Der Rapper Xatar arbeitet jetzt für die Bundesregierung – das berichten übereinstimmend das Nachrichtenportal „Nius“, die „Neue Züricher Zeitung“ und „Bild“. Sie bezeichnen den Rapper als verurteilten Straftäter und stören sich daran, dass er dennoch für den Staat arbeiten darf.
Vorab einige Worte zu seiner neuen Arbeit: Xatar ist – neben weiteren (Internet-)Bekanntheiten – am Streaming-Format „Fake Train“ beteiligt, das sich gegen Desinformation im Internet richtet. Initiiert hat das Format die Bundeszentrale für politische Bildung, eine Oberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums. Moderiert wird es – so heißt es auf der Internetseite der Bundesregierung – vom „YouTube-Star Rezo“, den einige bekannte Namen wie „Twenty4Tim, Xatar, Parshad Esmaeili und Rewinside“ auf seiner Reise im „Fake Train“ begleiten.
Dass ich von diesen Personen – außer dem Mittvierziger Xatar – niemanden kenne, ist kein Problem und gewiss nur Ausdruck dessen, dass ich nicht (mehr) zur Zielgruppe gehöre. Problematisch ist etwas anderes: Xatar wird medial dafür verunglimpft, dass er als verurteilter Straftäter und ehemaliger Strafgefangener nun für die Bundesregierung arbeiten darf. Das Ganze gipfelt bei der „Bild“ im Zitat eines hessischen CDU-Ministers:
„Den Rechtsstaat durch einen verurteilten Straftäter kommentieren zu lassen, ist so, als ob man Putin die Demokratie erklären ließe.“
Fast alles an diesem Satz ist falsch. Das Schlimmste aber ist, dass er resozialisierungsfeindlich wirkt. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht bereits 1973 in seiner berühmten Lebach-Entscheidung (Az. 1 BvR 536/72) klargestellt, dass gefangene Menschen – abgeleitet unter anderem aus der Menschenwürde – einen Anspruch auf Resozialisierung haben und der (Rechts-)Staat dementsprechende Pflichten hat. Das Bundesverfassungsgericht gibt also auch Strafgefangenen eine zweite Chance. Es gilt, ihnen den Weg zurück in die Gesellschaft zu ermöglichen.
Wenn man straffällig gewordene Menschen jedoch auf ihre kriminelle Vorgeschichte reduziert, so ist das in der Regel hinderlich für ihre Wiedereingliederung. Denn man schürt indirekt Vorurteile, indem man zwischen vermeintlich guten und schlechten Menschen unterscheidet. Wirklich resozialisierungsfeindlich wird es, wenn man diesen Menschen aktiv den Weg zurück in die Gesellschaft erschwert. Zum Beispiel, indem man sie – wie hier im Falle von Xatar – bei ihrem neuen Arbeitgeber und öffentlich schlecht macht. Dieses Vorgehen ist umso problematischer, wenn man bedenkt, dass Arbeit nicht nur bereits während der Haftzeit zu den wichtigsten Resozialisierungsfaktoren gehört, sondern auch danach das Rückfallrisiko erheblich senken kann.
Daher – mit den Worten von Xatar gesprochen – lautet die Botschaft „an all die überintelligenten rechtskonformen Zeitgenossen da draußen“: Resozialisierung geht uns alle an; im Rechtsstaat haben auch Straftäter eine zweite Chance verdient.