützen? Warum? Weil sich die AfD als Opfer gerieren würde? Das tut sie doch fast immer. Dabei ist sie ist doch Täter, indem sie gegen das Grundgesetz arbeitet, gegen die Würde des Menschen.
Warum nur sind wir so ängstlich, wie es gerade wieder mal einer wie Sigmar Gabriel in seinem Interview mit dem „Handelsblatt“ ausgedrückt hat? Natürlich muss es eine breite Bewegung der Demokraten geben, die für den Erhalt des Grundgesetzes auf die Straße geht und dafür demonstriert. Wir haben doch etwas zu verlieren. Wollen wir wie damals in den 30er Jahren nur zuschauen und darauf hoffen, dass wir diese „Nazi-Partei“- Hendrik Wüst- einhegen in unser demokratisches System, das die Neonazis zerstören wollen? „Intoleranz gegenüber denen, die die Demokratie missbrauchen, um sie umzubringen“, hat der große Verfassungsvater, der Sozialdemokrat Carlo Schmid einst gesagt, als er mit den wenigen Müttern- es waren nur vier- und den vielen Vätern das künftige Grundgesetz beriet. An Carlo Schmid könnte sich die SPD orientieren, auch Sigmar Gabriel.
Soll man die AfD verbieten? Ja, denn da sind Funktionäre, die Migranten und Muslime pauschal als „Parasiten“, „Invasoren“ oder „Messermänner“ bezeichnen. Die sie, mehr noch, für eine millionenfache Remigration“ vorsehen oder „in Anatolien entsorgen“ möchten. Die Zitate sind keine Erfindung von mir, sie standen gerade in der taz. Man kann sie aber auch in jedem gut geführten Archiv finden. Und weiter lese ich in dieser Zeitung: „Die unablässig von einer „Parteiendiktatur“ und „Volksverrätern“ sprechen, wenn sie demokratische Politiker meinen, oder von der Bundesregierung als „psychisch kranke Deutschlandhasser“. Die NS-Verbrechen wie den Holocaust kleinreden und das Mahnmal neben dem Brandenburger Tor, das an die sechs Millionen ermordeten Jüdinnen und Juden durch die Nazis erinnert, als „Schande“ hinstellen und die eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ einfordern. Wollen wir das einfach so hinnehmen, was diese AfD-Leute so fordern. „Die Widerstand gegen einen schleichenden Genozid an der deutschen Bevölkerung“ einfordern und einen Überlebenskampf predigen. Es sind Kampfansagen, an Migranten, Muslime. Demokraten.“ Und wir hören uns das an und belassen es dabei, dass wir das entsetzlich finden. Nur kein Verbot der AfD beantragen, da müsste man ja kämpfen, erstklassige Juristen mit beauftragen und man könnte sogar verlieren. Dabei ist die Chance mindestens 50:50.
Weghören gibt es nicht
Weghören können wir uns nicht mehr leisten. Und wir können auch später nicht sagen, wir haben das alles nicht gewusst und nicht geahnt. Das Fernsehen überträgt gelegentlich direkt, man kann alle Vorwürfe belegen. Und wie sollen wir das weiter halten mit dem Hass, den die wirklichen Opfer, Ausländer, Juden, Muslime, Farbige, Menschen, die anders aussehen als der gemeine Deutsche aus Leipzig oder Gelsenkirchen? Diese Menschen brauchen unseren Schutz, wir müssen uns laut zur Wehr setzen und die Täter wegen ihrer unmenschlichen Haltung an den Pranger stellen. Es ist ja wahr: Die Gefahr, dass sich Geschichte wiederholt, dass sich hier eine Radikalisierungsspirale immer weiter dreht und immer mehr Menschen in diesem Lande mitreißt, ist größer denn je.
Das NPD-Verbot scheiterte vor Jahren nicht an den verfassungsfeindlichen Zielen der Partei- die sah das Gericht als erwiesen an-, das Verbot scheiterte daran, dass die NPD zu klein war, ihr die Macht fehlte, ihre Ziele durchzusetzen. Entscheidend für ein Verbot ist doch nicht, ob eine Partei zu populär ist für einen solchen Schritt, entscheidend sind ihre Ziele. Ich halte das Argument für hanebüchen, die AfD sei zu groß, zu populär, um gegen sie ein Verbot zu verhängen. Wenn wir das NPD-Verfahren von damals zur Hand nehmen, kann man daraus schließen, dass die AfD nun diese Macht hat, die der NPD fehlte, um sie zu verbieten. Im Grunde müssten sich den 37 Abgeordneten aller demokratischen Parteien Dutzende weitere anschließen. Es ist Gefahr im Verzuge, es muss gehandelt werden.
Es geht nicht um politische Taktiererei, es geht um das Fundament dieses Staates, das Grundgesetz. Artikel 1 lautet: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das ist der große Wert unserer Verfassung, die Menschenwürde steht über allem, sie ist unantastbar. Und wenn eine politische Partei diese Werte verachtet und verhöhnt, wenn sie die Menschenwürde ethnisch definiert, wenn sie Feindschaft sät, Hass und Rassismus predigt, dann ist sie keine demokratische Partei. Die AfD ist keine demokratische Partei. Diese Zitate habe ich einer Kolumne von Heribert Prantl in der „Süddeutschen Zeitung“ entnommen. Demokratie muss man lernen, verteidigen gegen ihre Feinde, man darf sie nicht denen ausliefern, die sie beseitigen wollen. Womit wir wieder ganz in der Nähe des großen Carlo Schmid wären. Und dem Mut zur Intoleranz gegenüber den Verfassungsfeinden. Und das gilt „gerade dann, wenn die Verächter der Menschenwürde in die Parlamente gewählt worden sind.“ Schreibt Prantl und ergänzt frei nach Carlo Schmid: Zu den Freiheiten der Demokratie gehört nicht die Freiheit, die Demokratie und ihre Grundwerte umzubringen.
Rechtsstaat setzt Grenzen
Der Rechtsstaat kann, ja darf nicht einer Partei zusehen, sie gar noch mitfinanzieren, die von rechtsextremen Motiven getrieben ist, die derart völkische Töne anschlägt, dass es selbst anderen Rechtsaußen-Parteien in Europa zu weit geht. So geschehen in Frankreich. Ein Verbot würde den AfD-Anhängern zeigen, dass der Rechtsstaat Grenzen setzt und dass es eine wehrhafte Demokratie gibt, die sich zur Wehr setzt , die handelt, und nicht nur darüber redet.
Mut zur Intoleranz, das ist der Weg des Verbots einer verfassungsfeindlichen Partei. In Artikel 21, Absatz 2 Grundgesetz heißt es: „Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgesetz.“ Man darf damit aber nicht warten, bis es zu spät ist, warnt der Jurist und Journalist Heribert Prantl. Der Weg des Verbots, der gerade diskutiert wird, ist mithin keine Kapitulation, kein Eingeständnis des Scheiterns der Politik, sondern er ist ein Auftrag. Ein Auftrag der Verfassungsmütter und -väter des Grundgesetzes an die Nachkommen, jener Frauen und Männer, die aus den Ruinen des Nazi-Reiches Konsequenzen zogen und mit dem Grundgesetz dem zerstörten Land die Grundlage und all die Werte gaben, auf denen das Fundament dieser Republik ruht. Es ist ein Auftrag, das Erreichte nicht zu gefährden, aufzupassen und einzugreifen, wenn Gefahr drohe. Der Auftrag liegt quasi auf den Schreibtischen der demokratischen Abgeordneten: Lasst nicht zu, dass die Feinde der Verfassung siegen.
Extremisten, die Hass und Ressentiments schüren, gefährden diese Demokratie. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit dem Verbot der AfD kann vielleicht all die potentiellen Wählerinnen und Wähler der AfD eher davon abhalten, ihre Stimme einer verfassungswidrigen Partei zu geben. Einer Partei, die nicht das Wohl des Volkes vor Augen hat. Es gibt genügend Gründe, mit der herrschenden Politik nicht einverstanden zu sein, aber das ist noch lange kein Grund, eine „nationalistische und neonazistische Partei“(Prantl) zu wählen. Damit aus dem „Nie wieder“ unserer Mütter und Väter nicht das „Schon wieder“ wird. Für das braune Kreuz gibt es keine Entschuldigung.
Liebe Redaktion, lieber Alfons,
in diesem Beitrag sind die Argumente und Fragen exakt niedergelegt, die ich mir seit Monaten stelle und mit Freunden diskutiere. Warum hat niemand an verantwortlicher Stelle im politischen Spektrum den Mut und vor dem Hintergrund der bestehenden Urteile auch die Pflicht, als Demokrat entsprechende Verbotsanträge zu stellen. Dieses Gewürge und Nichtstun wird langsam unerträglich. Hier werden Chancen vergeben, die zur Verteidigung unseres Rechtsstaates zielführend sein können.
Bleibt für den kleinen Bürger nur die Hoffnung, dass dieser Aufruf von denjenigen gelesen wird, die endlich eine Initiative ergreifen können.
Herzliche Grüße