Markus Söder hat Gardemaß. Mit einer Länge von 1,94 Metern überragt er den amtierenden Kanzler Olaf Scholz von der SPD. Dass ich ihn mit Scholz messe, liegt daran, dass dieser Söder den Bundeskanzler beerben möchte. Vor Ehrgeiz scheint dem CSU-Chef und bayerischen Ministerpräsidenten fast das Hemd zu platzen. Warum eigentlich? Seine CSU ist eine Regionalpartei, allein wählbar in Bayern, wo sie ohne richtigen politischen Gegner ist, folgerichtig stellt diese Partei seit Jahrzehnten den Ministerpräsidenten des Freistaates. Das mit der Regionalpartei hat sie immer gewurmt, schon Franz-Josef Strauß machte deshalb klar, dass sie eine Regionalpartei mit bundespolitischem Anspruch ist. Mindestens, Weltpolitik wäre ihm lieber gewesen. Wer es einmal mit der CSU zu tun gehabt hat, weiß, was das heißt. Klein geht gar nicht, Christsoziale fühlen sich als eine Macht und machen das immer wieder klar. Das große Wort ist die CSU-Sprache und wenn sie den Gegner oder überhaupt jemand attackiert, muss der sich warm anziehen. Da ist man nicht pingelig. Mir san mir. Das ist die CSU.
Markus Thomas Theodor Söder, 57 Jahre alt, geboren in Nürnberg, promovierter Jurist, Redakteur beim bayerischen Rundfunk, Landtagsabgeordneter der CSU, Bewunderer von Franz-Josef Strauß. Wörtlich sagte er: „Strauß, dieses Kraftuhrwerk, dieser Titan der Worte, hat mir unheimlich gut gefallen. Ich hatte sogar ein riesengroßes Poster von Strauß, fast überlebensgroß…unter einer Dachschräge hing dieses Poster. Wenn ich aufgewacht bin, habe ich also an der Decke direkt Strauß angeschaut.“ Welcher junge Mann kann da mithalten?! Ein Strauß-Porträt über dem Bett. Söder ist CSU-Mitglied seit 1983, war Landesvorsitzender der Jungen Union, Leiter der Medienkommission der Partei, Generalsekretär der CSU, Europa-Minister, Umweltminister, Finanzminister, seit 2018 ist er Ministerpräsident, CSU-Parteichef ist er natürlich auch. Und?
Der Leser der „Süddeutschen Zeitung“ vom heutigen Freitag war, wenn er nicht Mitglied der CSU ist, etwas überrascht, als er die Seite 2 des Münchner Blatte aufschlug. Ein großes Söder-Porträt zierte ein Interview der SZ-Redakteure mit dem bayerischen Ministerpräsidenten. Lachend saß er da im blauen Blümchenhemd unter blauem Jackett, die Hände gefaltet, aber nicht zum Gebet, sondern um klarzumachen, was er, der Söder, Markus will. „Kanzler oder Ministerpräsident“, sagte er am Ende des Gesprächs. Als Bundesminister würde er also nicht nach Berlin gehen. Der Mann hat immer schon das große Wort gepflegt, man könnte auch sagen, er nimmt den Mund stets ziemlich voll.
Dass er die Ampel beschimpft, ist nicht neu. Das macht er, seit Scholz im Amt ist. Seit der Zeit ruft er der Regierung aus SPD, den Grünen und der FDP zu: Ihr seid die schlechteste Regierung, die die Republik je gehabt hat. Dass Krieg ist in der Ukraine, der Geld kostet, auch Deutschland, der vieles über den Haufen geworfen hat, offensichtlich Nebensache für Söder. Es steht schlecht um Deutschland, das will Söder jeden wissen lassen. Er wiederholt es pausenlos. Und dafür verantwortlich sind Scholz, Habeck, Baerbock und Co. Weil die es nicht können. So hat es sein großes Vorbild Strauß einst auch gehalten. Schimpfen auf die in Bonn, wobei er Respekt hatte vor einem Kanzler wie Helmut Schmidt, weil er wusste, dass der Hamburger auch etwas davon verstand, anderen die Leviten zu lesen. Einer wie Strauß teilte aber dann auch aus gegen Helmut Kohl, den CDU-Chef, dem er ja in seiner legendären Rede vor der Jungen Union der CSU im Wienerwald-Restaurant in München bescheinigt hatte, völlig unfähig zu sein. Der werde nie Kanzler. Die Geschichte, wir wissen es, ging anders aus. Aber Strauß wusste es auch später immer besser als Kohl, nur bekam der Bayer nie Recht, der Pfälzer hatte es ins Kanzleramt geschafft, Strauß nicht. Da halfen auch keine lateinischen Zitate, Strauß herrschte in München, mag sein mit dem Hauch früherer bayerischer Könige, das Sagen in Bonn hatte Kohl, der empfing die Staatschefs der Welt. Und wenn die eine Pause in München einlegten, gab es schöne Bilder von Bayerns prächtiger Landschaft und König Ludwigs Schlössern, zu Sagen hatte der andere im Rheinland.
Seehofer sprach von Schmutzeleien
Markus Söder ist voller Ehrgeiz, er war es immer. Einer, der ihn seit Jahren gut kennt, ist der Horst Seehofer, Amtsvorgänger von Söder als bayerischer Ministerpräsident und als CSU-Parteichef. Seehofer hätte den Aufstieg des Franken gern verhindert, er schien ihn weder zu mögen noch ihm zu trauen, wie es aus Seehofers Umgebung wie aus CSU-Kreisen immer wieder hieß. Er soll ihm „Schmutzeleien“ unterstellt haben, wie es nach einer Weihnachtsfeier des Ingolstädter CSU-Chefs mal hieß. Was man darunter zu verstehen hatte, ist bis heute nicht ganz geklärt. Es könnte sein, dass Seehofer den Nürnberger Söder dafür verantwortlich machte, dass die Information, Seehofer habe mit einer Mitarbeiterin aus der CDU in Berlin ein uneheliches Kind, durchgestochen wurde. Söders Leute haben das stets dementiert, aber wie das so ist in der Politik, manche Informationen halten sich trotz aller Dementis.
Das SZ-Interview hat es in sich, nicht nur, weil es die „Süddeutsche“ geführt hat, in der ohnehin ein Kurswechsel zu beobachten ist. Das Blatt ist längst nicht mehr linksliberal, man könnte meinen, die Macher aus München wollten mit der konservativen CDU um den Platz in der rechten Mitte streiten. Also erklärt der Große Söder: „Schwarz-Grün ist ein Auslaufmodell in Deutschland und wäre ein Schlag ins Gesicht für viele bürgerliche Unionswähler.“ Und weiter, wenn man so will ex cathedra, betont der bayerische Ministerpräsident: „Seien wir ehrlich: Die Ampel ist eine gescheiterte Regierung. Mit dem Wahlrecht scheiterte sie erneut vor dem Bundesverfassungsgericht.“ Die Aussage wird nicht hinterfragt, obwohl sie sachlich nicht zutrifft, hat doch Karlsruhe das Gesetz über das künftige Wahlrecht in seinem wesentlichen Punkt bestätigt: Der Bundestag wird kleiner. So hatten es die höchsten deutschen Richter seit Jahren gefordert und seit Jahren hatten CDU/-CSU-geführte Regierungen unter der Kanzlerin Angela Merkel eine Reform des Wahlrechts nicht in Angriff genommen, weil die CSU sich dagegen sträubte. Der langjährige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble(CDU), im letzten Jahr verstorben, hatte seine Parteifreunde und namentlich die CSUler gemahnt, sie mögen der Auflage aus Karlsruhe nachkommen, sie ignorierten diesen Appell. Jetzt hat die Ampel gehandelt und sie ist nicht in Karlsruhe gescheitert, wie Söder im SZ-Interview behauptet, sie muss an einer Stelle nachbessern, die Grundmandatsklausel bleibt.
Die Grünen sind der Hauptgegner, da wird die CDU mit Merz, Wüst und Günther noch Spaß mit Söder bekommen. „Eine zu große Offenheit gegenüber den Grünen würde der Union massiv schaden.“ Originalton Söder. Er wirft dem Grünen Wirtschaftsminister Habeck vor, Bayern bewusst zu benachteiligen und einen massive Umverteilung von Süd nach Nord zu planen. „Habeck schiebt grünen Parteifreunden in NRW und Schleswig-Holstein fast alles Geld zu. Bayern geht regelmäßig leer aus.“ Behauptet ausgerechnet der CSU-Chef, der doch noch wissen müsste, wie es war, als die Bundesverkehrsminister Dobrindt, Ramsauer und Scheuer hießen, allesamt von der CSU. Das Tohuwabohu bei der Eisenbahn in Deutschland ist doch hausgemacht, die Verantwortung lag doch bei CSU-Leuten, die fehlende Pünktlichkeit bei Zügen, wenn sie überhaupt fahren, das Schienennetz total überaltert, was während der Fußball-EM von ausländischen Gästen aus aller Welt mokiert wurde. Kaputte Züge, nicht funktionierende Toiletten, ein Bild wie aus einem Entwicklungsstaat. Deutschland- armes Schienen-Land. Dagegen wurden Milliarden in bayerische Straßen gesteckt.
Schuld sind die Grünen
Aber laut Söder seien die Grünen schuld, die seien die Hauptkraft in der Ampel, mit einem Haushalt mit ungedeckten Schecks, einer wirtschaftlichen Lage, die schlecht sei, die Menschen hätten ein „tiefes Störgefühl, dass es in Deutschland nicht mehr richtig läuft. Er, Söder, könne „keinem bayerischen Wähler verkaufen, dass Schwarz-Grün eine Hoffnung“ sei. „Ich stehe in der Union klar für Nein zu Schwarz-Grün. Und ohne die CSU gibt es keine Mehrheit.“ Gegen Grün poltert ausgerechnet derselbe Söder, der in Bayern mit den Freien Wählern regiert mit einem Vorsitzenden Hubert Aiwanger, der schon mal die Demokratie zurückholen wollte, die nie weg war, und der nebenbei denen in Berlin vorhielt, sie hätten wohl den „Arsch offen“. Nicht vergessen der Skandal um das antisemitische Flugblatt, das selbst Söder als ekelig bezeichnete und dessen Handschrift angeblich Aiwangers Bruder trug. Die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, nahm eine Entschuldigung Aiwangers nicht an. Der konnte neben seinem Amt als Wirtschaftsminister Stellvertreter des Ministerpräsidenten im Freistaat Bayern bleiben.
Nein, das war nicht Thema des Interviews. Hier drohte vielmehr der Ministerpräsident der SPD wie den Grünen und bescheinigte ihnen, „keine solide Finanzpolitik zu machen“. Söder kündigte ferner an, „wir werden eine neue Reform des Wahlrechts zur Bedingung machen für eine neue Regierung im Bund.“ Starke Worte. Er warf der Ampel vor, mit ihrem Gesetz für ein neues Wahlrecht eine Wahl-Manipulation geplant zu haben, klar gegen die CSU gerichtet. „Auf den letzten Metern hineingeschmuggelt“ sei das gewesen, „um die CSU mundtot zu machen.“
Über die Schuldenbremse müsse geredet werden. Sieh man einer an. Bei der Ampel war eine Aufweichung der Schuldenbremse, um zum Beispiel dringend nötige Infrastrukturprobleme in der Republik in Angriff zu nehmen, noch Teufelszeug, wenn aber ein CDU-Kanzler regiert, ist das etwas anderes. Gute Schulden, böse Schulden, Herr Söder? Den Länderfinanzausgleich will er anpacken, nicht mehr hinnehmen, dass Bayern soviel bezahlt für andere Länder. Ja, Solidarität war immer schon ein Fremdwort für Söder. Dass es Zeiten gab, da NRW der größte Einzahler war und Bayern davon profitierte, ist Geschichte. Möglich, dass er Berlin im Auge hat, dass er die Berliner zur Kasse bitten will, weil Kai Wegner, der Regierende Bürgermeister in Berlin, die Schuldenbremse lockern will. Berlin ist der größte Nehmer im Länderfinanzausgleich. Das Bürgergeld will Söder abschaffen, die Kernenergie wieder beleben, die Asyl- und Migrationspolitik reformieren, abschieben nach Afghanistan und Syrien, Grenzkontrollen verschärfen, es sollen mehr Migranten in Städten untergebracht werden.
Mit Friedrich Merz versteht er sich eigenen Worten folgend gut. „Wir werden es gut zusammen machen“, verspricht er im Interview mit der SZ. Dass Friedrich Merz, CDU- Partei- und Fraktionschef, der Favorit ist im Rennen um die Kanzlerkandidatur der Union, räumt Söder gern ein. Mit Merz hat sich die CDU in allen Umfragen auf über 30 Prozent gesteigert, die SPD weit weg von einem Machtanspruch, die Grünen sind abgeschlagen. Die AfD ist zweitstärkste Kraft, vor allem im Osten mischt sie kräftig mit, gegen sie hat Merz sein Ziel, sie zu halbieren, verfehlt.
Das Spiel um die Macht
Söder kennt das Spiel um die Macht, weiß um die Stärke der CDU, die, wenn sie will, Merz zum Herausforderer machen kann, in diesem Vergleich ist die CSU ein kleiner Verein. Oberstes Ziel, betont Söder deshalb, sei die Ablösung der Ampel, dem müsse man alles unterordnen. „Klar ist, diese Wahl wird nur mit beiden zusammen gewonnen“, erklärt er. Man möchte gleich hinzufügen, wie damals, 2021, als Armin Laschet Kanzlerkandidat der Union war- gegen den Willen von Söder. Und Söder machte Laschet das politische Leben schwer, er gab keine Ruhe, im Grunde wurde Laschet vom CSU-Chef Söder demontiert. In der CDU haben das viele nicht vergessen. Söder stellt klar, ohne auf die Vorgeschichte einzugehen: „Ohne die CSU und, mit Verlaub, auch ihren Vorsitzenden ist es schwer, eine deutsche Wahl überzeugend für die Union zu gewinnen.“ Da ist was dran. Aber wer garantiert denn, dass der Markus Söder dieses Mal ein Votum der CDU für Merz anerkennt? Wer sagt denn, dass Söder wirklich alles tut- im Sinne von Merz? Oder ist das eine Drohung? Zumal er im SZ-Interview auf die Umfragen hinweist: „Für einen CSU-Vorsitzenden stoße ich, auch historisch betrachtet, auf eine überraschend positive Resonanz auch außerhalb Bayerns. Das möchte ich einbringen. Egal wie, wir werden es gut zusammen machen.“ Sagt Söder, der klarstellt, dass er nicht als Wirtschafts- oder Finanzminister nach Berlin gehen würde.
Kanzler werden oder Ministerpräsident bleiben. Als Letzterer könnte er dann von München nicht wie weiland Strauß Richtung Berlin schimpfen und sagen, die Ampel ist schuld. Und auch wenn sich einer wie Söder am Ende schiedlich-friedlich gibt und beteuert: „Wenn eine gute Politik gemacht wird, dann hilft das Deutschland und Bayern. Dann sind wir zufrieden“, muss das nichts heißen. Ich bitte um Wiedervorlage, wenn es so weit ist. Auf Söder ist Verlass, raunte mir jemand zu. Eben. Man frage Laschet.