Das blutige Ohr, die in den Himmel gereckte Faust, das Opfer, das gerade ein Attentat überlebt hat, ruft Fight in Richtung seiner fanatischen Anhänger, die US-Flagge im Hintergrund. Das Bild des Jahres und mitten drin Donald Trump, der Ex-Präsident der USA, der es nochmal wissen will. Trump, der Starke, sagt das Bild, der Schuss streifte nur das Ohr, eine kurze Behandlung im Krankenhaus. Dann geht der Kampf dieses Mannes weiter. Der 20jährige Täter ist tot, erschossen von Sicherheitskräften. Ausgerechnet Trump wird so zum Märtyrer, der Mann, der wie kein anderer die Stimmung im Land aufgehetzt hat, der für das viel kritisierte Waffenrecht in den USA steht, wo das Sturmgewehr AR-15, mit dem der Täter aus 135 Metern Entfernung von einem Dach aus mehrere Kugeln auf Trump abfeuerte, frei verkäuflich ist. Immer wieder wird dieses Gewehr bei Amokläufen verwendet, Versuche, sie für Zivilisten zu verbieten, scheiterten in Amerika am politischen Widerstand vor allem der Republikaner und von Donald Trump.
Der US-Wahlkampf ist nun erst recht aufgeheizt, aufgehetzt. Prompt werfen die Republikaner den Demokraten um Präsident Joe Biden vor, sie seien verantwortlich für die Gewalt, für die Stimmung im Lande, weil sie Trump verteufelten. Trump ist immerhin ein verurteilter Straftäter, ein Vergewaltiger, politisch ist er unberechenbar, eher neigt er zum Auto- statt zum Demokraten. Mit einem Präsidenten Trump stünde die NATO auf der Kippe. Was unter und mit einem Präsidenten Trump aus den USA würde, weiß kein Mensch. Make America great again. Das hat er damals schon den Anhängern zugerufen. America first. Amerika zuerst, ist das Mantra eines Egoisten. Der Rest ist ihm egal.
Gewalt hat in der Politik nichts zu suchen. Das gilt selbstverständlich auch für Trump. Niemand wird den Angriff auf Trump gutheißen, niemand klammheimliche Freude darüber empfinden können, dass es den Richtigen erwischt habe. Nein, so brutal sind Demokraten hüben wie drüben nicht. Ob dieses Attentat dem Opfer zu denken gibt? Zweifel sind angebracht, das zeigt schon die in den Himmel gereckte Faust. Kämpft, ruft er den Fanatikern zu, kämpft. Und er meint damit sicher nicht nur den Kampf um Stimmen.
So heizt man Stimmung auf
Attentate hat es in der US-Geschichte- und nicht nur da- immer wieder gegeben. Man denke an die Ermordung der US-Präsidenten Abraham Lincoln 1865. John F. Kennedy wurde 1963 in Dallas im offenen Wagen erschossen, seine Frau saß neben ihm. Ronald Reagan überlebte einen Anschlag 1981. Nicht vergessen sollte man das Attentat auf Kennedys Bruder Robert, der Senator des Bundesstaates New York war, als ihn 1968 im Ambassador Hotel in Los Angeles die tödlichen Kugeln eines Palästinensers trafen. Ist jetzt die Zeit zum Abrüsten gekommen, zum verbalen Rückzug, zur Entspannung, damit nicht noch mehr passiert? Zwar rief der Sprecher des Repräsentantenhauses, der Republikaner Mike Johnson, dazu auf, die Temperatur in diesem Land zu senken, fügte aber dann hinzu, kein Politiker der jüngeren Generation sei so verfolgt worden wie Trump. So heizt man die Stimmung an.
Und so macht man einen wie Trump zum Märtyrer. Der Republikaner Newt Gingrich, der frühere Sprecher des Repräsentantenhauses erklärte: „Sein Überleben heute Abend ist eine Fügung des Schicksals.“ So beginnt eine Verklärung eines Mannes, der für diese Engels-Rolle gar nicht taugt, um nicht noch höhere Mächte anzurufen. Und in diesem Sinne attackieren Republikaner Joe Biden, sie versuchen ihn lächerlich zu machen. Und Biden liefert dafür die Bilder, in dem er sich wie ein Greis benimmt, der durch das Weiße Haus stolpert und stottert, der Selensky mit Putin verwechselt und seine eigene Vizepräsidentin Kamala Harris mit Donald Trump. Jetzt heißt es bei den Republikanern: „Die zentrale Prämisse der Biden-Kampagne ist, dass Donald Trump ein autoritärer Faschist ist, der um jeden Preis gestoppt werden muss. Diese Rhetorik führte direkt zu Präsident Trumps versuchter Ermordung.“
Aber Trump, die Republikaner und Gewalt, das ist nicht abwegig. Trump selber hat dafür die Argumente geliefert. Wie war das noch am 6. Januar 2021, als Trumps Anhänger das Kapitol stürmten, es gab Tote und Verletzte, Politiker mussten durch unterirdische Gänge in Sicherheit gebracht werden. Bilder der Zerstörung gingen um die Welt. Trumps damaligen Vizepräsidenten Mike Pence wollten die Aufrührer und Bilder-Stürmer aufhängen, wenn er Bidens Wahlsieg bestätigen wollte. Was Pence dann auch tat. Der Mann aber, der die Menschen aufgewiegelt hatte, war kein Geringerer als Trump, der ohne Beweise behauptete, man habe ihm den Wahlsieg gestohlen. Atemberaubend waren diese Szenen damals, als man befürchten musste, Trump und die Republikaner würden das Ende der US-Demokratie einleiten. Auch seine Versuche, während der gegen ihn laufenden Prozesse die Justiz zu verteufeln, haben dem USA-Rechtsstaat schwer geschadet. Rücksichtslos tritt dieser Mann auf, Recht und Gesetz ist das, was er sagt und tut, Institutionen des Staates werden von ihm richtiggehend diskriminiert. Und seine blinde Gefolgschaft in der Partei der Republikaner jubelt ihm zu.
Und wenn er die Wahl gewinnt?
Man mag sich gar nicht vorstellen, was passiert, wenn Trump die Wahl im November gewinnen sollte. Gerade nach diesem Attentatsversuch sind seine Chancen auf den Einzug ins Weiße Haus eher gestiegen. Was passiert dann mit der NATO, mit der Ukraine, mit den Waffenlieferungen an Kiew? Wird Trump das alles stoppen, Putin freie Hand geben? Ist Europa für diesen Fall gerüstet? Eher nicht, wenn man daran denkt, wie instabil das demokratische Gefüge in einigen Ländern geworden ist? Wenn man darüber nachdenkt, wer eines Tages Macron in Frankreich folgt, wo zwar gerade im 2. Wahlgang der Vormarsch der Rechten gestoppt wurde, aber nichts entschieden ist. Und wie ist die Lage in Italien, wo eine Faschisten-Freundin namens Meloni regiert. Was ist los in den Niederlanden? Die Populisten, die Rechtextremisten, sie sind in Europa auf dem Weg nach vorn. Auch Skandinavien ist kein Hort der Stabilität mehr. Plötzlich ist über die gerade zu Ende gegangene NATO-Tagung in Washington zu lesen, dass der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz einer der Stabilisatoren des westlichen Bündnisses sei. Das wird er gern öfter hören wollen, der Sozialdemokrat Scholz, der aber im nächsten Herbst mit seiner Abwahl rechnen muss. Seine SPD liegt in allen Umfragen bei gerade mal 15 Prozent. So ist die Lage und dabei habe ich noch kein Wort verloren über die Landtagswahlen im Herbst im Osten, wo die in weiten Teilen rechtsradikale AfD stärkste Partei werden könnte. Und dass eine neue Partei wie das BSW, Bündnis Sahra Wagenknecht, im Osten in die Parlamente einziehen wird, dürfte ziemlich klar sein. Mehr Stabilität erreicht man damit nicht. Putin wird sich freuen, mit der BSW kann er gut, mit der AfD auch. Und dass er kein Freund der NATO ist, weiß jedes Kind. All das kann die Verunsicherung in Deutschland nur noch mehren.
Es ist nicht gut, was sich da zusammen braut. Der übrige Westen hat es versäumt, sich darauf einzustellen, er hat es in all den Jahren nicht geschafft, dass Europa zusammenwächst, damit es mit einer Stimme spricht und handelt. Einer wie Trump könnte zu einer Zerreißprobe werden, für die EU und die NATO.
Das Attentat auf Trump hat die Welt geschockt. Die Schüsse von Pennsylvania und die ersten Reaktionen zeigen, wie gespalten das stärkste Land der Welt ist. Die Folgen sind noch nicht abzusehen. Wenn man Trump nur ein bisschen kenn, ist davon auszugehen, dass es ihn eher noch stärker radikalisieren wird. Man mag sich gar nicht vorstellen, dass dieser Mann eines Tages Berlin besuchen könnte – als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Der Bundeskanzler, der Bundespräsident müssten ihn begrüßen, willkommen heißen. Erinnern Sie sich noch an John f. Kennedy: „Ich bin ein Berliner.“ An die Begeisterungsstürme, die Kennedy auslöste unter den Deutschen. Trump wäre einer zum Fremdschämen.
Aber es kann ja alles noch ganz anders werden. Hat nicht Friedrich Merz mal gesagt, er könne mit Trump?